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Fontane, Theodor - Effi Briest




Fontane, Theodor - Effi Briest

Beitragvon Nerolaan » 04.10.2008, 23:24

Von Elisabeth von Plotho inspiriert...

Effi Briest wird auf dem Land von Hohen-Cremmen groß. Sie ist ein Wildfang; kennt die gesellschaftlichen Konventionen, würde sich aber am liebsten nicht daran halten.
Als sie 17 ist hält der Kessiner Landrat Baron von Instetten um ihre Hand an und die Eltern stimmen der Hochzeit freudig zu.
Effi heiratet den 21 Jahre älteren Mann und zieht mit ihm in das beschauliche Kessin, einem Badeort in Hinterpommern. Dort wird Effi aber nie richtig glücklich.
Erst als Instetten ins Ministerium berufen wird und die Familie nach Belrin zieht, blüht Effi richtig auf und auch die Beziehung zu Instetten gewinnt and Tiefe und Unbeschwertheit.
Alles könnte so schön sein, bis Instetten eines Nachmittags ein Bündel Briefe findet....

Der Roman Effi Briest ist wohl der bekannteste des deutschen Autors Theodor Fontane und beruht auf der wahren Geschichte von Elisabeth von Plotho.

Anfänglich war ich dem Buch sehr skeptisch gegenüber: immer wieder wurde mir erzählt, dass ein Fontane schwer zu lesen sei.
Das stellte sich aber als kompletter Unsinn heraus: hat man erst einmal den ersten langen Schachtelsatz geschafft, liest sich das Buch sehr flüssig und ehe man sich versieht hat man wieder 10 Seiten gelesen.

Fontane erzählt mit schönen Worten die Geschichte einer Ehe, die an der Realität zerbricht.
Vorherrschend dabei sind eine oberflächliche Erzählweise und Charakterdarstellung: weniges wird beim Wort genannt; Fontane deutet Ereignisse lieber an und überlässt es dem Leser sich den Rest zu denken. So ist es wenig verwunderlich, dass auch die Ereignisse sich ohne Pause aneinander reihen.

Fontane verbindet im Verlauf der Geschichte sehr schön Effi´s Gefühlswelt mit Naturbeschreibungen: geht in Kessin ein Sturm, ist auch Effi unzufrieden.

Insgesamt ist Fontane ein toller Roman gelungen, der mich von Anfang an gefangen genommen hat: trotz oberflächlicher Charakterzeichnung habe ich die ganze Zeit mit Effi gefiebert und gelitten und habe dabei immer gehofft, dass sie ihren Platz im Leben findet.

:stern: :stern: :stern: :stern:

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von Anzeige » 04.10.2008, 23:24

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Beitragvon Karthause » 05.10.2008, 09:23

Effi wuchs behütet im märkischen Havelland auf. Mit 17 Jahren heiratete sie auf Wunsch ihrer Eltern den deutlichen älteren Landrat Baron von Innstetten, der etwa 20 Jahre zuvor bereits mit Effis Mutter befreundet war. Effi folgt ihrem Ehemann in den Badeort Kessin. Dort kann sie sich aber nicht einleben, sie fühlt sich weder in ihrem neuen zu Hause wohl, noch findet sie Anschluss an die dortige Gesellschaft. Einzig mit dem Apotheker verbindet sie eine Freundschaft. Als sie den Major Crampas kennen lernt, ein bekannter Frauenheld, beginnt zwischen beiden eine Affäre. Geert von Innstetten ist auf der Karriereleiter eine Stufe nach oben gestiegen. So kann Effi bereits 1¼ Jahr nach ihrem Umzug nach Kessin den ungeliebten Ort verlassen, um in Berlin eine geeignete Wohnung für sich, ihren Mann und die gemeinsame Tochter zu suchen. Damit hat auch die Affäre mit dem Major für Effi ein Ende gefunden. Jahre später findet Innstetten die aus dieser Liaison stammenden Briefe und erst jetzt hat der Seitensprung Effis Folgen.

Fontane besticht in „Effi Briest“ mit seinem sehr leicht zu lesenden Stil. Schnell war ich in der nicht anspruchsvollen Handlung drin. Die 17 jährige Effi fühlt sich selbst noch mehr Kind als Frau, so ist sie von ihrer kurzfristigen Heirat, die die Eltern veranlassten etwas überfordert. Nach dem Einzug im Haus ihres Mannes fühlt sie sich, als wäre sie aus dem Nest gefallen. Der Mann kommt seinen Dienstpflichten nach, sie findet und sucht keine Betätigung. Für diesen ersten Teil der Handlung nimmt sich Fontane sehr viel Zeit. Die Langeweile und die Unzufriedenheit Effis, die zum Teil auch aus ihrer Unreife resultiert, wurde auch für mich deutlich spürbar und zur Herausforderung. Ich haderte mit der Protagonistin. Aber mit dem Auftreten des Major Crampas wird die Handlung deutlich lebendiger und mit dem Umzug der Innstettens nach Berlin wurde für mich das Buch ein richtig schöner Gesellschaftsroman, in dem zum Ende hin auch noch deutlich Sozialkritik zu erkennen war. „Wanderungen durch die Mark“ prägten mein Fontanebild. Leider fand ich in „Effi Briest“ viel zu wenige seiner wunderbaren Beschreibungen.

