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Jordan, Hillary - Mudbound




Jordan, Hillary - Mudbound

Beitragvon marilu » 06.08.2010, 23:30

Im Mississippi-Delta liegt eine kleine Farm, die mit viel Hingabe und körperlicher Arbeit genug abwerfen kann, um eine Familie zu ernähren - Mudbound. Die Zeiten sind hart, die Weltwirtschaftskrise überwunden und der 2. Weltkrieg beendet.
In diesem Klima entführt Henry McAllan seine Memphis-geborene Ehefrau Laura und ihre Töchter aufs Land. Die beiden verbindet weniger eine leidenschaftliche Liebe als eine kameradschaftliche Beziehung. Henry ist ein bodenständiger Charakter, der in vielem mittelmässig ist. Laura, froh durch seinen Heiratsantrag einem Leben als alte Jungfrau entgangen zu sein.

Die Entscheidung aufs Land zu ziehen, stellt das Leben der beiden nicht nur auf den Kopf sondern auch vor einige Machtkämpfe. Dass Henrys unzufriedener und rüder Vater Pappy ebenfalls in das Heim einzieht, belastet Laura umso mehr, als Henry sich seinem Einfluss durch Landarbeit entziehen kann und sie oft mit dem alten Herren allein zurückbleibt, der jeden ihrer Schritte böse kommentiert.

Nur einen Tag nach der Ankunft in einem unfreundlichen und heruntergekommenen Farmhaus erkranken beide Töchter und so knüpfen sie in ihrer Not Kontakt zu einem der “share-cropper”-Paare auf der Farm, den Jacksons. Hap und Florence haben sich ein Standbein unter dem vorherigen Farmbesitzer geschaffen und sind froh, nicht von Henry vom Land gewiesen zu werden.

Florence hilft den McAllans die Krankheitsphase zu überstehen und bald wird klar, dass es zu Konflikten zwischen diesem dunkelhäutigen Ehepaar und Pappy kommen wird. Doch eine eigene Dynamik nimmt der Rassenkonflikt an, als sowohl Henrys junger Bruder Jamie als auch der Jackson-Sohn Ronsel aus dem 2. Weltkrieg zurückkehren. Die beiden kannten sich nicht, kämpfen aber jeder mit den eigenen Dämonen und dem Versuch, sich der südstaatlichen Gesellschaft wieder anzunähern. Doch beide haben im Krieg zuviel erlebt, um den übergang leicht zu schaffen. Jamie bietet Ronsel häufiger seine Fahrtdienste an und lässt ihn im Fahrerhaus seines Pick-ups sitzen, statt ihn auf die Ladefläche zu verbannen. Dieses freundliche und offene Verhalten gefährdet die “Ordung” im mississippischen Hinterland und führt zu bösem Blut...

Ronsel berichtet über seine Zeit als einer der wenigen schwarzen amerikanischen Soldaten, die im 2. Weltkrieg an Kampfhandlungen teilnahmen. Er schwärmt von der Offenheit und Freiheit, die ihm dort entgegen gebracht wurden und empfindet Probleme sich nach Kriegsende in sein altes Leben einzufinden. Letztes Jahr habe ich Andrea Levys “Eine englische Art des Glücks” gelesen, in dem ein Kapitel davon handelt, wie beschränkt die Freiheit ebendieser Soldaten waren im Vergleich zu den jamaikanischen Truppen. Gerade vor dem Hintergrund fand ich es sehr erschreckend sich vorzustellen, wie viel Demütigung Ronsel wahrscheinlich bereits zuvor in seinem Leben erdulden musste.

Dieser Roman hat mich kalt erwischt. Er ist ein Pageturner ohnegleichen und nur schwer zu verdauen. Aus sechs verschiedenen Perspektiven entspannt sich ein Panorama des Misstrauens, roher Gewalt, Familienzusammenhalt und dem Konflikt zwischen Anpassung und Anstand, der in einer Katastrophe endet. Schon lange habe ich nichts mehr gelesen, dass so lebhafte männliche Aggression ausstrahlt. Mehr als einmal musste ich schaudern. Zu sagen, dass ich ihn gern gelesen habe, wäre eine Lüge, doch er hat eine immense Kraft und fesselte mich sehr.

Empfehlenswert? Ich denke schon. Er behandelt eine Ära, die wenig Raum für Empfindlichkeiten liess und das tägliche Werk zum überleben beitrug. Das darf niemals Entschuldigung für fehlende Anteilnahme, Vertrauen und Menschlichkeit sein. Gerade dies bringt diese schmerzhafte Geschichte klar zum Ausdruck. Es ist fast unmöglich beim Lesen gefühllos zu bleiben.
Ich bin gespannt auf mehr von Hillary Jordan!

Noch nicht auf deutsch erschienen.


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