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Fleischhauer, Wolfram - Die Frau mit den Regenhänden




Fleischhauer, Wolfram - Die Frau mit den Regenhänden

Beitragvon Krümel » 28.04.2006, 13:16

Die Frau mit den Regenhänden – Wolfram Fleischhauer

Kurzbeschreibung von Amazon:
Paris im Frühjahr 1867: Aus den dunklen Gewässern der Seine wird die Leiche eines Kindes geborgen. Für die Polizei steht fest: Die Mutter des Babys ist schuldig und muss zum Tode verurteilt werden. Aber warum verschwinden plötzlich Zeugen und Beweismaterial? Warum interessieren sich auf einmal die höchsten Regierungskreise für den Vorfall? 100 Jahre später beginnt eine junge Frau über die Hintergründe zu recherchieren.

Worüber man nicht sprechen kann, davon muß man erzählen …
Geschichten sind Unwahrheiten, die uns heilen können, sind Erdichtungen, die die Wahrheit sagen. Wir erzählen von Engeln und Wundern, vom Triumpf des Guten über das Böse, von der Kraft der Liebe. Die eigene Erfahrung mag dem noch so sehr widersprechen, wir können nicht anders.
Wolfram Fleischhauer

Ein wenig verwirrend sind die Zeitsprünge (1867 und 1992) zu Beginn, und die ganzen Personen, die direkt alle vorgestellt werden. Eine Kinderleiche wird in Paris 1867 in der Seine gefunden, die Mutter Marie wird darauf von der Polizei verhaftet. Ein junger Anwalt, der seinen ersten Prozess verlor, und sein Freund nehmen an einer grausamen Rattenjagd teil. Zudem ist 1867 die Weltausstellung in Paris, davon wird auch berichtet.
Zugleich schreibt ein Architekt 1992 seine Doktorarbeit, und muss dazu über die Weltausstellung von 1867 Fotographien und Dokumente durchforsten. Er trifft in der Bibliothek eine junge Frau, die seltsamer Weise … über das gleiche Jahr recherchiert ;-)

Fleischhauer verknüpft hier zwei Handlungsstränge zu einer mitreißenden Geschichte; was zu Beginn etwas kompliziert zu lesen ist, da er immer hin und her springt. Das Ende der Geschichte hat mich hier tief getroffen; ein Schluss der über Jahrhunderte und auch zukünftig nicht an Aktualität verliert …


:stern: :stern: :stern: :stern:

Die Frau mit den Regenhänden

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Zuletzt geändert von Krümel am 04.06.2006, 13:57, insgesamt 1-mal geändert.
BildLiebe Grüße,
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von Anzeige » 28.04.2006, 13:16

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Beitragvon Pippilotta » 10.01.2007, 20:10

Was für ein großartiges Buch, das sich in keine "Schublade" setzen lässt, es könnte genauso gut in die Genres "Kriminalroman", "Zeitgenössisches" oder "Liebesroman" eingeordnet werden.

Eine – scheinbar alltägliche - Kinderleiche, die im Fluss aufgefunden wird, zieht weite Kreise im Paris des Jahres 1867. Die Geschichte führt uns in das Frankreich des Napoleon III. mit all seinem Prunk und seiner Weltoffenheit, aber auch in die Armenviertel und düsteren Seiten der Stadt.
Parallel dazu – und in die Geschichte von damals verwoben - erfährt der Leser von den rätselhaften Umständen rund um Gaetane, Studentin in Paris 1992, die die Tragödie der Kindsmutter Marie akribisch recherchiert und in ihre eigene persönliche Tragödie – eine Tragödie des 20. Jh. - einflicht.

Fleischhauer spart auch in diesem Buch nicht, den Leser mit detaillierten, wahrheitsgetreuen, faszinierenden und unfassbaren Informationen und Kuriositäten einerseits über die Zeit Napoleons III., andererseits auch über das 20. Jh. zu versorgen. Ich habe Geschichte-Unterricht noch nie so lebendig, faszinierend und unterhaltsam erlebt!

