Lore und Harry sind nun 40 Jahre verheiratet. Während Harry bereits in Rente ist und sich mit aller Energie seinem Garten widmet und zwischendurch gerne mal ein Bier trinkt, schiebt Lore ihre Pensionierung immer vor sich her. Sie arbeitet in einer Bibliothek, organisiert Lesungen und meint, ohne ihr ginge es ohnedies nicht, sie sei unabkömmlich. Ihre ganze Liebe gilt den Büchern und sie hat für Harrys Garten nur ein müdes, mitleidiges Lächeln übrig. Sie misst den Zeitaufwand für den Garten daran, wie viele Bücher man in der Zeit lesen könnte (S. 63).
Überhaupt führt jeder der beiden ein sehr selbstständiges Leben, sie leben mehr nebeneinander als miteinander. Früher waren beide engagierte 68-er, von dieser Haltung ist nicht mehr viel übrig geblieben.
Der anstehenden Hochzeit – es ist die dritte Verehelichung - ihrer einzigen Tochter Gloria mit einem „Firmenbonzen“, der ihr Vater sein könnte, stehen die beiden sehr skeptisch gegenüber und seit langem gibt es wieder Einigkeit – nämlich Ablehnung. Sie überdenken ihre Erziehungsmethoden, suchen Fehler und fragen sich, warum Gloria so geworden ist. Auch mit ihrer 11-jährigen Enkeltochter, die sich lieber mit Gameboy und Handy beschäftigt, haben sie ihre Probleme.
In den einzelnen Kapiteln kommen abwechselnd Harry und Lore zu Wort, es folgt jeweils ein Dialog, der von schnippischen Wortgefechten genauso geprägt ist wie von tiefsinnigen Gedanken über Themen des Lebens, über Ideale, Zukunftspläne, gemeinsame Erlebnisse, verpasste Chancen.
Ich konnte mich sowohl in Lore, als auch in Harry gut hineinversetzen. Meine Leidenschaft gilt den Büchern ebenso wie dem Gärtnern. Das Buch bescherte mir sehr vergnügliche aber auch sehr nachdenkliche Lesestunden und wird gekrönt mit einem sehr rührenden - wenn auch überraschenden - Ende.