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Saramago, José - Die Stadt der Sehenden




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Saramago, José - Die Stadt der Sehenden

Beitragvon alixe » 21.02.2009, 22:26

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Kurzbeschreibung (amazon)
In der Hauptstadt einer ungenannten Demokratie geben bei einer Wahl 75 Prozent der Wähler einen unbeschrifteten Stimmzettel ab. Statt dass man die Motive ergründet, wird der Ausnahmezustand verhängt: diktatorische Maßnahmen greifen, Panzer patrouillieren durch die Stadt, willkürliche Verhaftungen folgen…Die Stadt der Sehenden ist eine glanzvolle politische Parabel.

Meine Meinung:
Nicht immer kann mich Saramago begeistern, doch mit diesem Roman ist ihm eine vortreffliche "Fortsetzung" zu der Stadt der Blinden gelungen.
Natürlich lassen sich die zwei Romane unabhängig voneinander lesen, doch vieles entgeht dem Leser, wenn er auf die Lektüre des ersten Werkes verzichtet.
Nicht nur der Titel, die ganze Geschichte der Stadt der Sehenden ist ein Gegenstück zur Stadt der Blinden.
Wo im ersten Roman Gewalt herrschte, siegt hier die Menschlichkeit. Saramagos humanistischer Roman hebt das Intellekt der Bürger hervor und entlarvt die Arroganz der "Staatsdiener", sprich der Regierung.
Jede Seite eine Herausforderung an den Verstand, ein literarischer Genuss gefüllt mit perfekt dosiertem Sarkasmus, klugem Humor und aufrüttelnden Wendungen.
Fasziniert von Saramagos Sprache, Intelligenz und Ironie, für mich einer der interessantesten zeitgenössischen Romane.

herzlichst: alixe
Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. (Erasmus von Rotterdam)


gerade am Lesen: Thomas Wolfe - Schau heimwärts, Engel!
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von Anzeige » 21.02.2009, 22:26

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Beitragvon Katia » 23.03.2009, 22:04

"Die Stadt der Sehenden": vier Jahre nach der rätselhaften Blindheit grassiert eine neue "Seuche". Weißwählen, das Abgeben gültiger Wahlscheine, die kein Kreuz enthalten. Was ein Bürgerrecht ist, sieht die Regierung in diesem großen Stil als Bedrohung der noch jungen Demokratie. Der Zweck heiligt die (undemokratischen) Mittel, die Krise muss beendet werden!
Ein Polizeikommisar wird mit Ermittlungen beauftragt, deren Ergebnis schon längst feststeht ...

Saramago ist ein zutiefst menschliches Buch gelungen, das unser demokratisches Selbstverständnis erschüttert. In atemloser Sprache werden Verbrecher gejagt, die keine sind, Machtspielchen der Politiker ausgetragen, gegen die sich die Bevölkerung nach Gebühr und immer redlich wehrt. In vielem ist das Buch ein Gegenentwurf zur "Stadt der Blinden" - keine Anarchie und Schreckensherrschaft, das Zusammenleben bleibt geregelt, Ungerechtigkeiten, Angst und Schrecken verbreitet lediglich die Regierung.

Während im ersten, episodenhaften Teil aus der Sicht verschiedener Personen berichtet wird, steht im Mittelpunkt des zweiten Teils der Kommisar, der die damals nicht erblindete Frau als Drahtzieherin der Weißwähler dingfest machen soll.

Es fällt mir schwer eine Beurteilung über diesen Roman abzugeben: dass ich die Stadt der Blinden las, ist so lange her (10 Jahre?), dass nur noch vage Erinnerungen in meinem Kopf sind. Der Verknüpfungspunkt über die Person der Frau des Arztes erschien mir (daher?) etwas künstlich. Auch das Zerfallen des Buchs in zwei recht unterschiedliche Teile zerriss die Lektüre etwas. Die Sprache ist zu Beginn anstrengend, hat man sich eingelesen ermöglicht sie einen wunderbaren Lesefluss mit hohem Tempo, der eine ganz eigene Atmosphäre erzeugt. Die parabelhafte Geschichte hat keinen ganz so runden Bogen wie in "Die Stadt der Blinden", ihr Grundgedanke ist mindestens ebenso faszinierend.

Eine lohnende, nachdenkliche, menschliche und doch hoffnungslose, etwas sperrige Lektüre.

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