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Capus, Alex - Eine Frage der Zeit




Capus, Alex - Eine Frage der Zeit

Beitragvon Karthause » 16.11.2007, 21:44

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Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Knaus
ISBN-13: 978-3813502725
19,95 EUR


Kurzbeschreibung www.amazon.de
Drei norddeutsche Werftarbeiter werden 1913 von Kaiser Wilhelm II. beauftragt, ein Dampfschiff in seine Einzelteile zu zerlegen und am Tanganikasee südlich des Kilimandscharo wieder zusammenzusetzen. Der Monarch will damit seine imperialen Ansprüche unterstreichen. Die drei Männer fahren nach Deutsch-Ostafrika mit der Aussicht auf guten Verdienst, lassen sich bezaubern von der exotischen Kulisse und der schönen Gouverneurin, geraten aber rasch in das gewalttätige Räderwerk des Kolonialismus, aus dem es kein Entrinnen gibt. Zur gleichen Zeit beauftragt Winston Churchill den exzentrischen, aber liebenswerten Oberleutnant Spicer Simson, zwei Kanonenboote über Land durch halb Afrika an den Tanganikasee zu schleppen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, liegen sich Deutsche und Briten an seinen Ufern gegenüber. Keiner will, aber jeder muss Krieg führen vor der pittoresken Kulisse des tropischen Sees. Alle sind sie Gefangene der Zeit, in der sie leben, und jeder hat seine eigene Art, damit fertig zu werden. »Über die Jahre habe ich festgestellt, dass meine Helden allesamt gewöhnliche Menschen sind, die ungewöhnliche Dinge tun. Was mich beschäftigt ist immer der Mensch, der sein Leben in Würde zu leben versucht.« Alex Capus


Eine Frage der Zeit" von Alex Capus ist mein aktuelles Buch, etwa 2/3 habe ich gelesen. In einem anderen Thread habe ich gelesen, dass Wirbelwind und wolves schon auf meine Meinung gespannt sind.

Mir gefällt das Buch ausgesprochen gut. Alex Capus kann wunderbar beschreiben. Er schildert die Weiten Afrikas genauso eindrucksvoll wie das Verhalten des Werftbesitzers bei der Schiffstaufe. Als die 3 Protagonisten in Daressalam eintrafen und er deren erste Eindrücke beschrieb, hatte ich sehr genaue Vorstellungen von der neuen Umgebung der Deutschen. Es ist schon eine ganz andere Welt, als die drei Arbeiter von Deutschland kannten.

Mit gefällt, dass er sich wirklich sehr eng an die historische Vorlage hält. Eigentlich ist sein Buch ge-(be-)schriebene Geschichte. Wieder einmal muss ich sagen, so hätte ich mir meinen Geschichtsunterricht vorstellen können. Trotzdem ist es ein Roman, in dem natürlich auch fiktive Personen dargestellt werden. Ich hätte mir ein Personenverzeichnis gewünscht, bei dem die historisch verbürgten Personen gekennzeichnet sind. Dafür gibt es aber zwei Karten, die auch recht nützlich sind.

Interessant finde ich auch, das Capus so auf politökonomische Einzelheiten eingeht. Der Arbeiter Hermann Wendt war in Deutschland in einem Arbeiterkulturverein engagiert, Marx und Engels wurden dort gelesen und so einige marxistische Gedanken finden sich in diesem Buch wieder. Und Capus weiß ganz genau wovon er schreibt.

Angenehm empfinde ich auch, dass die Anzahl der handelnden Personen nicht so groß ist. Alles bleibt leicht überschaubar. Dafür hat jeder seine eigene Personlichkeit, hat Stärken und Schwächen und auch Männer durfen sich ihren Gefühlen hingeben, dürfen zweifeln, schwach und mal naiv sein.

