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Page, Martin - Antoine oder die Idiotie




Page, Martin - Antoine oder die Idiotie

Beitragvon Dr.Who » 30.07.2008, 15:36

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Ist es nicht frustrierend zu sehen wie alle anderen Erfolg haben nur bei einem selbst will es nicht so recht klappen?
Die anderen haben Haus, Frau, Geld, Auto optional noch Kinder und fliegen zweimal im Jahr in Urlaub. Ist das nicht ungerecht?
Und warum ich nicht?
Ich bin kein schlechter Kerl. Nett, zuvorkommend, habe noch nie jemanden Umgebracht und bin darüber hinaus auch noch überdurchschnittlich intelligent. Vielleicht liegt es ja daran. Vielleicht sollte ich nicht soviel nachdenken? Vielleicht sollte ich auch mal im Leben was riskieren? Denn mehr auf die Fresse fallen als jetzt kann ich eigentlich gar nicht- sprich tiefer sinken.
So wie es aussieht haben nur Deppen Glück und Erfolg im Leben, also wird es in nächster Zeit wohl ein erstrebenswertes Ziel sein zu einem Trottel, Arschloch kurz- zu einem durchschnittlichen Idioten wie Du und Ich zu werden...
...aber wie wird man den nun zu einem Idioten der von allen geliebt wird??
Das ist eine Frage die Antoine, Sorgenkind und Idiotenaspirant in diesem Buch, zumindest theoretisch nicht schwer fällt zu beantworten. Zwar besitzt er Intellekt genug um sich diverser Methoden zu bedienen die ihn ohne Umschweife in den Moloch der Geistigen Durchschnittlichkeit befördern könnten aber scheitert es meist an deren Durchführung.
Was nützt es den festen Vorsatz zu fassen Alkoholiker zu werden -und dadurch die Welt nicht nur viel leichter und unbeschwerter wahr zu nehmen- wenn man sich zuvor durch Unmengen von Büchern wälzt die einem ein Panorama an verheerendsten Alkoholika vor Augen führt, die einen todsicher mit Idiotismus und Wahnsinn infiziert, und sich sogar bei einem Großmeister des Besäufnis, einem Papst der Promille, in Lehre begibt, wenn man -wie Antoine schmerzlich feststellen musste- nicht die Körperlichen Vorraussetzungen erfüllt um auf diesem Wege Idiot zu werden?
Antoine scheint ebenso kein Talent zum Suizid zu haben. Das sich steht's um Dualitäten drehende Leben zu beenden, das sich für ihn in Dumme und Schlaue teilt und er mit seinem Geist eindeutig auf der falschen Seite steht, mag zwar anfänglich verlockend klingen, und bei Seminarbesuchen merkt man nicht der einzige mit diesem Wunsch zu sein, nur eignen sich schon sehr wenige zum Heldentod. Und schon gar nicht unser Antoine der sich ob dieser neuerlichen Niederlage hilfesuchend an seine Freunde wendet.
Die hören ihm und seinen Dilemma zwar aufmerksam zu glauben aber, ob seinem Wunsch Dummkopf zu werden, das er das Ziel nicht nur schon erreicht sondern auch schon darüber hinaus geschossen sei. So kann er sich wieder nur an einen Gelehrten, einen Intellektuellen, einen Doktor wenden. Zwar ist er nur Kinderarzt behandelt Antoine jedoch schon seit knapp 2 Jahrzehnten und nicht nur in solchen Dingen wie rote Pusteln auf den Armen. Gerade jener Doktor scheint der Schlüssel für sein Problem zu sein, genauer gesagt das Medikament das er Antoine verschreibt.
"Du wirst wie ein Zombie", versprach ihm dieser und sollte recht damit behalten.
Es dauerte zwar einige Tage aber es stellte sich dann recht schnell eine neu Gleichgültigkeit im Leben unseres angehenden Idioten ein. Ihm war es beim kauf seiner neuen Turnschuhe egal ob Nike seine Schuhe in Asien von Kindern herstellen lässt. Ob krebserregende Stoffe in seiner neuen Levis schlummern oder adidas die Abkürzung eines typen Namens "Adolf" ist. Seine Unbekümmertheit ging sogar so weit das er sich in die Höhle des Klassenfeindes begab und sich an den Wartetresen um einen Big-Mac anstellte. Er war nun endlich das was er sein wollte.
Ein Idiot, und ein glücklicher noch dazu.
Nur leider wird die Welt nicht nur von Idioten regiert, denn wie wir ja schon wissen ist alles auf Zweisamkeit und Dualität aufgebaut, so das sich die allgemeine Dummheit bestens mit Geld und Reichtum versteht. Nur jenes Geld scheint den Frischlingen unter den Idioten wie Sand durch die Hände zu gleiten so das Antoine schnell vor dem Finanziellen nichts steht und nach wenigen Monaten seiner idiotischen Karriere ein vorzeitiges Ende droht...oder vielleicht doch nicht??
Den Dummen gehört die Welt.


Der Autor Martin Page macht es dem Leser nicht leicht sein kleines Büchlein Antoine oder die Idiotie zu lieben. Ist es im ersten Teil noch liebenswert schrullig und skurril so kann es sich der Schreiber im zweiten Teil seines Werkes einfach nicht verkneifen mit dem Moralischen Zeigefinger zu wedeln. Er versteht es fabulös die Probleme unserer Gesellschaft zu karikieren ohne jedoch den Betroffenen direkt eine Spiegel vorzuhalten. Ohne auf sie zu deuten und zu sagen:
"Du, genau du bist mit deinem schwachen Willen zum Alkoholiker geworden. Du bist selber an deiner Misere schuld", oder, "Schämst du dich den gar nicht überhaupt nur an Selbstmord zu denken?"
Viel mehr zeigt er, auf eine Tragisch -komödiantischen Art, welche Formen von Unsinnigkeit unser Denken und Handeln in unserem normalen Leben annehmen kann.
Paradoxer weise entpuppt sich erst durch ´das nachdenken´ der zweite Teil des Buches als logische Schlussfolgerung. Antoine, und mit ihm das Buch, verliert seinen Biss und seinen Charme und auch seine liebenswerte Naivität wird von neuen Werten überlagert. Gegen Ende wünscht man sich das er das Medikament wider absetzen würde um zumindest auf den letzten Seiten noch etwas von Martin Pages Esprit und Übermut zu erhaschen aber leider vergebens.
Fans des ewigen Fragestellers Weibel oder der Cartoons aus der Feder Gary Larsons werden mit diesem Büchlein durchaus ihren Spaß haben. Für alle anderen ist es kein Pflichtkauf.
Dr.Who
 

von Anzeige » 30.07.2008, 15:36

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