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Ott, Karl-Heinz - Endlich Stille

01.05.2008, 09:39

Am Bahnhof steht plötzlich dieser Mensch neben dem Erzähler: »Suchen Sie auch ein Hotel« - und weicht ihm nicht mehr von der Seite. Von nun an wird der Baseler Philosoph von diesem Schwadroneur so lange belagert, tyrannisiert, unter den Tisch getrunken und an die Wand geredet, bis er sich nicht mehr zu helfen weiß ... Ein Roman über die Grenzen der Zurückhaltung und den ungleichen Kampf von Höflichkeit und Dreistigkeit. Abgründig und virtuos. (Kurzbeschreibung aus Amazon)

Dieser Tipp eines Buchhändlers hat sich echt gelohnt! Mit viel Virtuosität erzählt Ott von einer Situation, wie wir sie eventuell ähnlich schon erlebten: Wann wird es Zeit klipp und klar Nein zu sagen und Grenzen zu ziehen? Wann werden wir Opfer der Unverfrorenheit der anderen, aber auch unserer eigenen Zaghaftigkeit? Wie sehr diese Erzählung dann fast grotesk anmutet und sich in ihrem Ausgang schon andeutet, so erscheint sie doch rgendwie plausibel. Dazu kommt, dass Ott, wenn ich nun seine Biographie sehe, viele Elemente seines Lebens oder Wissens einspielen lässt: Ein Teil der Handlung spielt in Basel, im Text tauchen auch exkurshaft wirkende Passagen über Philosophie und Musik auf. Für mich eine schöne Entdeckung!!!

:stern: :stern: :stern: :stern:

Karl-Heinz Ott wurde 1957 in Ehingen bei Ulm geboren. Er besuchte ein katholisches Internat und studierte Philosophie, Germanistik und Musikwissenschaft. Anschließend arbeitete er als Dramaturg in Freiburg, Basel und Zürich. 1998 erschien sein Romandebüt»Ins Offene«, das mit dem Förderpreis des Hölderlin-Preises und dem Thaddäus-Troll-Preis ausgezeichnet wurde. »Endlich Stille« ist Otts zweiter Roman

Bild

Broschiert: 206 Seiten
Verlag: Dtv (April 2007)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3423135514
ISBN-13: 978-3423135511

01.05.2008, 09:39

Re: Ott, Karl-Heinz - Endlich Stille

01.05.2008, 10:54

tom hat geschrieben: Ein Roman über die Grenzen der Zurückhaltung und den ungleichen Kampf von Höflichkeit und Dreistigkeit. Abgründig und virtuos. (Kurzbeschreibung aus Amazon)

Wann wird es Zeit klipp und klar Nein zu sagen und Grenzen zu ziehen? Wann werden wir Opfer der Unverfrorenheit der anderen, aber auch unserer eigenen Zaghaftigkeit?



Eine sehr interessante Thematik - daher ist das Buch auf meine Wunschliste gewandert!

Danke Tom!

01.05.2008, 17:08

Coco, ich denke, dass gerade DIR dieses Buch gefallen könnte, wenn Du dem Zauderphilosophen nachsiehst, dass er einfach nicht früh genug sein Nein sprechen kann, bzw. Du die schreckliche Spannung aushalten kannst, einen unmöglichen Typen ins Haus geschickt zu bekommen!
Hinter der Fassade ist das Buch fast ein erschreckendes Drama...

01.05.2008, 20:01

Klingt nach einem Buch, das mich interessieren könnte, danke für den Tip! :thumright:

Ich mußte beim Lesen der Besprechung an dieses Buch hier denken:

Bild

Die Thematik ist zwar nicht direkt vergleichbar, aber es geht auch um das Ziehen oder vielmehr das Nichtziehen der Notbremse im persönlichen Gespräch mit einem Fremden. Sehr empfehlenswert...

Liebe Grüße
Siebenstein :wink:

01.05.2008, 21:21

Mußte jetzt zweimal überlegen, um die Vergleichbarkeit bestätigen zu können. Allerdings wurde die Offenherzigkeit des Einen etwas leichter vom anderen hingenommen?

Siebenstein hat Recht: Das Buch von Werner hat mir ebenfalls ausgesprochen gut gefallen.

27.08.2008, 19:45

tom hat geschrieben:Mußte jetzt zweimal überlegen, um die Vergleichbarkeit bestätigen zu können. Allerdings wurde die Offenherzigkeit des Einen etwas leichter vom anderen hingenommen?


Bis jetzt sehe ich keine Eckpunkte bei diesen Büchern, also von Handlung und den Gedanken her, aber beide würden einen ähnlichen Lesegeschmack gefallen.