In den nächsten Monaten werde ich mich auch noch mit zwei anderen bekannten Ehebrecherinnen der Weltliteratur beschäftigen. Madame Bovary und Anna Karenina erwarten mich schon.

:stern: :stern: :stern:
Viele Grüße
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Beitragvon wolves » 06.10.2008, 08:23

Auf eine Inhaltsbeschreibung verzichte ich mal :wink:

Hier meine Meinung zu dem Buch:

Im Grunde hatte das ganze ja damit begonnen, dass zwei Menschen, die überhaupt nicht zueinander gepasst haben, miteinander verheiratet wurden. Und daran lag der Kern des "Problems". Wem von beiden könnte man "Schuld" zuweisen? Im Grunde keinen, denn beide waren so wie sie sind. Eine "Schuldzuweisung" wäre ungerecht beiden gegenüber. Und da liegt eine große Faszination Fontanes von mir vor. Denn er brachte es mir wunderbar rüber.
Und so kam eines zum anderen. Letztendlich waren beide in ihren gesellschaftlichen Konventionen gefangen und konnten sich aus diesem "Korsett" überhaupt nicht mehr befreien, um vielleicht auch ein Zueinander zu finden.
Für mich war es ein wunderbar leicht und fein erzählter Roman, der mich für Fontane als Schriftsteller begeistern konnte.

:stern: :stern: :stern: :stern: / :stern:
Liebe Grüße
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Beitragvon Krümel » 06.10.2008, 10:37

wolves hat geschrieben:Im Grunde hatte das ganze ja damit begonnen, dass zwei Menschen, die überhaupt nicht zueinander gepasst haben, miteinander verheiratet wurden. Und daran lag der Kern des "Problems". Wem von beiden könnte man "Schuld" zuweisen? Im Grunde keinen, denn beide waren so wie sie sind. Eine "Schuldzuweisung" wäre ungerecht beiden gegenüber.


Und wie sieht es dann mit Effis Eltern aus?
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Beitragvon wolves » 06.10.2008, 17:24

@Krümel: Für mich können auch Effis Eltern keine "Schuld" haben. Im Grunde haben sie ja auch nichts anderes gemacht als in ihrer Zeit üblich war, nämlich ihr Kind so schnell und so gut wie möglich zu verheiraten. Und erzogen haben sie ihre Tochter auch wie es in ihrer Zeit üblich war. Im Grunde sind also auch Effis Eltern für mich "Gefangene von Konventionen". Und für Effis Tun und Lasssen kann man sie nun mal wirklich nicht verantwortlich machen. Da hat auch elterliche Erziehung ihre Grenzen.

Oder auf was willst du raus?
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Beitragvon Krümel » 06.10.2008, 17:49

Also Gedanken hat sich Herr von Briest schon gemacht, wolves. Er hat es dann allerdings immer mit "ein weites Feld" abgetan.
Wenn von Schuld die Rede sein soll, dann haben Effis Eltern in meinen Augen Schuld.
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon wolves » 06.10.2008, 17:51

Krümel hat geschrieben:Also Gedanken hat sich Herr von Briest schon gemacht, wolves. Er hat es dann allerdings immer mit "ein weites Feld" abgetan.
Wenn von Schuld die Rede sein soll, dann haben Effis Eltern in meinen Augen Schuld.

Das darfst du mir aber jetzt mal näher erklären. Wieso haben Effis Eltern in deinen Augen "Schuld"?
Liebe Grüße
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Beitragvon Krümel » 06.10.2008, 17:54

Fontane, dem Vater des weiten Feldes …

Heinrich Theodor Fontane, hugenottischer Abstammung, wurde 1819 als Sohn eines Apothekers geboren. In den 40 er des 19. Jh. begann seine Dichter sowie Apotheker Karriere, die er am Ende dieses Jahrzehntes als “Apotheker erster Klasse” wieder aufgab, und sich nur noch der Literatur widmete. “Effi Briest” ist einer seiner Spätromane, der 1895 als Buchform erschien. 1898 verstarb Fontane an einem Gehirnleiden (Ischämie).

Das Buch beginnt mit einer Effi, die noch ganz Kind ist, die mit ihren Freundinnen albert, und von ihrer Schaukel akrobatische Absprünge liebt. Für Handarbeiten und ernste Gespräche hat sie wenig Interesse, sie lebt mehr in ihren naiven Vorstellungen, und malt sich das Leben schön.
Doch schon ein paar Seiten weiter wird dieses Kind von der Schaukel in die Ehe vermittelt. Innstetten, ihr zukünftiger Gatte, ist der ehemalige Verehrer ihrer Mutter. Der aber derzeit noch zu jung für Frau von Briest gewesen ist. Effi heiratet also einen 20 Jahre älteren Herrn, der vom Charakter und Temperament nicht gegensätzlicher sein könnte.
Viel zu jung für diese Ehe, diesen Stand und für diese einsame Gegend (Hinterpommern), in der Innstetten seine Anstellung hat, welkt Effi dahin. Nur der Apotheker Gieshübler und der Frauenheld Crampas versüßen ihr das Leben.

