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Balzac, Honoré de - Eugénie Grandet




Balzac, Honoré de - Eugénie Grandet

Beitragvon marilu » 01.12.2006, 09:44

"Eugénie Gradet" (Originaltitel: Pére Grandet - 1833 erschienen) ist Teil von Balzacs Menschlicher Komödie. Balzac sagt selbst, dass dem Konzept seines Werkes folgende Überlegung zu Grunde liegt:

Macht nicht auch die Gesellschaft aus dem Menschen je nach den Umgebungen, in denen sein Handeln sich entfaltet, ebenso viele verschiedene Menschen, wie es in der Zoologie Variationen gibt? [..] Es hat also ewig soziale Gattungen gegeben und wird ihrer ewig geben, wie es zoologische Gattungen gibt. Wenn Buffon ein prachtvolles Werk schrieb, als er versuchte, das Gesamtbild der Zoologie in einem Buche darzustellen, war da nicht auch ein gleiches Werk über die Gesellschaft zu schaffen?


Soweit aus Balzacs Vorrede zur "Menschlichen Komödie (im Roman enthalten). Allein diese 17 Seiten sind empfehlenswert. Es ist faszinierend zu lesen, welche Vision Balzac antrieb.

Zum Inhalt von Eugénie Grandet:

Handlungsort ist Saumur, eine Stadt an der Loire. Hier lebt der Böttchermeister Grandet, der es trotz der politischen Wirren seiner Zeit (Revolution, Napoleon...) zu Ansehen und Reichtum brachte. Sein Geld und seine Tochter Eugénie sind sein ganzer Stolz. Und so bewacht er die Unschuld seiner Tochter eifersüchtig, aber noch eifriger das Beisammenhalten seines Vermögens. Dabei geht er kaltblütig, verschwiegen und listenreich vor. Seine Angehörigen ahnen nichts von dem Leben, das sie hätten führen können, spart er doch an allen Ecken und Enden, hält seine Frau in Angst und Schrecken mit seinem Jähzorn und gibt sich bescheiden.

Alles wandelt sich, als Grandets Bruder in Paris Selbstmord begeht und dessen Sohn Charles in das Leben der Provinzler tritt. Es ist an Grandet, Charles vom Bankrott seines Vaters und dessen Freitod zu berichten und ihm Unterstützung für den weiteren Lebensweg zu geben. Man kann sicher aus dem oben genannten erahnen, was für ein übles Geschäft daraus erwächst.

Eugénie verliebt sich in den sanftmütigen Cousin und hilft ihm auf die Beine. Sie geben sich ein Eheversprechen, doch das Leben führt Charles nach Indien und in die restliche Welt. Eugénie ist "ganz Frau: wartet und leidet."

Ob sie umsonst wartet oder ob ihr Langmut belohnt wird, möchte ich hier nicht verraten, um nicht das Ende vorweg zu nehmen.

Meine Meinung:

Dieser Roman ließ sich nicht leicht lesen, ist seine Handlung doch zutiefst pessimistisch. Zum Glück berichtet Balzac immer mit einem Schuss Humor und Sarkasmus. Die einzelnen Figuren werden sehr lebendig. Man leidet mit Eugénie und ihrer Mutter. Fühlt für die Haushälterin Nanon, die die mitleidigen Bemerkungen ihres Arbeitgebers für Komplimente hält und tadelt gedanklich den geizigen Grandet. Aber auch die anderen Männer des Romans sind keine Helden - jeder strebt nach Erfolg, Ruhm und Besitz. Dabei sind sie kleinlich und egoistisch. Kommen die Frauen mitunter auch etwas dumm daher, so haben sie langfristig doch eine positivere Wirkung auf den Leser.

Wahrscheinlich werde ich mich zukünftig nach weiteren Bänden der "Menschlichen Komödie" umsehen. Das Grundkonzept hinter dem Werk fasziniert mich sehr!

:stern: :stern: :stern: :stern:

Bild

So, und mit dieser Rezension habe ich meine SUB-Wettbewerbsliste komplett gelesen und rezensiert. Das nächste Jahr kann kommen. :D
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Beitragvon tom » 18.05.2007, 17:53

Hallo Marilu!

Beim Durchforsten des Indexes fand ich Deine Rezi hier. Ganz herzlichen Dank! Es erinnerte mich an meinen bisher einzigen Band aus der "menschlichen Komödie" vor vielen Jahren: "Les illusions perdues". Ja, das Werk ist faszinierend, aber vielleicht auch ein bisschen über alle Maßen! Die französische Gesamtausgabe in Kleinstbuchstaben (echt unleserlich, leseunfreundlich) umfasst ein Dutzend enzyklopediegroße Bände! Also wer das alles lesen wird... Hut ab! Ich fand gerade noch einen kleinen Abschnitt in Wikepedia, der gut das Vorgehen von Balzac beschreibt. Ich hatte auch die Erinnerung daran, dass er die Fäden aller Bände irgendwie zusammenlaufen, bzw. sich kreuzen lässt. Zitat:

Im selben Jahr 1834 hatte er beim Schreiben eines seiner besten Romane, Le Père Goriot, die Idee, die Figuren seiner bis dahin verfassten und der künftigen erzählenden Werke immer wieder neu auftreten zu lassen, um mit ihnen und um sie herum eine überschaubare Welt entstehen zu lassen. Wirklich schuf er so im Lauf der Zeit ein Universum von gut 2000 Figuren, die zugleich Repräsentanten der nachrevolutionären französischen Gesellschaft sein sollten und in der Tat eine plastische Vorstellung vom Leben zumindest der zeitgenössischen bürgerlichen und adeligen Schichten samt ihrer Domestiken vermitteln.

Im Sinne dieser Idee wählte Balzac, als er 1841 mit einer Verlegergruppe eine neue Gesamtausgabe seines vorhandenen und geplanten erzählerischen Œuvres vereinbarte und diese 1842 mit drei ersten Bänden eröffnete, den Obertitel La Comédie humaine. Hierbei sollten die einzelnen Romane und Erzählungen nicht nur zu Großgruppen zusammengefasst werden (Études philosophiques, Études analytiques und Études de mœurs), sondern auch noch zu Untergruppen (Scènes de la vie privée usw.). (Zitatende)

Ich würde gerne den erwähnten "Père Goriot" mal angehen...
tom
 

Beitragvon marilu » 18.05.2007, 21:35

tom hat geschrieben:Also wer das alles lesen wird... Hut ab!


Jeder, der das schafft, muss gefeiert werden! Und dann womöglich noch die gesammelten Bände von Emile Zola - was für eine Lebensaufgabe!

Ich werde wohl nur einige ausgewählte Einzelbände lesen und es riskieren, auf das große Panorama verzichten zu müssen.
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