Ich lese es momentan, und ärgere mich wieder :mrgreen: Wieso kann man nicht einfach NEIN sagen, die Grenze ziehen und dicht machen?! Dabei habe ich das in klitze-klein Format im Urlaub selbst erlebt. Die Vermieter haben uns tot gequatscht, wenn sie uns erwischt haben :lol:

04.09.2008, 09:24

Auf der einen Seite hat mich dieses Buch sehr verärgert, denn …, und auf der anderen habe ich interessiert betrachtet.

Der Ich-Erzähler wird auf dem Brüsseler Bahnhof von einem Herrn angesprochen, und von da an wird er diesen Friedrich nicht mehr los!
Zunächst hat der Leser den Eindruck, dass es bei dieser Begegnung in Brüssel bleibt, da der Protagonist ihm eine falsche Adresse sowie Telefon-Nummer hinterlässt. Doch er hat seinen Wirkungsraum preisgegeben, Uni Basel, und dass er dort an der philosophischen Fakultät tätig ist. Ein schwerer Fehler!
Denn Friedrich stöbert ihn in Basel auf, und stellt sein Leben komplett auf den Kopf. Es ist kein Eigenleben mehr möglich, und der Abstieg in den Suff droht.
Wie ist das möglich?

In kleineren Dingen bemerke ich auch bei mir, dass das NEIN und das ziehen von Grenzen das ein oder andere mal von fremd her überschritten werden kann. Aber wenn es zu viel wird, und ich mich eingegrenzt und fremdbestimmt fühle, wehre ich mich. Und das ist der Grund warum mich dieses Buch verärgert hat. Der Protagonist ist dazu nicht in der Lage.
Aus dem Buch heraus liest man, dass er gerne ausweicht, nicht konsequent für sich einsteht, oder dieses gerne anderen überlässt. Ein Mensch, der aus “Schwäche” nicht NEIN sagen kann?

Allerdings hat mich dieses Buch auch in fremde Ansichten und Gedanken transportiert. Ich musste darüber nachsinnen, welche Beweggründe solche Menschen haben. Aber wenn man den Schluss liest, ist es sicherlich ehrlicher und ungefährlicher, wenn man ein klares NEIN zur rechten Zeit anbringen kann!

Die Sprache ist sehr melodisch, wie in stetigen Wellen, ein Auf und Ab, so liest sich dieses Werk, was mir sehr gut gefallen hat.
Ferner ist es eine aussagekräftige Charakterstudie, die mich allerdings bisweilen auf die Palme gebracht hat.

Über den Autor:
Karl-Heinz Ott wurde 1957 in Ehingen bei Ulm geboren. Er besuchte ein katholisches Internat und studierte Philosophie, Germanistik und Musikwissenschaft. Anschließend arbeitete er als Dramaturg in Freiburg, Basel und Zürich. 1998 erschien sein Romandebüt “Ins Offene”, das mit dem Förderpreis des Hölderlin-Preises und dem Thaddäus-Troll-Preis ausgezeichnet wurde. “Endlich Stille” ist sein zweiter Roman. Momentan steht Ott mit dem Werk “Ob wir wollen oder nicht” auf der Longlist des deutschen Buchpreises 2008.

Bewertung: :stern: :stern: :stern:
Schwierigkeitsgrad: leicht

04.09.2008, 18:23

Wie ja stets in solchen Dingen, erinnere ich mich nun nicht mehr an die Quelle einiger Gedanken zu diesem Buch, die ich desletzt interessiert las. Ich habe zurückbehalten, dass eventuell in einer anderen Perspektive diese "äussere" Person ein Teil unserer Selbst ist. Können wir diesen abblocken? Wenn ja, wie? Da ergeben sich für mich interessante Betrachtungen...

04.09.2008, 18:48

tom hat geschrieben: Ich habe zurückbehalten, dass eventuell in einer anderen Perspektive diese "äussere" Person ein Teil unserer Selbst ist. Können wir diesen abblocken? Wenn ja, wie? Da ergeben sich für mich interessante Betrachtungen...


Wie meinst du das jetzt? Ich hatte ja schon geschrieben, dass mir das im Kleinen auch passieren kann, wenn es dann zu viel wird, blocke ich ab oder explodiere förmlich. Ich habe aber nicht das Gefühl, bei vielen anderen Emotionen schon, dass es irgendwas mit zwei Seelen in meiner Brust zu hat.

04.09.2008, 19:18

Och, wahrscheinlich ist das nun nicht mit dem Buch gemeint, doch ich finde es oft interessant mich zu fragen, unter welchem Blickwinkel ich eine äussere Handlung auf ein inneres Geschehen übertragen könnte.

04.09.2008, 19:48

tom hat geschrieben:Och, wahrscheinlich ist das nun nicht mit dem Buch gemeint, doch ich finde es oft interessant mich zu fragen, unter welchem Blickwinkel ich eine äussere Handlung auf ein inneres Geschehen übertragen könnte.


Ach so, das beobachte ich bei mir sowieso total gerne. Bei anderen geht das leider so schlecht :lol: :wink:
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