Einzig mit der Geschichte um die Spicers habe ich ein wenig ein Problem. In sie hat der Autor mir ein bisschen viel hineingelegt. Sie ist die treusorgende Ehefrau, die ohne großes Murren ihrem Mann nach Afrika folgt, dort isoliert lebt, weil er die gesellschaftlichen Kontakte vermasselte. Sie bricht mit ihm Hals über Kopf ihre Zelte in Afrika ab, um nach London zurückzukehren. Dort trifft er auf die Suffragetten und ... seine Gattin engagiert sich auch umgehend dort. Beruflich hatte auch kein glückliches Händchen, er wird sozusagen ins Büro versetzt, um dort keinen Schaden anrichten zu können, denn ein Schiff der Marine hat er schon versenkt. Aber Zum Glück kommt ja der Admiral just in dieses Zimmer und will Spicers Kollegen für einen Sonderauftrag gewinnen. Dieser will nicht, aber Spicer ist zur Stelle. Aber wie gesagt, das ist das Einzige, was mir recht konstruiert erscheint.

Ich habe auf der Homepage von Alex Capus etwas gestöbert und noch eine interessante Zeittafel als Special zum Buch gefunden.
Viele Grüße
Karthause

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von Anzeige » 16.11.2007, 21:44

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Beitragvon wolves » 17.11.2007, 15:10

Da ja bald Weihnachten ist, habe ich dank deiner Rezi @Karthause ein Buch für meinen Wunschzettel gefunden. :D
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon Wirbelwind » 18.11.2007, 23:17

Hallo Karthause,
wie du schon richtig bemerktest ich fiebere deinem Kommentar entgegen.
Nun Spicers Lebensgeschichte ist in der Tat ein wenig dick aufgetragen, aber das stört mich nicht so sehr. Ich bin mehr über das Suffragettendasein seiner Frau gestolpert. Das nehm ich diesem ansonsten eher unbedarften Weibchen nicht so recht ab. Da dies aber nur am Rande geschieht, habe ich mich nicht daran festgehalten.
Was mich ebenfalls zum Grübeln brachte, war das beschämende Verhalten seitens des Militärs gegenüber dem Masai.
Was dem Buch eindeutig fehlt ist eine Personenauflistung, ein Aufzeigen des Recherchenmaterials sowie ein Nachwort des Autoren. Er verweist lediglich auf seine homepage.
Für alle, die sich intensiver mit dem Thema beschäftigen möchten, kann ich dieses Buch empfehlen:
Gisela Graichen/Horst Gründer
Deutsche Kolonien - Traum und Trauma

Hier gibt es u.a. ein Kapitel über Deutsche Dampfschiffe auf Afrikas Seen, in dem auch die "Goetzen" ausführlich behandelt wird.
Ein sehr interessantes, reich bebildertes Werk.

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Liebe Grüsse
Wirbelwind

ich lese gerade:
Rafik Schami, Die dunkle Seite der Liebe
Ein Buch ist ein Sprengsatz, um die Phantasie freizusetzen. (Alan Bennett in "Die souveräne Leserin")
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Beitragvon Karthause » 19.11.2007, 12:07

Wie die Massai behandelt werden, ist einfach nur schlimm. Dabei kann ich unseren 3 Papenburgern noch verzeihen, dass sie die Massai ausnutzten, um ihr Leben angenehmer zu gestalten, aber die Auspeitschszene war schrecklich.

Die Spicer Simsons haben mich auch nicht wirklich gestört. Sie verschwand ja dann auch. Erstaunt war ich über ihn, beim Transport der Schiffe quer durch Afrika war er, den ich ja eigentlich als Aufschneider bezeichnet hätte, sehr souverän und überlegt.

Das Ende kam mir etwas unvermittelt. Ich hatte erwartet, das sich der Kreis zum Beginn des Buches schließt. Aber das Wunschdenken des Lesers geht mit dem Buch des Autors nicht immer konform. Auch so hatte dieser Roman ein passendes Ende.

Inzwischen bin ich fertig mit dem Buch. Es hat mir sehr gut gefallen. Vom Stil her war es klasse, dokumentierte Geschichte nahe an der Realität, aber sehr unterhaltsam geschrieben.
Viele Grüße
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Beitragvon Karthause » 27.11.2007, 19:35

Jetzt möchte ich auch meine abschließende Meinung hier kundtun:

Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Knaus
ISBN-13: 978-3813502725

"Über die Jahre habe ich festgestellt, dass meine Helden gewöhnliche Menschen sind, die ungewöhnliche Dinge tun.
Was mich beschäftigt, ist immer der Mensch, der sein Leben in Würde zu leben versucht." Alex Capus


