Im Hotel Savoy, in einer nicht näher benannten Stadt im Osten Europas, treffen sich die verschiedensten Menschentypen. Es sind Gewinner und Verlierer der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, sie sind in diese Kategorien nach ihrer Unterbringung in den verschiedenen Etagen des 864 Zimmer umfassenden Hotels einzuordnen. Leben in den unteren Stockwerken die Erfolgreichen in großem Luxus, so treffen sich in der 6. und 7. Etage die Gestrandeten der Gesellschaft, die mit Mühe die nächste Miete begleichen können, oder dafür ihre Koffer an den Fahrstuhlführer Ignatz verpfänden. So bringt Joseph Roth dem Leser ehemalige Soldaten und Kriegsgefangene, Millionäre und Pleitiers, Schmuggler und Schieber, Kommunisten und Tänzerinnen näher. Über allen jenen wacht Ignatz. Alle Personen beschreibt Roth ganz wunderbar, charakterisiert sie gekonnt, immer mit einem feinen Hauch Ironie. So lebt auch der aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrte Gabriel Dan, der Ich-Erzähler, in diesem Hotel. Er wird nach einiger Zeit der Sekretär des Millionärs Bloomfield, der aus lange geheim gehaltenen Gründen regelmäßig in diesem Hotel absteigt und als Gönner der Armen gilt. Er ist deren Hoffnungsträger, die Lichtgestalt im irdischen Jammertal. Dan erfasst die Gesuche der Armen an den Reichen und verstrickt sich in beide Lager. Schließlich geht infolge eines Streiks das Hotel in Flammen auf. Eine kleine Welt ist – stellvertretend für die Große – aus den Fugen geraten und damit dem Untergang geweiht.
„Hotel Savoy“ ist einer der frühen Romane Joseph Roths, aber ich ertappte mich immer wieder dabei, dass ich ihn gedanklich an „Radetzkymarsch“ und „Die Kapuzinergruft“ anschließen ließ. Schon in diesem Frühwerk wird die Prägnanz und Brillanz der Sprache Joseph Roths deutlich. Er erweckt die verschiedensten Charaktere zum Leben, lässt sie förmlich aufeinanderprallen. Ob arm oder reich, alle Personen wirken lebensecht und glaubwürdig. Ganz famos beschreibt er mit großer Symbolhaftigkeit die Wirren nach dem Krieg, das vielfältige Leben im Hotel, die Hoffnungen, Träume und Illusionen, die dann letztendlich mit dem Hotel untergehen. „Hotel Savoy“ ist für mich ein ganz besonderes Buch, es geht unter die Haut, berührt und weckt Verständnis. Alle Bücher des Autors sind für mich sowohl stilistische als auch sprachliche Perlen, von denen es viel zu wenig gibt.
Über den Autor
Joseph Roth wurde 1894 in Schwabendorf b. Brody in Ostgalizien geboren und verstarb am 27.05.1939 in Paris. Roth war als Journalist u.a. in Berlin und Wien tätig, ehe er als Korrespondent für die "Frankfurter Zeitung" alle europäischen Großstädte bereiste. Seit 1933 emigrierte Roth schrittweise über Wien nach Marseille, Nizza und schließlich Paris. Dort verfiel er aus Verzweiflung dem Alkoholismus und verstarb in einem Armenhospital.