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Zusak, Markus - Der Joker




Zusak, Markus - Der Joker

Beitragvon chip » 25.11.2008, 10:42

Ed Kennedy ist Taxifahrer, ohne Ausbildung, ohne Stellung in der Gesellschaft, wie er selber resümiert. Ein Jammerlappen, erfolglos in jeglicher Hinsicht, mit einer Mutter, die ihn hasst und einem Säufer als Vater, der vor einem Jahr starb. Er hat nichts erreicht bisher. Ein ewiger Verlierer, wie ihm scheint. Alles was ihn noch zusammen hält, sind das Kartenspiel mit seinen drei Freunden und sein Hund als ständiger Begleiter.

„Ständig frage ich mich: ‚Nun, Ed, was hast du in den neunzehn Jahren deines Lebens erreicht?’ Die Antwort ist einfach:
Einen Scheiß.“


Schlagartig wird sein Leben auf dem Kopf gestellt, radikal umgekrempelt. In seinem Briefkasten findet er eine Spielkarte mit drei Adressen und Zeitangaben. Neugierig fährt er mit seinem Taxi zur ersten Adresse und beobachtet dort das verfallene Haus. Er sieht einen betrunkenen Mann ins Haus eintreten, das Licht wird eingeschaltet, … und hört plötzlich gellende Schreie. Kein Zweifel, die Frau des Betrunkenen wird misshandelt. Er sieht die Tochter der Familie herauslaufen, die draußen verängstigt wartet. Darauf wartet, dass die Stille heimkehrt. Ed muss handeln, aber es dauert, bis er die geeignete Taktik und natürlich den dazu passenden Mut findet, seinen Plan auszuführen. Er fährt zwischenzeitlich zur nächsten Adresse. Dort lebt eine alte Frau, der er einen Besuch abstattet und beim Eintreten mit ihrem verstorbenen Mann verwechselt wird. Er nimmt diese Rolle an, weil es sie glücklich macht. Und nun erkennt er auch den Zweck der Karte: Er soll helfen, Missstände aufdecken und hoffnungslosen Menschen Mut machen. Meistens sind es kleine Gefälligkeiten, die kaum der Rede wert sind, die aber eine große Wirkung nach sich ziehen. Ihm bleibt auch nichts anderes übrig, weil ihm von Unbekannten mit dem Tod gedroht wird, sollte er seine Aufgaben nicht erfüllen.

Es bleibt auch nicht bei dieser einen Karte, auf jeder weiteren finden sich neue Namen, neue Adressen und neue Möglichkeiten, einem Menschen aus seiner Not zu befreien. Das Schema seiner Ausführung jedoch bleibt gleich. Er beobachtet, erkennt und beseitigt. Und wenn ihm mal nicht einfallen sollte, worin seine Aufgabe besteht, taucht aus heiterem Himmel ein Helferlein auf und führt ihn dorthin. So könnte es endlos weitergehen, aber die Aufgaben werden immer persönlicher, und er wird verpflichtet sein, sich mit seiner eigenen Geschichte, seiner Person, seiner Vergangenheit, seinem Umkreis zu beschäftigen. Aber wer schickt ihm diese Karten, und wieso er? Diese Fragen werden zur Nebensache, denn er findet sich mit seinem Schicksal ab, wird sichtbar selbstbewusster und findet einen Sinn in seinem Leben.

Zusak hat hier ein sehr ansprechendes Buch mit viel Menschlichkeit und Wärme geschaffen. Zugegeben, er trägt manchmal sehr dick auf, wenn schon biblische Züge erkennbar werden. Der Schreibstil ist flott, erzählt in einem simplen Konversationston voller Witz und Charme. Leider kriegt Ed seine Gefühle anfangs nicht in den Griff, mit einem oftmals weinerlichen Ton belästigt er, Seiten später wiederum springt er himmelhochjauchzend auf, obwohl die Todesdrohung vom letzten Kapitel immer noch in gleicher Haltung dort in der Ecke wartet. Erst ab der zweiten Hälfte pendeln sich diese Gemütszustände zu einem erträglichen Ton ein. Zusak schafft es, seine Figuren greifbar erscheinen zu lassen, ja, und vielleicht ist auch der jammernde Ton Absicht, um Eds Veränderung natürlicher aussehen zu lassen. Seine Heldentaten sind so bescheiden wie geistvoll, immer findet er die richtigen Worte, die aus dem Mund eines Gelehrten kommen könnten, überlegt handelt er, umschrieben mit den teils lyrischen Worten Zusaks. Und ab dem Zeitpunkt, wo sich Ed mit sich selbst beschäftigen muss, lösen sich meine Zweifel völlig auf und bin mir sicher, ein gelungenes Buch gelesen zu haben, das die Menschenliebe und Anteilnahme auf einen Sockel hebt.
:stern: :stern: :stern: :stern:

Gruß,
chip

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von Anzeige » 25.11.2008, 10:42

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Beitragvon alixe » 25.11.2008, 11:12

Juhuuuuuuuuuuuu!!!!!!!

Chip hat wieder etwas für meinen SuB gemacht, der niemals mit dem Wachsen aufhören soll! :mrgreen:

es bedankt sich herzlichst: alixe
Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. (Erasmus von Rotterdam)


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