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Bachmann, Ingeborg - Malina




Bachmann, Ingeborg - Malina

Beitragvon Katia » 06.12.2007, 21:06

[center]Ingeborg Bachmann - Malina[/center]


Vorbemerkung: Es mag sein, das mancher diese Rezension als verspoilert betrachtet, aber es erscheint mir unsinnig, bei diesem Werk, das nun wirklich nicht auf Spannung aufgebaut ist und das dem Leser ohnehin genug abfordert, um die wesentlichen Punkte herumzulavieren. Wer sich daran stört, darf ab hier nicht weiterlesen! Aus ähnlichen Gründen handelt es sich hierbei um eine "Krümel-Exclusiv-Rezension" :wink:


"Malina", der einzige Roman der österreichischen Lyrikerin Ingeborg Bachmann erschien 1971 - zwei Jahre vor ihrem frühen Tod. Die frühere Lebensgefährtin von Max Frisch plante einen Romanzyklus zum Thema "Todesarten" - vollendete aber nur diesen ersten Teil.
Die Ich-Erzählerin, anscheinend Schriftstellerin, lebt in Wien, in der Ungargasse 6 im III. Bezirk, ihrem "Ungargassenland". Gegenüber in Hausnummer 9 wohnt Ivan, Ungar, ihr Geliebter, auf dessen Anrufe sie wartet, der irgendwie immer ungreifbar scheint, wenig Zeit hat, eine enge Bindung scheut. Malina, der "dritte Mann" (wie eine Kapitelüberschrift lautet), der vernünftige, rationelle, lebt mir der Ich-Erzählerin zusammen - zwischen diesen beiden versucht sie sich selbst zu finden.

Eine eigentliche Handlung gibt es nicht, dafür taucht der Leser tief in die Gedankenwelt der Erzählerin ein; mit Traumszenen, Tagträumereien, Dialogen mit Malina und beschreibenden Passagen entsteht ein verstörendes Bild einer verstörten Seele. Die Ich-Erzählerin ist zunehmend unfähig am alltäglichen Leben teilzunehmen. Malina wiederum scheint keine eigenständige Persönlichkeit zu sein, sondern der männliche Teil der Protagonistin. Das Buch ist einerseits Liebesroman, andererseits der ewige Kampf zwischen Mann und Frau. In den Traumsequenzen des zweiten Teils setzt die Erzählerin sich intensiv mit dem dominierenden Vater auseinander und mein Eindruck hier war, dass sie darin alle dominierenden Männer ihres Lebens verarbeitet, den Vater wie Liebhaber.

Im letzten Teil kämpfen die beiden Ichs diskutierend gegeneinander; das Buch endet mit den Worten "Es war Mord" tragisch.

Vieles war mir immer noch fremd an diesem Buch, das ich vor zehn Jahren schon mal gelesen habe und kein Wort verstanden hatte. Erst hinterher, durch Lesen über das Buch, wurde mir klar, dass die geläufige Lesart ist, Malina als Teil der Icherzählerin aufzufassen. So habe ich diesmal von Beginn an versucht, diesen Aspekt der Schizophrenie als zentral zu erfassen. Und tatsächlich: bleibt man konsequent in dieser Perspektive lesen viele Stellen des Buches sich deutlich konsistenter. Das Ende ist die Übernahme des männlichen Ichs durch das weibliche. Diese Verdrängung, dieses Leiden zu lesen, lässt mit leiden, auch wenn mir das Verständnis für diese Rigorosität fehlt.
Auch dieser Reread lässt mich nicht mit einem Gefühl zurück, dieses Buch "verstanden" zu haben, aber auch nicht mehr mit dem tiefgreifenden Unverständnis, das ich beim ersten Mal hatte. Ein Buch, das man sich erarbeiten muss, das aber mit einem besonderen Aufbau, einer lyrisch-musikalischen Sprache belohnt. Mir gefielen besonders die musikalischen "Vortragsbezeichnung" wie "con fuoco", "legato" in den Dialogen - ein wunderbares Mittel Gefühle (übrigens nur auf der weiblichen Seite) in den Dialogen, die ansonsten rein aus den Reden bestehen, auszudrücken.

Ich empfehle das Buch, empfehle aber in jedem Fall auch es anzulesen, schon wenige Seiten geben einen recht klaren Eindruck, wie das Buch sich liest. Keine Sternchenwertung, weil ich mich keiner gewachsen fühle
:oops:

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