Die Idee vom „Buch im Buch“, das Handwerk, verwobene Handlungsstränge, die sich langsam lichten sowie den Leser kurz vor dem Ende so richtig fassungslos zu machen, beherrscht Wolfram Fleischhauer perfekt.
Mit den Zeitsprüngen hatte ich keine Probleme, so was mag ich! Außerdem wurde dadurch so richtig die Idee vom „Buch im Buch“ transportiert!

Es ist wieder ein unglaublich weitschichtiges, aufwühlendes, berührendes, dramatisches und informatives Buch, und es wird einem so richtig bewusst, dass sich die Zeiten wohl geändert haben, aber die Menschen leider nicht.

Für mich ein absoluter [schild=11 fontcolor=000000 shadowcolor=C0C0C0 shieldshadow=1 nxu=47363231nx34148]Buchtipp[/schild] !
Obwohl ich ja grundsätzlich nicht so ein Freund der "Historischen Romane" bin, hat mich das Buch total in seinen Bann gezogen! Großartig!

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon marilu » 03.02.2007, 23:18

Inhaltlich wurde bereits alles Nennenswerte gesagt. Deshalb werde ich mich diesmal nur auf meine Meinung beschränken:

Einmal angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören, weshalb ich die 488 Seiten innerhalb von drei Tagen an einem Stück weggelesen habe. Nur einmal musste ich eine Pause einlegen, damit ich nicht an meinen Gefühlen ersticke: bevor ich den Epilog las, gönnte ich mir eine Stunde Unterbrechung. Zu recht - so kam er noch viel besser zur Geltung!

Innerhalb der ersten beiden Dritteln überwog die historische Erzählung, während im letzten Drittel Bruno und Gaëtane im Mittelpunkt stehen und sich das Verhältnis der Geschichten zueinander umkehrt. Für mich ein sehr gelungener Schachzug! So wurde mir Bruno noch richtig sympathisch! Aber ich will nicht zuviel verraten...

Besonders amüsant fand ich die Vorstellung Gaëtanes: schwarzes Kostüm, schwarze Strumpfhose und blaue Schuhe! Nicht wirklich, oder?! :shock:

Inzwischen habe ich mir dazu natürlich ein paar Gedanken gemacht :wink: und kam den Gedanken, dass man da sehr schön etwas hineininterpretieren könnte...

Der Stilbruch als Ausdruck dafür, dass mit Gaëtane selbst etwas nicht stimmt.


Der Roman löste bei mir eine breite Spanne von Gefühlen aus: reges Interesse an der französischen Geschichte, Spannung, Ekel, Freude, Angst, Empörung, Wut, Mitleid ...

Das Buch hatte alles, was es brauchte und im Gegensatz zu "Drei Minuten mit der Wirklichkeit" fand ich hier auch das Ende überaus gelungen.

Warum bekommt das Buch trotzdem nicht die volle Punktzahl?
Zwischendurch erschienen mir die geschichtlichen Details die eigentliche Handlung etwas zu beeinträchtigen und ich kam mir leicht verloren vor, weil ich nicht wusste wohin sie steuert. Allerdings waren die Details ja immer informativ, gut recherchiert und mit der Freude am Erzählen eingebaut, so dass es eigentlich kein richtiger Kritikpunkt ist. Wolfram Fleischhauer ist einfach ein charmanter Autor, der sein Wissen gern weitergibt. Deshalb von mir:

:stern: :stern: :stern: :stern: ( :stern: ) und die rege Weiterempfehlung in meinem Bekannten- und Kundenkreis! :thumleft:
Scharfsinnig bin ich von Montag bis Freitag. Übers Wochenende leiste ich mir den Luxus der Dummheit.
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Beitragvon Nerolaan » 10.11.2007, 20:09

Das war mein zweiter Fleischhauer und ich war noch begeisterter.

Ich fand es sehr gelungen wie Fleischhauer zwei Handlungsstränge neben einander herlaufen lässt und es dabei bis zum Schluss schafft, es offen zulassen, wie beide in Verbindung stehen.

Fleischhauer wurde mit diesem Buch endgültig zu einem meiner Lieblingsautoren!
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Beitragvon Pippilotta » 10.11.2007, 20:45

Nachdem ich jetzt bis auf "Verschwörung der Engel" alle Fleischhauers gelesen habe kann ich sagen, dass dieser hier mein Favorit ist!
Herzliche Grüße
Pippilotta


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