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Balzac, Honoré de - Verlorene Illusionen




Balzac, Honoré de - Verlorene Illusionen

Beitragvon Krümel » 16.09.2010, 10:03

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Ein wunderbarer Schmöker!

David, der Sohn eines Druckers, hat ein schweres Los. Sein Vater ließ ihn zwar eine gute Schule besuchen, aber auf seine Bildung ist er fast bösartig eifersüchtig. Er entwickelt sich zum großen Geizhals und verkauft seinem Sohn die Druckerei zu einem überhöhten Preis, die er per Raten abstottern soll. Davids Startsituation ins Leben ist damit alles andere als günstig, nein er ist dadurch finanziell ruiniert.

Im Leben lernt man dann oft seinesgleichen kennen. Das Geschwister-Pärchen Chardon, der Vater ein kluger Apotheker lernt eine Adelige kennen und lieben, die durch diese Heirat ihren Titel und Anspruch auf Namensweiterführung „de Rubempré“ entzogen bekommt. Nach dem Tod des Vaters knapsen diese Drei am Hungerstuch. Lucien wird für David ein Bruder und in Ève verliebt er sich gleich.

Lucien liebt das süße Leben. Die Königin der Provinz soll die Seine werden. Und sie hat diesen Schönling auch direkt an der Angel. Nach einem Zwischenfall in Angoulême machen sich die Liebenden auf den Weg nach Paris. David und Ève geben Lucien ihr letztes Geld, damit er seinen Traum in der Hauptstadt verwirklichen kann. Denn er will ein berühmter Dichter werden …

Im Grunde genommen handelt das ganze Buch nur von einem Thema: Geld! Geld und wie es auf die Menschen wirkt. Und trotzdem die Weichen sehr früh für die handelnden Figuren gestellt sind, wird der Roman nie langweilig oder gar platt. Immer wieder kommt der Autor mit neuen und interessanten Spielvarianten an, beispielsweise die Eitelkeit und die Tugend, und wie sich diese Beiden nicht gerade festlich vereinen, und andere Blickwinkel, wodurch sich ein unaussprechlicher Sog entwickelt, so dass man das Buch kaum aus den Händen legen möchte.

„Die Großen begehen beinahe ebenso viele Feigheiten wie die Armen; aber sie begehen sie im Schatten und rücken ihre Tugend in den Vordergrund: sie bleiben groß. Die Kleinen entfalten ihre Tugenden im Schatten und breiten ihr Elend offen aus: sie werden verachtet.“

Balzac zeigt im zweiten Teil das damalige gesellschaftliche Leben in Paris, die Politik, den Adel sowie das Zeitungs-. und Verlagswesen, und außer dass es früher bunter und sich prächtigter lebte, spiegelt mir der Autor eine Zeit, die sich mit der heutigen messen kann. Auch heute bestimmen die „Spieler“ wer oder was „in“ oder „out“ ist. Geld regiert die Welt.

Ich möchte auch heute nicht wissen wie viele wirkliche Talente von Nachwuchsautoren in irgendwelchen Schubladen verstauben, weil ein Verlag das Risiko scheut und lieber dem „Mainstream“ folgt, weil ein solches Werk auf jedem Fall eine gute Presse bekommt. Umgekehrt erlebt man es desöfteren, welch 0-8-15 Werk in den Himmel gelobt wird.

„Es gibt keine Gesetze mehr, es gibt nur noch Gesellschaftssitten, das heißt Künstlichkeit und Schein.“

Die wunderbare Sprache, die dieses Buch trägt (Kompliment an die Übersetzung), macht es zu einem rundherum perfekten Schmöker. Es besitzt keine Längen, trotz der 850 Seiten, die Handlung ist spannend, aber dennoch klug und weise. Für mich ein Highlight in diesem Jahr!

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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