[center]Joan Aiken - Du bist ich : Die Geschichte einer Täuschung[/center]
Zwei Mädchen sehen sich zum Verwechseln ähnlich: die bigotte Louisa aus einer wohlhabenden Northumberlander Großfamilie stammt und die Amerikanerin Alvey, die allein in der Welt steht. Da trifft es sich doch gut, dass Louisa gegen den Willen ihres Vaters als Missionarin nach Indien will und Alvey, die Schriftstellerin werden will, eine Gelegenheit zum Schreiben sucht. Die beiden Mädchen tauschen Identitäten. Alvey fährt als Louisa auf den Familiensitz Birkland, wo sie auf wilde Charaktere und wilde Geschichten trifft. Ein griesgrämiger Vater, eine Mutter, die sich weniger um ihre 8 lebenden und 6 toten Kinder als um ihren Garten kümmert, die egoistisch-durchtriebene Parthie, Meg, die nur ihre Hochzeit im Kopf hat, die verwahrlosten Kinder Nish und Tot.... die Ereignisse überschlagen sich und die falsche Louisa ist bald mitten drin im anstrengende Familienleben und kann es sich gar nicht mehr anders vorstellen, Birkland und seine Bewohner wachsen ihr ans Herz. Doch ahnt mehr als nur ein Bewohner des Hauses, dass sie nicht Louisa ist ...
Unterhaltsam und spannend ist Joan Aikens Roman, stilistisch versucht er Austen'sche Atmosphäre auch sprachlich einzufangen. Das gelingt ihm nicht, was evtl. auch an der Übersetzung hängt, zu holperig sind manche Dialoge. Dafür wird die Landschaft nahe der schottischen Grenze anschaulich beschrieben und ergibt einen stimmigen Hintergrund für die dramatische Handlung. Das Buch wird zum Pageturner, weil Aiken dem Leser kaum eine Chance zum Verschnaufen lässt und die Handlung vorwärtstreibt.
Aiken benutzt Motive und Sätze, die man so woanders auch schon gelesen hat: das doppelte Lottchen fällt einem deutschen Leser natürlich sofort ein, der mitgilftjagende Pfarrer schein einen übertriebene Wiederbelebung aus Stolz und Vorurteil ... Auch in Kleinigkeiten: da werden Namen und Lebensumstände von Hawthorne geklaut und der Anfangssatz von Anna Karenina verklausuliert wiedergegeben. Macht zwar irgendwie auch Spaß diese Dinge zu entdecken, aber bei mir ist der Ärger darüber doch größer: ich möchte lieber Neues lesen, ich mag Anspielungen gerne, aber diese sind irgendwie ohne Zusammenhang.
Für die ansonsten ganz ansprechende SZ-Bibliothek ein überraschend belangloser Roman, der mir (trotz der ärgerlichen Details) viel Lesespaß gebracht hat. Nette Unterhaltung für ein lange Winternächte, mit Tee in der Hand und Wolldecke um die Beine.
Katia