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Brown, Dan - Das verlorene Symbol




Brown, Dan - Das verlorene Symbol

Beitragvon Dr.Who » 29.09.2009, 19:35

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Diesmal hat Dan Brown eindeutig Heimspiel. Nach Rom und Paris treibt sich Robert Langdon in Washington D.C. rum wo er von einem alten Freund gebeten wurde eine Vorlesung über Architektur in Verbindung mit den Freimaurern zu halten. Als er jedoch im Auditorium ankommt merkt er sofort das hier etwas ganz und gar nicht stimmt und als dann auch noch Minuten später in der Rotunda am Capitol Hill eine abgesägte Hand gefunden wird scheint Robert tiefer in die Machenschaften der Freimaurer hineingezogen zu werden als ihm lieb ist.

Jetzt nur einen bloßen Verriss zu schreiben wäre zu einfach, deswegen nun zu ganz was anderem
Dan Brown ist jemand der das was er macht nicht einmal so schlecht macht.
Nach dem Sakrileg -Debakel konnte es nicht mehr schlimmer kommen um so positiver überrascht war ich als ich in Das verlorene Symbol den exakten Sound von Illuminati wieder fand. Vom Timing, Einsatz von Neben- und Hauptcharakteren bis hin zur textlichen Konzeption könnte man das aktuelle Buch fast als den amerikanischen Zwillingsbruder seines römischen Vorgängers bezeichnen. Weck von all den Religiösen Firlefanz und wirklich wieder hin zu Mystik gemixt mit High Tech. Zwar ist jene nicht wirklich relevant für das Buch aber Fans von Robert Langdons erstem Abenteuer werden in der ersten Hälft ganz bestimmt auf ihre Kosten kommen.
Auch nicht zu verachten ist das sich die Vorhersehbarkeit, die einem beim letzten Buch schon ab der Mitte ereilt und einem jegliche Lust aufs weiterlesen genommen hat, hier auf die letzten 100 Seiten reduziert werden konnte. Zwar wissen wir alle das Brown immer ein Happy Beppy Ende abliefert aber dennoch wird das letzte Rätsel (um wer, was, warum) vom Leser verhältnismäßig spät geknackt.

Alles im allem natürlich nicht schlecht aber auch ein Dan Brown muss sich in so fern physikalischen Gesetzen beugen das, wenn ihm die Sonne ins Gesicht scheint oft seine Locken am Popo in düsterster Finsternis liegen.
Was, wenn man das Buch zur Hand nimmt, klar sein muss ist das wir es hier mit dem Buch zum Film zu tun haben. Also quasi die Antwort auf eine Frage die bis jetzt noch nicht gestellt wurde. Alle Romanrelevanten Dinge wurden aus dem Schmöker verbannt und an derer Statt regieren meist knappe Dialoge, Einzeiler die Tom Hanks (seinem doch schon fortgeschrittenem Alter entsprechend) auf den Leib geschneidert wurden genau so auch unnütze Beschreibungen von Waffen, Fahrzeugen und Örtlichkeiten die in einem Roman voller Fantasie und Finesse nichts zu suchen haben.
Jeglicher Funke Einfallsreichtum wurde getilgt so das man sich nach 100 Seiten in einem Film von Michael Bay wähnt. Die Charaktere sind uninteressant was zählt ist die Action und die Spezialeffekte, das Visuelle muss bestechen der Rest ist schnödes Beiwerk. In solchen Filmen gucke ich nach 20 Minuten das erste mal auf die Uhr, so auch im Buch in dem jegliche Regung charakterlicher Wärme fehlt. Ich fühle mich nicht beteiligt an der Geschichte, ich darf nur gucken aber nicht mitmachen.
Die Charaktere sind ein weiterer Schwachpunkt, jetzt nicht nur in diesem Buch sondern generell bei Brown, aber gerade hier ist die leere Hülle am stärksten zu spüren.
Katharine Solomon ist, wie auch schon ihre beiden Vorgängerinnen, eine (für mich) schwarzhaarige, verjüngte Version von Farrah Fawcett nett, taff aber manchmal zu sehr Frau.
Obwohl…?
Um gleich zur Wurzel allen Übels zu kommen.
Robert Langdon ist wieder der gutmütige Fachidiot der diesmal, aber wirklich, von meiner Fawcett -Vision an die Wand gespielt wird und wie ein nudelarmiger Chorknabe wirkt. Der Mann ist nun endgültig zur Alibifigur mutiert, ein Nebencharakter der, herumgeschubst von allen anderen, zufällig am Buchdeckel erwähnt wird.
Der Rest der Truppe ist nicht der Rede wert das pädagogisch entwertete Standartrepertoire der Gebrüder Grimm eben.
Obwohl vielleicht der Bösewicht eine nähere Betrachtung verdient.
Bis jetzt waren Browns Schurken immer gesittetes Gesocks das am Ende den Löffel abgegeben hat. Zumindest im Vergleich zu Mal´akh´s Druckstelle im Pfirsich.
Nicht nur das er das ganze Schurkenlatein drauf hat auch hab ich immer schon auf die Szene gewartet wo man ihn, gewandet in ein schwarzes Cape, im Hobbykeller am Yamaha Keyboard sitzen sieht wo er, mit ernster Mine, alte Songs von Andrew Lloyd Webber orgelt und dabei sein MUHAHAHAHA! übt.
Leider kam ich nie in den Genuss der Szene, dafür entschädigt Dan Brown mit einer echten Selbstentmannung wo unser Aggressor seinem besten Stück mittels jahrhunderte altem Messer den Garaus macht. Danach wunderte er sich das es bei weitem nicht so geschmerzt hat als was er angenommen hatte.
Kunststück, bei den Steroiden und Aufbaupräparaten die der Knilch im Laufe der letzten Jahre so eingeworfen hat hätte es für seinen Strohhalm auch eine dieser knuffig popeligen Bastelscheren getan.

