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Meek, James - Die einsamen Schrecken der Liebe




Meek, James - Die einsamen Schrecken der Liebe

Beitragvon Dr.Who » 17.08.2008, 10:26

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Ein Fremder hockt mitten in Sibirien an einem Fluss und wird Zeuge eines grausigen Unfalls. Eine Dampflok schiebt sich auf den winterlichen Geleisen entlang, fährt über eine hohe Brücke. Plötzlich öffnet sich der letzte Wagon und Pferde springen in Panik heraus. Eines davon überlebt, die anderen kommen unter die Räder des Zuges oder stürzen über das Geländer der Brücke in den sicheren Tod.
Eines dieser Pferde, das den Tod unter der Brücke fand, hat auch den Betreuer mit in die Tiefe gerissen dessen Leiche nun in gerade jenem Flussbett schwimmt an dem der Fremde hockt.
Der verwahrloste Fremde, Samarin sein Name, geht zu den Toten und beäugt sich die Leichen. Dem Mann schneidet er eine Hand ab und vergräbt sie. Einem der Pferde schneidet er, als Wegzehrung, ein noch warmes Stück Fleisch aus dem Fuß.
Nach beschwerlichem Aufstieg auf der Brücke angekommen trifft er auf einen Einheimischen (Balaschow) der aus dem nahe gelegenen Dorf Jasyk stammt und auf dem Weg dorthin ist. Beide beschließen ein Stück weit miteinender zu gehen um sich die Einsamkeit zu vertreiben.

Jasyk scheint ein seltsames Dorf zu sein. Obwohl wir bereits das Jahr 1919 schreiben befindet es sich dennoch im Würgegriff der Tschechischen Armee. Gerade jene ist es dann auch die Samarin nach seiner Ankunft auch sofort hinter Gitter setzt, zumindest so lange bis seine Zugehörigkeit geklärt ist.
Oberkommandant des kleinen Haufens Soldaten ist Matula der hinter vorgehaltener Hand beschuldigt wird die Rückzugsbefehle zu unterschlagen um so seine Macht in dem Dorf nicht zu gefährden. Hier ist er das Gesetz und befiehlt über Land und Einwohner, während er Zuhause nur ein kleiner Handwerker ist der unter der Knute seines Chefs steht.
Die Einwohner Jasyks gehören großteils einer Gottesfürchtigen Sekte an die im Irrglauben lebt Engel zu sein um so Gott näher zu stehen.
Und dann gibt es noch ein kleines Häuschen in dem Anna Petrowna lebt. Die allein erziehende Mutter ist nach dem Tod ihres Mannes mit ihrem Sohn hier hergezogen um Ruhe, Einsamkeit aber auch Frieden vor ihrer Vergangenheit zu suchen.

Einen Tag nach dem Samarin festgenommen wurde, wurde ihm auch schon eine Anhörung vor Militär und Volk gewährt um zu entscheiden was mit ihm weiterhin geschehen soll.
Samarin berichtete von seiner Flucht aus dem Weißen Garten, ein nördlich des Polarkreise gelegenes Arbeitslager, aus dem er und noch ein Mitgefangener alleine quer über die Eiswüste entkommen konnten. Zugleich warnt er die Bewohner Jasyks vor einem geheimnisvollen Mann der “Der Mohikaner” genannt wird. Mit ihm ist Samarin aus dem Lager geflohen wobei ihn der Mohikaner nur deswegen mitgenommen hat um ihn, wenn alle Vorräte aufgebraucht währen, zu schlachten.
Der Erzähler konnte dem Messer des Kannibalen zwar gerade noch so entkommen aber nun ist sein Häscher auf dem Weg hier her um sein Werk zu Ende zu führen…


Dieser kurze Abriss von James Meeks Erstling Die einsamen Schrecken der Liebe wird nun wohl viele, die das Buch schon mal in der Hand hatten und den Klappentext gelesen haben, erstaunen. Der hier zusammengefasste Inhalt will so gar nicht dem Text gleichen mit dem der Verlag das Buch seinerzeit beworben hat und das ist etwas was ich äußerst schade finde. Dem Klappentext und Cover nach wurde verstärkt auf eine weibliche Leserschaft gesetzt, die in Erwartung eines Liebesromans tief enttäuscht wurde und andere Leser die offen für weniger Liebe dafür für komplexere Charaktere gewesen währen wurden durch die Titel/Cover-Kombination abgeschreckt.

