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Aldrich, Thomas Bailey - Marjorie Daw




Aldrich, Thomas Bailey - Marjorie Daw

Beitragvon chip » 11.06.2008, 10:36

In einem Brief wird Edward Delaney vom Arzt gebeten, seinen Freund John abzulenken, da er reizbar und so langsam unerträglich wird. Durch seine Bettlägerigkeit kann er seinen Tatendrang nicht ausleben, gerät daher regelmäßig in Wutausbrüche, sehr zur Beeinträchtigung umstehender Genossen.

„Miss Fanny Flemming ist aus Newport, wo sich ihre Familie zur Zeit in der Sommerfrische aufhält, eigens deshalb hierher geeilt, um ihn zu pflegen; aber schon am nächsten Morgen hat er sie bis zu Tränen gereizt und wieder davongejagt. Neben seinem Sofa hat er die gesammelten Werke Balzacs aufgestapelt, alle siebenundzwanzig Bände; und jedes Mal, wenn Watkins, dieses Muster von einem Diener, ihm das Essen bringt, greift er nach einem Buch und will damit nach ihm werfen.“

Die gesamte Erzählung ist in Briefform gehalten, denn durch die weite Entfernung zwischen den beiden Freunden, sieht Edward allein den Briefkontakt als einzige Möglichkeit, der Bitte des Arztes nachzukommen. Es entsteht ein überaus reger Verkehr, Briefe gefüllt mit Belanglosigkeiten werden hin- und hergereicht. Doch erst die Erwähnung einer gewissen Marjorie Daw, einer makellosen Schönheit, scheint John richtig aufblühen zu lassen. Edward berichtet, sie befände sich während der Gespräche in andauernd geistiger Abwesenheit, doch sobald er das Thema auf John richte, erwache sie aus ihrer Gedankenwelt. Sie lechzt förmlich nach Informationen über diesen unbekannten John Flemming. Seltsam, anscheinend haben sie sich vorher nie getroffen. Und doch ist gerade Daws ungebändigtes Interesse die Ursache, dass auch John sich in diese unbekannte Frau verliebt.

„Sollte es denn wirklich möglich sein, dass zwei Menschen, die sich nicht kennen und Hunderte von Meilen voneinander getrennt leben, irgendeinen magnetischen Einfluss aufeinander ausüben können?“

Er hält es im Bett nicht mehr aus, will sie unbedingt treffen. Weder der Widerstand des Arztes noch Johns Schmerzen, noch Edwards Abmahnen können ihn von dieser Reise abhalten. Aber was ihn bei seiner Ankunft in New York erwartet, damit hätte wohl niemand gerechnet. Selbst der unbeteiligte Leser wird überrascht.

Mir hat die kurze Geschichte wirklich sehr gut gefallen, da sie einfach geschrieben und doch perfekt geformt wirkt. Mit viel Humor und der verblüffenden Pointe wird dieses Stück für mich zum Meisterwerk. Eines der wenigen Bücher, das ihn vor der völligen Vergessenheit verschont hat. Mitunter ein Grund, es hier vorzustellen.

Eine inhaltlich anspruchslose aber zur Vollkommenheit aufgebaute Erzählung mit Unterhaltungswert.
:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

Gruß,
chip
chip
 

von Anzeige » 11.06.2008, 10:36

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Beitragvon wolves » 11.06.2008, 13:27

:grübel Bin ich von Blindheit geschlagen oder ist das Buch derzeit "nur" in Englisch zu bekommen @chip?
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon chip » 11.06.2008, 15:16

Ja, leider! Deshalb konnte ich auch keinen Link beifügen. Wer jedoch in einer Anthologie über diese Geschichte stolpert, sollte nicht versäumen, da mal reinzuschauen. :wink:

Gruß,
chip
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Beitragvon wolves » 12.06.2008, 08:46

Schade, aber ich werde meine Augen offen halten.
Liebe Grüße
wolves


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