In ihrer 1992 erschienen Autobiografie „weiter leben“ erzählt Ruth Klüger, geb. 1931 in Wien, über ihre Kindheit im antisemitischen Wien, den Verlust ihres Vaters und Bruders, die Deportation nach Theresienstadt und Auschwitz, sowie über ihre Flucht aus dem KZ kurz vor Kriegsende. 15 Jahre nach „weiter leben“ erschien 2008 mit „unterwegs verloren“, die Fortsetzung der Geschichte dieses bewegten Lebens.
Ruth Klüger emigrierte nach dem Krieg in die USA, studierte dort Bibliothekswissenschaften und Germanistik. Ihr Leben war von einem stetigen Ortswechsel gekennzeichnet, sie unterrichtete an den verschiedensten Universitäten und war bald eine erfolgreiche Literaturwissenschaftlerin. Privat musste sie Niederlagen einstecken, ihre als lieblos und kühl beschriebene Ehe wurde geschieden, sie selber bezeichnet die Scheidung von ihrem Mann und Vater ihrer beiden Söhne als „große Befreiung“. Zu ihren Söhnen hat sie von jeher ein angespanntes Verhältnis. In „unterwegs verloren“ erzählt sie vom ständigen Kampf, sich als Frau (und Jüdin) durchzusetzen, von den Schwierigkeiten, als Alleinerzieherin für den Familienunterhalt verantwortlich zu sein, von ihrer innigen Freundschaft zu Martin Walser, die nach Erscheinen dessen Buches „Tod eines Kritikers“ unheilbar zerrüttet wurde und letztendlich von der Rückkehr nach Deutschland in den 80er Jahren.
Ruth Klüger erzählt selbstkritisch, hart, schonungslos und nicht ohne Zynismus. Ihre Erfahrungen haben sie wohl dazu gebracht. Mir wurde aufgrund dieses Buches das Bild einer sehr egoistischen, mitunter trotzigen und auch misstrauischen Frau vermittelt, die - ohne Rücksicht auf Verluste – ihre eigenen Interessen durchsetzen will, ihre Kinder durch halb Amerika schleppt und sich ständig aufgrund ihres Frau-seins und Jüdin-seins diskriminiert fühlt. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt in die „Nesseln“ setze, fehlt mir ein wenig die Toleranz, ein wenig das „Aufeinander Zugehen“, das doch ein so wichtiger Bestandteil unserer Vergangenheitsbewältigung sein soll.