Das Buch ist souverän und mit einem guten Gespür für düstere Weiten, eisiger Einsamkeit und grausamen Seelenwelten der Charaktere geschrieben. Auch wenn die Handlung der eigentlichen Geschichte fast minimalistisch ist werden in zwei großen Rückblenden die Geschichten von Samarin und Anna erzählt. Ihre Verbindungen zu anderen Charakteren die wiederum ihre eigenen kleinen Geschichten mit sich bringen. So zaubert Meek eine überraschend vielschichtige Erzählung aus dem Hut die man dem Buch fast nicht zugetraut hätte.
Große Themen wie den ersten Weltkrieg, Liebe, Loyalität, Freundschaft/Kameradschaft und auch Kannibalismus gewürzt mit einem hauch Mystizismus ergeben eine, ja schon fast, faszinierende Mischung deren Sog man sich nicht wirklich entziehen kann.
Etwas störend empfand ich beim Lesen zwar die Vorhersehbarkeit im letzten Drittel die jedoch durch das schreibende Geschick des Autoren fast wieder wett gemacht wird.
Denn nicht die Spannung steht im Vordergrund dieser Geschichte sondern das Erzählerische mit dem Meek versucht seine Charaktere fühlbar lieben aber auch leiden zu lassen.

Unterm Strich ist der Roman ein Werk das nichts falsch macht. Kurzweilig und Atmosphärisch dicht streift man durch James Meeks postrevolutionäres Russland und sucht zusammen mit Samarin, Anna, Balaschow oder auch Mutz nach den einsamen Schrecken der Liebe.
Äußerst lesenswert.
Dr.Who
 

von Anzeige » 17.08.2008, 10:26

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Beitragvon Krümel » 17.08.2008, 10:35

Ich habe das Buch ja hier auch herumstehen, sollte ich es lesen? Mal schauen :wink:

Kommt auch ins Blog ...
Zuletzt geändert von Krümel am 17.08.2008, 14:04, insgesamt 1-mal geändert.
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon Karthause » 17.08.2008, 13:59

Na, da sollte ich es wohl doch lesen. "Äußerst lesenswert" entspricht 5 Sternen? Danke für deine Rezi, Doc.
Viele Grüße
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Beitragvon Dr.Who » 17.08.2008, 15:06

Karthause hat geschrieben:Na, da sollte ich es wohl doch lesen. "Äußerst lesenswert" entspricht 5 Sternen? Danke für deine Rezi, Doc.

3einhalbsterne würd ich sagen. Der fünfte Stren ist nur für absolute Überromane. :wink:
Wie gesagt, es ist etwas vorherseehbar und auch die Thematik dürfte nicht jedermanns/fraus Sache sein. Aber wenn man auf Kannibalismus und Selbstverstümmelung steht immer nur rann an den Speck.
Dr.Who
 

Beitragvon Karthause » 17.08.2008, 15:13

:shock: Bei 3,5 Sternen muss mein Exemplar noch etwas im Regal bleiben. :wink:
Viele Grüße
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Beitragvon Dr.Who » 17.08.2008, 15:15

Karthause hat geschrieben::shock: Bei 3,5 Sternen muss mein Exemplar noch etwas im Regal bleiben. :wink:

Ich hoffe du bereust es aber nachher nicht das Buch nicht schon früher gelesen zu haben. Das haste an nem Wochenende locker durch.
Und im übrigen gebe ich nix auf Sternchen, es ist immer schwer ein Buch nach sollchen Kriterien einzuteilen.
Dr.Who
 

Beitragvon Wirbelwind » 18.08.2008, 09:40

Wie ich schon verlauten ließ kann ich mich Dr.Whos Begeisterung nicht anschließen, aber Geschmäcker sind nun mal verschieden.
Hier nun mein Angebot:
wer es lesen möchte und sich als Erster bei mir meldet, bekommt mein Exemplar (Tb) geschenkt. :-)

Liebe Grüsse
Wirbelwind

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