Weiter oben erwähnte ich das Brown das was er macht nicht mal so schlecht macht aber was macht er denn nun?
Dazu stellen wir uns vor das er ein deutscher Debütant ist der sein Skript zu Das verlorene Symbol an einen beliebigen Verlag geschickt hat und 2 Monate später folgendes zurückbekommt:

    Sehr geehrter Herr B.

    Haben den Text dankend erhalten.
    Zweifellos haben sie Talent zur Unterhaltung nur
    passt jene nicht ganz in unser Verlagsbild.
    Weiterhin viel Glück.
    X

    PS.:
    Sollten sie die Fase zwanghafter Masturbation überwunden
    und Geschlechtsverkehr mit einer Frau gehabt haben melden sie sich wieder bei uns.



Danke Herr X.
Exakt das ist es was Brown macht. Der Mann reiht einfach Höhepunkt an Höhepunkt an Höhepunkt, alles was dazwischen liegt (Story, Charaktere etc.) interessiert ihn nicht. Das ist etwas was er nicht schlecht macht, immer zu versuchen mit einem Cliffhanger zu enden, den Leser stets Anreiz zum weiterlesen zu geben. Da kommt es ihm natürlich grad gelegen das er mit seiner Schreibaversion nie mehr als 4 Seiten für ein Kapitel füllen muss. Hat er doch dadurch seine neuesten 500 Seiten mit nicht weniger als über 130 Kapiteln perforiert.
Diese Systematik ist natürlich nicht neu.
Wenn man unbedarft den Fernseher aufdreht wird man rasch auf eine der zahlreichen Soap Operas stoßen. Nein, nicht weglaufen, bleiben und staunen sie wie knapp 80% der handwerklichen Eigenschaften mit denen Dan Browns harmonieren.
Rätselsoap, Thrillenovela?

Wir haben bereits festgehalten das der Beginn nicht schlecht ist, in der Mitte strauchelt er zwar und die Charaktere sind auch nicht so der Bringer aber was birgt das Ende? Darüber wird zwar nix verraten aber eifrige Kinogänger, die bei anderen Büchern von Brown beim ableben des Böslings schon die Jacke in der Hand haben, weil sie wissen da kommt nix mehr, sollten bei Das verlorene Symbol noch etwas warten bis sie all ihr Popcorn Richtung Leinwand pfeffern da sie sonst in den darauf folgenden 40 Seiten nichts mehr haben werden um sich gegen die Blagen mit ihren Red Bull Dosen aus der ersten Reihe zu wehren.
Denn war das Ende meist kurz und schmerzlos scheint Brown hier auf biegen und (er)brechen die 500 Seiten voll machen zu wollen. Mit belanglosen Details die für die Geschichte keine Relevanz mehr besitzen langweilt er den Leser, mit mehr als 6! durchgehenden Seiten in einem Kapitel, und droht bei Erwähnung des sagenumwobenen Bibelcodes (noch mal) dem Leser Langdons viertes Abenteuer an.