Anton Rüter, Hermann Wendt und Rudolf Tellmann sind Arbeiter auf der Papenburger Meyer Werft. Ihr Auftrag ist es, das eben erst fertig gestellte Kanonenboot „Götzen“ wieder zu zerlegen und nach Deutsch-Ostafrika auf den Tanganjikasee zu bringen. Alle drei sind keine Abenteurer, sie erfüllen nur ihre Pflicht. Der Transport des Schiffes wird schnell abgehandelt. Ausführlich berichtet Capus dann wieder über den Aufbau des Schiffes und die Schwierigkeiten und Probleme, die sich daraus ergeben. Recht schnell können sich die Papenburger in der neuen und unbekannten Umgebung arrangieren und leben sich den Umständen entsprechen gut ein. Sie machen das Beste aus ihrer Situation. Doch dann beginnt der 1. Weltkrieg.

In einer parallelen Handlung lernt der Leser den Briten Geoffrey Spicer Simson kennen. Er ist in Afrika vom britischen Militär aufs Abstellgleis geschoben worden, wird aber nach Ausbruch des Krieges nach London zurück beordert. Er ist ein Sonderling, dem Größenwahn nicht fern ist. Der Zufall will es, dass er einen ähnlichen Auftrag wie die deutschen Werfarbeiter erhält. Er soll zwei Boote via Kapstadt an den Tanganjikasee befördern, um den Deutschen an diesem Kriegsschauplatz Paroli bieten zu können. Diese Aufgabe meistert er unerwartet souverän und bedacht. Er zeigt überraschend Führungsstärke.

Alex Capus ist ein hervorragender Beschreiber, er wertet nicht, er erzählt und das auf eine ganz besondere Art und Weise. Afrika und das Leben und Überleben auf diesem Kontinent schildert er sehr realistisch und bildhaft, dabei baut er gekonnt Situationskomik ein. Auch die Charaktere passen gut in ihre Zeit. Capus schuf lebendige Persönlichkeiten mit Eigenheiten, Stärken und Schwächen. Dabei geht aus dem Roman nicht eindeutig hervor, welche Personen wirklich lebten und welche der Fantasie des Autors entsprangen. Ein Personenverzeichnis mit entsprechenden Hinweisen, würde dieses Buch gut ergänzen. Alex Capus betreibt keine Schönfärberei und zeigt auch Probleme auf, die die Oberen mit den Einheimischen hatten und die sie auf die „altbewährte“ koloniale Weise lösten. Er bleibt mit seinem Buch eng an der historische Vorlage. Dank seiner ausgezeichneten Recherchearbeit ist ihm ein sehr authentischer Roman gelungen. Die Kapitelüberschriften waren ein Highlight für sich.

„Eine Frage der Zeit“ ist ein ruhiges Buch, das zwar den Krieg thematisiert, aber gut ohne große Gräueltaten und übermäßiges Blutvergießen auskommt. Dieser Roman ließ mich nachdenklich werden und auch schmunzeln. Wer Bücher mag, die lebensnah geschrieben sind, wird dieses Buch lieben. Es war einer der besten Romane, die ich in diesem Jahr las, für mich ein echtes Leseerlebnis.

Die „Götzen“ fährt heute noch unter dem Namen MS Liemba auf dem Tanganjikasee.
Viele Grüße
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Beitragvon dubh » 06.02.2008, 19:52

Alex Capus, Eine Frage der Zeit
(Knaus Verlag, August 2007)
ISBN 978-3-8135-0272-5
304 Seiten; € 19.95 (HC)



Zum Autor (Klappentext):
Alex Capus, geboren 1961 in Frankreich, lebt als freier Schriftsteller in der Schweiz. Seine Bücher werden von der Kritik hoch gelobt und sind in über zehn Sprachen übersetzt worden. [...]
"Alex Capus ist ein wunderbarer Erzähler, für den die Welt lesbar ist." Süddeutsche Zeitung

Zum Inhalt (von der Verlagsseite):
Drei norddeutsche Werftarbeiter werden 1913 von Kaiser Wilhelm II. beauftragt, ein Dampfschiff in seine Einzelteile zu zerlegen und am Tanganikasee südlich des Kilimandscharo wieder zusammenzusetzen. Der Monarch will damit seine imperialen Ansprüche unterstreichen. Die drei Männer fahren nach Deutsch-Ostafrika mit der Aussicht auf guten Verdienst, lassen sich bezaubern von der exotischen Kulisse und der schönen Gouverneurin, geraten aber rasch in das gewalttätige Räderwerk des Kolonialismus, aus dem es kein Entrinnen gibt.

