George Eliot – Middlemarch
Middlemarch stellt hier eine fiktive englische Provinzstadt dar. Dort können wir einer Handvoll Menschen während seinen Handlungen und Überlegungen über die Schulter schauen – an deren Leben teilhaben. Eliot berücksichtigt bei der Auswahl ihrer Figuren alle sozialen Schichten und Altersklassen. Der entscheidende Punkt jedoch ist für mich Eliots Verweigerung, überzeichnete Figuren auftreten zu lassen, Effekthascherei durch überzogene Handlungen zu erzielen. Das Buch hält uns das doch recht langweilige Leben vor Augen, in all seinen Facetten.
Sie führt uns die allzu menschlichen Reaktionen vor, ihre Schwächen, die typischen Denkmuster, die sich seit 200 Jahren nicht geändert haben. Sie zeigt, wie Missverständnisse und Gerüchte entstehen, wie Ängste und Stolz einschränken und wie Übermut von Mitmenschen aufgefasst wird. Eliot hat die Gesellschaftsstudie schlechthin vorgelegt. Immer wieder werden Überlegungen und Entscheidungen ihrer Figuren durch moralische Definitionen der Autorin ergänzt, die Aphorismen gleichkommen. Sie erklärt uns, wieso der Mensch eben so handelt, wieso das Nahliegende nicht immer das Rechte ist.
Mehrere Handlungsstränge laufen nebeneinander her, verknüpfen sich später unscheinbar gegen Ende des Buches, wo es nicht an Dramatik fehlen wird. Missglückte Eheschließungen, ehrgeizige Wissenschaftler, engagierte Politiker, gutherzige Landwirte … alle sind sie hier vertreten, zusätzlich von Außenstehenden begutachtet und kommentiert. Ein gelungenes Panorama einer vergangenen Epoche, ein historisches Abbild ihrer Zeit.
Gruß,
chip