Generell scheint mir das Buch vom bösen Wort “Zeilenhonorar” beseelt zu sein. Viel leere Luft wird zwischen den Seiten verstaut und steht dann mal was dann sind´s die ewig selben Dialoge von vor 200 Seiten. Ab und an schien es mir so als ob ich die Werbepause vom allwöchentlichen Sat1 Film Film verpennt habe da mir manchmal Ereignisse am Kapitelanfang noch mal vorgekaut wurden als ob ich nicht wüsste was ich vor 4 Seiten gelesen habe.
Das war etwas was ich wirklich schade fand. Nicht nur den Roman um gut 200 Seiten künstlich zu strecken sondern unter dem Niveau der Leserschaft zu schreiben.
Die Leute sind nicht so dumm für was man sie immer verkaufen will aber kann man dafür wirklich Dan Brown alleine die Schuld geben?

So ein Buch wie Das verlorene Symbol ist bereits als Unterhaltungsroman konzipiert. FastFood für den Kopf, schnell lesen, Spaß haben aber auch flott wieder vergessen. So lange niemand zu Dan Brown hingehen und sagen wird, “du, nimm dieses Kapitel raus, kürz da ein bisschen und versuche aus Robert Langdon endlich wieder einen Charakter zu machen der sich selbst die Senkel binden kann”, wird sich wohl auch nichts ändern.
Ich würde lügen würde ich behaupten das mich das Buch nicht zumindest ein wenig unterhalten hätte. Vielleicht nicht immer auf die Art wie vom Schreiberling gedacht aber dennoch. Und wenn es Brown schafft eine Millionenschaft von Lesern zu unterhalten, warum nicht?
Man darf auch nie vergessen das solche Bücher ja auch den Verlagen zu Gute kommen die das Geld vielleicht in neue Talente stecken und schon mal eher die Kohle für ein Debüt locker machen.

Ich will nicht behaupten das man solche Romane nun auf Grund ihres Inhalts nicht ernst nehmen soll, aber ein eher augenzwinkernder Umgang mit ihnen sollte schon erlaubt sein. Auch eingefleischte Fans und Thriller Junkis wissen meist das es sich hier nicht um große Literatur handelt und solche Horror Gagen wie sie Brown bezieht auch nicht immer für die Leistung gezahlt werden sondern mehr mit dem hochtreiben der Lizenzrechte zu tun haben.

Kurz und Knapp
Wer über den literarischen Totalschaden hinweg sieht, Illuminati mochte und es hinbekommt nicht zu viel zu denken dürfte hier gut aufgehoben sein.
Wer jedoch ein zweites Sakrileg erwartet wird bitter enttäuscht werden.
Ich persönlich würde mich über einen neuen High Tech Thriller von Brown sehr freuen wobei ich den nächsten Langdon wohl auslassen werde.
Wieso, wird man nun fragen, gibt es von mir, trotz einiger Wohlwolligkeiten, nur einen einzigen Stern für das Buch?
Dan Brown hatte Zeit genug sich weiter zu entwickeln was er aber leider nicht getan hat. Im Gegenteil. Sein aktuelles Buch ist auf dem Stand von vor 5 Jahren, null Innovation und null Einfallsreichtum, und da trag ich ihm die miesen Charaktere noch nicht mal nach.

Nun wird man sich auch fragen “warum lese ich dann so ein Buch das mir höchst wahrscheinlich gar nicht gefallen wird und das, am Ende, doch nur einen Verriss ernten wird?”
Ganz einfach:

a) es war ein Schnäppchen für 12,99€ und
b) ich hab´s gelesen damit sie es nicht mehr lesen müssen.

Also in dem Sinne
Don´t try this at Home
Dr.Who
 

von Anzeige » 29.09.2009, 19:35

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Re: Brown, Dan - Das verlorene Symbol

Beitragvon Monika » 29.09.2009, 20:27

Dr.Who hat geschrieben:Wer [...] es hinbekommt nicht zu viel zu denken dürfte hier gut aufgehoben sein.

