Leopard
Jo Nesbø
Originaltitel: Panserhjerte
Gebundene Ausgabe: 704 Seiten
Verlag: Ullstein HC
ISBN-13: 978-3550087745
Nach seinem letzten Fall um den Schneemann brauchte Harry Abstand, Abstand zur Polizei, Abstand zu Norwegen, Abstand zu seinem bisherigen Leben. Die Trennung von Rakel und deren Sohn hat ihn sehr mitgenommen. Unterschlupf hat er in Hongkong gefunden. Aber in Ruhe leben kann er auch dort nicht. Alkohol, Opium und Pferdewetten sind für ihn zum Lebensinhalt geworden. Wegen seiner Schulden bei den Tiraden, der chinesischen Mafia, kann er auch das Land nicht verlassen, denn sie haben ihm seinen Pass als Pfand abgenommen. Die junge norwegische Ermittlerin Kaja Solness fliegt im Auftrag von Gunnar Hagen, Leiter des Morddezernates, nach Hongkong, um Hole zurück nach Norwegen zu holen, denn dort treibt erneut ein vermeintlicher Serienmörder sein Unwesen. Dies sind aber nicht die einzigen Handlungsorte, der Leser verfolgt die Ermittlungen noch in Ruanda, im Kongo und in Leipzig.
Gleich zu Beginn des Romans wird man Zeuge eines äußerst grausamen und perfide ausgeklügelten Mordes an einer Frau. War „Schneemann“ schon nichts für Zartbesaitete, empfand ich „Leopard“ im Vergleich zum Vorgängerbuch noch einmal als eine deutliche Steigerung.
Die Handlung verläuft in verschiedenen Strängen. Neben den Ermittlungen in den Mordfällen ging es in diesem Thriller auch um das Kompetenzgerangel zwischen dem Morddezernat und dem Kriminalamt.
Temporeich erzählt Jo Nesbø vom Fortschreiten der Ermittlungen, von Fehlschlägen und der behördlichen Rivalität. Mikael Bellman, Chef des Kriminalamtes und selbsternannter Platzhirsch, will mit seinem Team allein die Fälle lösen und erkennt die Kompetenz des Morddezernates nicht an. Ruhe kommt in dieses Buch immer dann, wenn Harry Hole seinen todkranken Vater am Sterbebett besucht. Es ist ein leises Abschiednehmen von Vater und Sohn, dass gefühlvoll und eindringlich beschrieben wurde. Eine weiter Handlungsebene ist die unvermeidliche Lovestory. Die gehört wohl einfach zu diesem Genre.
Prinzipiell hat mir „Leopard“ recht gut gefallen. Der Spannungsbogen wurde kontinuierlich aufgebaut und auch bis zum Ende hin gehalten. Die Morde sind zwar brutal, aber gerade noch erträglich und auch die Ermittler sind nicht zimperlich und müssen einiges einstecken. Jo Nesbø erzählt gekonnt und baut geschickte Cliffhanger ein, so lässt er dem Leser Zeit zum Durchatmen und zum stillen Weiterfiebern und hält ihn so vor allen Dingen bei der Stange. Der Thriller ist leicht und flüssig zu lesen, zieht den Leser schnell in seinen Bann und entwickelt dann eine gewisse Eigendynamik. Mir fiel es doch recht schwer, das Buch zur Seite zu legen. Nesbø nutzt intelligent die Zutaten, die einen guten Thriller ausmachen, durchkonstruierte Morde als Grundlage, ein bisschen Liebesgeflüster fürs Gefühl und einige unverhoffte Wendungen für die Spannung. Einzig die Figur des Harry Hole hat mir in diesem Fall nicht so zugesagt. Zwar gelingt es dem Autor gut, seine Sucht und Schwächen zu beschreiben, aber den Widrigkeiten seines Berufsalltags kann er trotzen, obwohl er psychisch und physisch sehr mitgenommen scheint. Nicht jeder kann seine persönlichen Defizite so gut überspielen.
Mein Fazit: „Leopard“ ist der 8., gut in Szene gesetzte Fall des Ermittlers Harry Hole. Wer sich nicht an der Spezifik des Ermittlers stört, rasante und blutige Kriminalromane bevorzugt und Liebhaber dieses Genres ist, für den wird dieses Buch kein Fehlgriff sein.
Über den Autor (Quelle: Wikipedia)
Jo Nesbø (* 23. März 1960 in Oslo) ist ein norwegischer Musiker und Autor.
Nach einer Ausbildung als Diplom-Kaufmann und Finanzanalyst an der Norwegischen Handelshochschule Bergen war er neben seiner Aufgabe als Sänger und Komponist der Popgruppe Di Derre als Makler und Journalist tätig.
Hauptperson von Nesbøs bisherigen Kriminalromanen ist der alkoholkranke, alleinstehende Hauptkommissar Harry Hole, der zumeist brutale Mordfälle lösen muss.
Nesbø erhielt als Auszeichnung den norwegischen Riverton-Preis und den skandinavischen Krimipreis (Glasnøkkelen) für seinen Debütroman Flaggermusmannen. Sein Roman Rotkehlchen brachte ihm 2000 den norwegischen Buchhandelspreis ein und wurde 2004 zum besten norwegischen Krimi aller Zeiten (Tidenes beste norske krim) gewählt. Seine Werke wurden in die schwedische, finnische, dänische, englische, niederländische, französische, polnische und deutsche Sprache übersetzt.
Zur Reihe um den Ermittler Harry Hole gehören:
1. Der Fledermausmann (Flaggermusmannen)
2. Kakerlaken (Kakerlakkene)
3. Rotkehlchen (Rødstrupe)
4. Die Fährte (Sorgenfri)
5. Das fünfte Zeichen (Marekors)
6. Der Erlöser (Frelseren)
7. Schneemann (Snømannen)
8. Leopard (Panserhjerte)