Zur gleichen Zeit beauftragt Winston Churchill den exzentrischen, aber liebenswerten Oberleutnant Spicer Simson, zwei Kanonenboote über Land durch halb Afrika an den Tanganikasee zu schleppen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, liegen sich Deutsche und Briten an seinen Ufern gegenüber. Keiner will, aber jeder muss Krieg führen vor der pittoresken Kulisse des tropischen Sees. Alle sind sie Gefangene der Zeit, in der sie leben, und jeder hat seine eigene Art, damit fertig zu werden.


Meine Meinung:
Capus´ neuestes Buch ist in gewisser Weise ein Tatsachenroman, denn er erzählt die Geschichte des Dampfers Götzen, der 1913 in Papenburg im Emsland fertiggestellt wurde, anschließend wieder zerlegt und in 5000 Kisten verpackt nach Deutsch-Ostafrika verschifft wurde, um dort die Vormachtstellung der Deutschen innerhalb der Kolonialmächte auszubauen.
Nun erzählt Capus aber nicht sachbuchhaft von diesem Schiff und seinem Werdegang, sondern er schildert die zeitlichen Umstände kurz vor und während des I. Weltkrieges und vor allem auch die Menschen, die durch des Kaisers Befehl am Tanganjikasee landen.
Die drei Papenburger Werftarbeiter, die für den Aufbau in der deutschen Kolonie verantwortlich sind, werden sehr humorvoll, aber auch realistisch beschrieben: es sind ganz normale Menschen, denen die Aussicht auf eine deutlich prallere Lohntüte und die Leidenschaft für dieses Schiff einem damals sehr ungewöhnlichen Auftrag zustimmen lässt.
Erst einmal in Dar es Salaam angekommen, werden sie von der absurden Situation der deutschen Kolonialherren sehr überrascht und da sie durch ihre dort wichtige Funktion zu den angeseheneren Personen Zugang haben, sind sie teilweise auch sehr über deren Umgang entsetzt - beispielsweise schockieren sie sich als "klassische" Arbeiter mit Hang zu Marx und Engels anfangs sehr über die allseits gegenwärtige Dienerschar, die sich um Schuhe putzen und Bier holen kümmert.

Doch noch viel absurder wird ihre Situation dann nach Ausbruch des I. Weltkrieges: plötzlich werden sie in völlig sinnlose Kriegsspielchen verwickelt - denn was soll sich denn am Tanganjikasee so entscheidendes für den europäischen Krieg abspielen?
Und so schildert Capus ihren Versuch unter dieser Zwangssituation zu leben und später auch zu überleben, ebenso wie das Verhalten der gegnerischen Seite, die ein selbstverliebter Offizier anführt, der aber selbst auch rasch erkennt, wie unsinnig seine Situation ist...

Spannend ist die Geschichte schon allein wegen des menschlichen Verhaltens: wie kann man in solchen Zeiten agieren? Muss man eigene Überzeugungen über Bord werfen - aufgrund von Befehlen, die völlig sinnentleert sind?
Falsch wäre es, wenn Capus dem/der LeserIn hier mit dem erhobenen Zeigefinger kommen würde - was er auch niemals tut -, nein, er beobachtet und beschreibt ein paar der wichtigsten Fragen für den Menschen, indem er verschiedene Personen "begleitet".

Und das ist es letztendlich auch, was mir ausgezeichnet gefallen hat - hinzu kommt Capus´ Schreibstil und seine feine Art des Humors, ebenso wie der perfekt gewählte Rahmen der Geschichte: die Kolonialzeit und der schwarze Kontinent.

Fazit: Ein kluges Buch, das mich zum Lachen und zum Nachdenken gebracht hat; kurzum an das ich noch lange denken werde.