:mrgreen: :mrgreen: :mrgreen: Gut, dass Du nicht im BT bist, da wärst Du für so einen Satz schon gevierteilt worden. Alle, die Dan Brown toll finden, wären empört gewesen.

Dr.Who hat geschrieben:Nun wird man sich auch fragen “warum lese ich dann so ein Buch das mir höchst wahrscheinlich gar nicht gefallen wird und das, am Ende, doch nur einen Verriss ernten wird?”
Ganz einfach:b) ich hab´s gelesen damit sie es nicht mehr lesen müssen.

Also in dem Sinne
Don´t try this at Home

Du Guter Du! :engel:

Danke für Deine prompte Rezi, die mich sehr amüsiert hat. Besonders schön finde ich die anschauliche Art, mit der Du uns das "von Höhepunkt zu Höhepunkt zu eilen" vor Augen führst. :lol: Da ich das dumpfe Gefühl habe, die Rezi ist besser als das Buch, werde ich das tun, was ich auch ohne Rezi getan hätte: Ich werde das Buch nicht kaufen. :wink:
Gruß Monika


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Beitragvon Dr.Who » 29.09.2009, 20:36

@Monika
Danke für das Lob (Tucholsky, ich komm dir ein Stück näher)

Ja, bin ja stark am zweifeln diese Rezi nicht doch Krümel exklusiv zu lassen, denn ausserhalb dieses Forums hier müsste ich wohl zu viele Fragen beantworten :mrgreen:
Dr.Who
 

Beitragvon Pippilotta » 29.09.2009, 21:41

Danke für Deine Rezi, Dr. Who. Ich versuchte nur mit "Illuminati" mein Glück, doch es währte gerade 150 Seiten, dann hab ich es in die Ecke gepfeffert. Deshalb käme ich auch bei diesem Dan Brown nicht in Versuchung ... aber amüsiert habe ich mich schon bei Deiner Rezi und was Du damit im BT anrichten würdest, daran mag ich gar nicht denken ..... :mrgreen:
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon Krümel » 30.09.2009, 10:11

Ich kann die Rezi ins Blog stellen Doc, kein Problem :lol:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Re: Brown, Dan - Das verlorene Symbol

Beitragvon Nerolaan » 30.09.2009, 12:39

Dr.Who hat geschrieben:Also in dem Sinne
Don´t try this at Home


Genau aus dem Grund werde ich nicht nur meine Hände von diesem Buch lasse; Dr.Who möchte mir ja "Illuminati" schmackhaft machen, aber ich denke: I don´t try this at home :mrgreen:
Dan Brown scheint einfach nicht meine Welt zu sein...
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Beitragvon chip » 30.09.2009, 14:03

Ich werde wohl auch nicht den teuren Einfuhrpreis bezahlen. Vielleicht im nächsten Jahr die preiswertere TB-Ausgabe.
Danke für die unterhaltsame Rezi, Doc. Ich erwarte von Brown nichts geistig-förderndes. Fast-food mit Geschmacksverstärker ohne satt zu machen und Blähungen verursacht. Nicht gesund, aber bei Heißhunger-Anfällen gerne angenommen.
chip
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Re: Brown, Dan - Das verlorene Symbol

Beitragvon Dr.Who » 30.09.2009, 17:57

Nerolaan hat geschrieben:
Dr.Who hat geschrieben:Also in dem Sinne
Don´t try this at Home


Genau aus dem Grund werde ich nicht nur meine Hände von diesem Buch lasse; Dr.Who möchte mir ja "Illuminati" schmackhaft machen, aber ich denke: I don´t try this at home :mrgreen:
Dan Brown scheint einfach nicht meine Welt zu sein...


Meine Liebste, das würd ich nie versuchen :wink:

Ich muss sagen das ich, bei aller Tollerei und dem Jux, doch versucht habe dem Buch gegenüber fair zu bleiben.
Ich glaube das es langweilig gewesen wäre es einfach nur zu verreissen, das tun schon genug (amerikanische) Leser, so das der Doc nicht auch noch hinterherhecheln muss.
Dr.Who
 



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