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Eco, Umberto - Die Geschichte der Häßlichkeit

16.03.2010, 15:11

„Fragt eine Kröte, was Schönheit ist, das wahrhaft Schöne, das to kalón. Dann wird sie antworten, das sei das Weibchen mit den schönen runden Augen, die aus dem kleinen Kopf hervorstehen, dem breiten, platten Maul, dem gelben Bauch und dem braunen Rücken. … Fragt den Teufel: Er wird euch sagen, das Schöne sind zwei Hörner, vier Pfoten mit Krallen und ein Schwanz.“ (Voltaire)

Was ist schön und was empfinden wir als hässlich? Ist Hässlichkeit einfach nur die Umkehrung der Schönheit oder lediglich deren Abwesenheit? In seinem Buch widmet Eco sich diesen Fragen. Dabei thematisiert er unter anderem das Hässliche in der Antike, Apokalypse, Tod, Hölle und Teufel, die hässliche Frau, Hexerei und Satanismus, die Hässlichkeit der Industrie, Dekadenz und Kitsch.

Anders als für die Schönheit gibt es für die das Hässliche keine klare Definition oder Regel. Auch Eco definiert sie nicht, er betrachtet sie aus kulturgeschichtlicher Sicht und zeigt dem Leser und Betrachter die unterschiedlichen Sichtweisen in den einzelnen Epochen. Denn eines ist die Hässlichkeit auf jeden Fall, sie ist in Abhängigkeit zu ihrer Zeit zu sehen. Um dies zu belegen, bedient sich der Autor einer Vielzahl von Zitaten von Zeitzeugen und Dokumenten. Er bezieht sich immer wieder auf die „Ästhetik des Häßlichen“ von Karl Rosenkranz, vergleicht und diskutiert dessen Thesen. Besonders wird dieses Buch jedoch erst durch die Auswahl des Bildmaterials. Deshalb ist „Die Geschichte der Häßlichkeit“ neben seinen interessanten Texten auch (oder vor allem) ein sehr schöner Bildband, der eindrucksvoll die Fülle an Hässlichem, Ordinärem, Missgestaltetem und Unförmigem wiedergibt, aber trotzdem kein Gruselkabinett ist und nur durch eine aufwändigere Gestaltung, wie z. B. aufklappbare Seiten für große Abbildungen, aufgewertet werden könnte. Aber auch so ist das Äußere von Eco’s Werk alles andere als hässlich. Es ist ein Schmuckstück in dem gutes Papier auf Fadenheftung trifft.

Ich habe dieses Buch am Stück gelesen. Nicht als Zweitbuch oder häppchenweise. Es war eine hervorragende und lehrreiche Lektüre. Nun wandert es zurück ins Regal, aber ich bin mir sicher, es noch häufig in die Hand zu nehmen, um einzelne Abschnitte erneut auf mich wirken zu lassen und zu vertiefen.

„Die Geschichte der Häßlichkeit“ ist trotz des nicht unerheblichen Preises jeden Cent wert. Es ist ein Buch zum Lesen, zum Genießen, zum Vor- und zum Zurückblättern, zum Nachdenken, zum längeren Betrachten und Verweilen bei einzelnen Seiten. Es ist ein Buch, das man ein Leben lang hat, um immer wieder reinzuschauen, um Neues zu entdecken und Bekanntes aufzufrischen. Bereits 3 Jahre vor diesem Band erschien „Die Geschichte der Schönheit“, ich freue mich jetzt schon darauf, es zu lesen.

Über den Autor (Quelle: Amazon.de)

Umberto Eco wurde 1932 in Alessandria geboren und lebt heute in Mailand. Er studierte Pädagogik und Philosophie und promovierte 1954 an der Universität Turin. Anschließend arbeitete er beim Italienischen Fernsehen und war als freier Dozent für Ästhetik und visuelle Kommunikation in Turin, Mailand und Florenz tätig. Seit 1971 unterrichtet er Semiotik in Bologna. Eco erhielt neben zahlreichen Auszeichnungen den Premio Strega (1981) und wurde 1988 zum Ehrendoktor der Pariser Sorbonne ernannt.

Er verfasste zahlreiche Schriften zur Theorie und Praxis der Zeichen, der Literatur, der Kunst und nicht zuletzt der Ästhetik des Mittelalters. Seine Romane ‘Der Name der Rose’ und ‘Das Foucaultsche Pendel’ sind Welterfolge geworden.

Gebundene Ausgabe: 456 Seiten * Hanser Belletristik * ISBN-13: 978-3446209398

Bild

16.03.2010, 15:11

Re: Eco, Umberto - Die Geschichte der Häßlichkeit

16.03.2010, 16:32

Ich stimme "eigentlich" Karthause absolut zu, ABER ich denke, es bleibt kaum etwas hängen, da man mit Informationen einfach nur zugeschüttet wird. Und um so länger ich über dieses Buch nachdenke, um so schlechter schneidet es ab, da es einfach keinen Leitfaden hat, nur geballtes Wissen, was aber nirgendwo andockt. Nö, ich denke, für mich war das der letzte Versuch mit Eco ...

Re: Eco, Umberto - Die Geschichte der Häßlichkeit

16.03.2010, 16:53

Genau das, was du kritisierst, ist für mich das große Plus dieses Buches. Ich habe geballtes Wissen zusammengefasst. Die Eckpunkte habe ich (hoffentlich) gespeichert und nun weiß ich, wo ich nachschlagen kann, um dann vielleicht auf eigene Faust ein Thema weiter zu verfolgen. Für mich ist das ein Eco-Auftakt. :wink:

Re: Eco, Umberto - Die Geschichte der Häßlichkeit

16.03.2010, 17:17

Karthause hat geschrieben: Für mich ist das ein Eco-Auftakt. :wink:


oder der "ECO-EFFEKT" :mrgreen: .

Danke für deine Rezension. Mich interessiert das schon; ist ja ein Ausflug in die Kulturgeschichte. Das Eco sehr viel weiß, beweist sein mehr-als-nur-ein Krimi-Roman "Der Name der Rose". :D

Liebe Grüße
mombour

Re: Eco, Umberto - Die Geschichte der Häßlichkeit

16.03.2010, 18:44

@mombour
Seit längerem habe ich Eco auf meiner Leseliste. Irgendwie kam es nur nie dazu. Nun wird das Bedürfnis aber stärker. :wink:

Re: Eco, Umberto - Die Geschichte der Häßlichkeit

17.03.2010, 08:39

Auch von mir ein Dankeschön für deine Rezension, Karthause.
mombour hat geschrieben:Das Eco sehr viel weiß, beweist sein mehr-als-nur-ein Krimi-Roman "Der Name der Rose". :D

"Der Name der Rose" bekommt von mir auch eine Empfehlung. Da steckt wirklich viel, viel mehr drin als "nur" Krimi. Ich sollte mal an ein re-read denken.

Re: Eco, Umberto - Die Geschichte der Häßlichkeit

17.03.2010, 12:24

Ich kann euch auch nur bestärken, "Der Name der Rose" zu lesen! Ich "musste" es für den Lesekreis lesen und hatte größte Bedenken! Mit dem Historischen hab ichs ja nicht so und mit Krimis auch nicht ... aber es war ein ganz, ganz tolles Buch, ich war absolut begeistert!
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