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

Liebe Grüße
dubh

PS. Wen ein kleines Bonbon interessiert: GEO-Artikel zur heutigen "Liemba" (die damalige "Graf Götzen") mit Bildstrecke
dubh
 

Beitragvon wolves » 07.02.2008, 09:25

@dubh: Danke für das "Bonbon" :D Das dieses Buch sich schon seit längerer Zeit auf meiner Wunschliste befindet, brauch ich wohl nicht mehr zu schreiben :wink:
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon Pippilotta » 24.03.2008, 20:39

Nie im Leben hätte ich zu diesem Buch gegriffen - hätte ich es nicht zu Weihnachten von einer lieben Freundin geschenkt bekommen :wink1: , wäre das Cover nicht so schön und Eure Rezensionen nicht so verlockend ....

Historische Romane sind nicht mein Ding - doch dieses Buch ist ein historischer Roman der besonderen Art. Erstens, weil er völlig ohne (kitschige) Liebesgeschichte auskommt, zweitens weil er eine Zeit beschreibt, über die man nur selten in Büchern liest und drittens weil er sich recht nahe an die historischen Tatsachen hält.

Zudem ist dieses Buch exzellent geschrieben. Die tropische Hitze, die Belagerung der Insekten kann man förmlich spüren, die Landschaft ist wunderbar beschrieben und auch der Humor kommt nicht zu kurz. Mit viel Witz wird das Auftreten der "Kolonialherren" ins Lächerliche gezogen, ebenso nachdenklich wie humorig werden die völlig sinnlosen "Kriegsspielereien" rum die Vorherrschaft um den Tanganjikasee beschrieben. Die Charaktere der Protagonisten sind ausgefeilt, detailliert und äußerst nachvollziehbar und ohne erhobenen Zeigefinger überlässt es der Autor dem Leser, die Verhaltensweisen und Motivationen zu beurteilen.

Ein Buch, das man regelrecht verschlingt, von mir eine klare Empfehlung!

:stern: :stern: :stern: :stern:
Herzliche Grüße
Pippilotta


T.C. Boyle - Wenn das Schlachten vorbei ist

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Beitragvon Krümel » 28.03.2008, 13:30

Ein gut recherchierter historischer Abenteuerroman vor dem Hintergrund des I. Weltkriegs.

Ein hochgelobter Roman, der auch im Krümel viel Applaus erhielt, und so auf meinem SuB (Stapel ungelesener Bücher) gelandet war.
Doch ich muss sagen, dass mich die ersten 100 Seiten enttäuschten. Das lag zunächst einmal am Thema, denn der Schiffsbau interessiert mich überhaupt nicht, dann an der Figur Rüter, die ich zu steril fand, und an einigen plumpen Pseudoweisheiten.
Die Sprache des Autors war angenehm, rund und las sich sehr gut.
Erst als die Figur Spicer richtig in den Mittelpunkt der Handlung gezogen wurde, konnte mich der Roman erreichen. Denn mit dieser Persönlichkeit kam auch der Humor hinzu.
Capus hat mit diesen zwei Protagonisten richtig skurrile Erscheinungen geschaffen, die sich einander gut ergänzen, aber unterschiedlicher nicht sein könnten.

Der Roman handelt von den europäischen Kolonien am Tanganikasee in Ostafrika vor und während des I. Weltkriegs. Jene Kolonie, die dort das größte Dampfschiff besitzt, wird den See beherrschen können. Und so startet von Papenburg eine Expedition, die die “Götzen” in Einzelteile nach Afrika schafft, und wenige Monate später versucht ein britischer Offizier zwei Schiffe über den Landweg zum Tanganikasee zu transportieren. So beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.

Fernab vom Weltgeschehen spielen diese Männer dann mitten in Afrika Krieg! Dadurch erscheinen ihre Handlungen widerwitzig, paradox und sinnlos, allerdings im vollen Ernst und Arbeitseifer. Dies ist eine Herangehensweise des Autors, die scheinbar wertfrei, aber bis ins Letzte die Lächerlichkeit des Krieges aufdeckt. Und diese Ironie hat mir sehr zugesagt.

Insgesamt ein gutes Buch, das auch ich weiterempfehlen kann.

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon Krümel » 30.03.2008, 14:32

Krümel hat geschrieben:, und an einigen plumpen Pseudoweisheiten.


Das sind dann wohl so Laien-Ausdrucksformen. Jetzt im Literaturclub fand ich eine viel besser Formulierung: >> Leere literarische Floskeln, die in jedem Kalenderblatt zu finden sind. <<
Das ist dann die Fachsprache, oder? Ich hoffe immer, dass ich mir so etwas merke :mrgreen:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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