Weit über die Hälfte ist dieses Werk gekennzeichnet durch eine große Oberflächlichkeit, die die Gedankenwelt der jungen Effi transportiert, aber auch das Gesellschaftsbild spiegelt. “Das ist ein weites Feld”, Worte die Herr von Briest ständig von sich gibt, und die immer am Ende eines Gedanken oder einer Unterhaltung stehen, ohne wirklich willentlich auf den Kern der Aussage zu stoßen. Wodurch Probleme zwar erkannt aber verschoben werden.

Effis Eltern sehen schon, dass sie ihre Tochter “verschaukelt” haben, an einem Mann, der viel zu alt für ihre Tochter ist, der vom Charakter so überhaupt nicht zu ihr passt, gehen aber darüber lapidar hinweg, obwohl sie erkennen, dass Effi in ihr Unglück läuft. Fontane zeichnet damit ein authentisches Sittenbild des untergehenden Preußentums.

Der leichte schwadronierende Ton des Buches, liest sich leicht und schnell, auch weil es zum größten Teil aus Dialogen besteht. Er deckt auf, ohne zu kritisieren oder zu verurteilen.

Vergleichbare Werke sind “Anna Karenina” von Tolstoi sowie “Madame Bovary” von Flaubert.

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern: / :stern:
Schwierigkeitsgrad: leicht


@ wolves
Ich habe es mal grün eingefärbt was ich meine :wink:
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon wolves » 07.10.2008, 07:16

Ich antworte dir mal bei der Leserunde. Hier müsste ich zuviel spoilern. :wink:
Liebe Grüße
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Beitragvon chip » 29.10.2008, 16:56

Liebe hält sie für Unfug, orientiert sich daher vorzugsweise an materiellen Werten, um sich in ihrer Zukunft verwöhnt als Prinzessin aufspielen zu können. „Jeder ist der Richtige. Natürlich muss er von Adel sein und eine Stellung haben und gut aussehen.“ Kindliche Vorstellungen einer Ehe, aber Effi ist erst 17, als sie sich verlobt. Man könnte ihren naiven Gedanken also verzeihen, man möchte sie zur Seite nehmen und ihr von den Plänen abraten. Am Ende des Buches folgt die Schuldfrage. Haben die Eltern nicht die Pflicht, ihren Kindern den rechten Weg zu weisen, zumindest ihnen Ratschläge zu erteilen? Aber wären Effis Eltern gute Ratgeber gewesen, die doch letzten Endes auf die gleiche Weise zueinander fanden und die Gesellschaftsregeln diese Ehe einfordern, verlangen. Er ist eine gute Partie für sie, alles andere spielt keine Rolle...

So nimmt die Tragödie ihren Lauf. Effi wird von ihren Freundinnen, von ihren Eltern, von ihrer Kindheit getrennt und in den Badeort Kessin gebracht, das sich mit der „Tochter der Lüfte“ nicht vereinen lässt. Fern der Heimat ertränkt sie ihren Alltag in Langeweile, während ihr Mann sich um eine Stellung als Minister bemüht. Allein gelassen mit ihrer Haushaltshilfe in einer spukenden Unterkunft, kommt der fürsorgliche Crampas gerade recht, um für Ablenkung zu sorgen. Es entsteht gegen ihren Willen eine Liebesbeziehung, die Effis Gewissen belastet und sie erst erleichtert aufatmen kann, als ihr Mann einen Umzug nach Berlin vorschlägt. Kessin, Crampas und den erzieherischen Geist kann sie nun hinter sich lassen und sich auf ihre Ehe konzentrieren. Nach der Geburt ihres Kindes versöhnt sie sich mit der Einsamkeit, es entsteht verträgliche Harmonie, sie duldet ihr vorgeschriebenes Leben und sie hätte bis ans Lebensende diese Umstände ertragen. Doch die Vergangenheit holt sie ein, in Form von Briefen, die ihr Mann findet.

Fontane erstellt ein durchaus realistisches Bild einer Ehe im alten Preußen, ohne sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Distanziert und unaufgeregt lässt er seine Figuren erzählend durch die Jahre tragen anhand oberflächlicher Reden. Er kann Effis Langeweile jedenfalls sehr gut vermitteln, sie ist spürbar geworden, ich habe mich mit ihr gelangweilt.
Er stellt sich so weit in den Hintergrund, dass er sich mit der Imitation, einer simplen Aufzeichnung der Umgangsform seiner Zeitgenossen begnügt. Er enthält sich jeder Kritik, vielmehr animiert er seine Leser dazu, zu kritisieren. Die Umgangsform seiner Mitmenschen besteht darin, den guten Ruf innerhalb der Gesellschaft zu wahren. Die Grenzen des Anstands müssen gewahrt bleiben, die ungeschriebenen Gesetze von Tugend und Moral müssen befolgt werden. Effi hat versucht, diese Grenzen einzuhalten, ohne zu ahnen, wie empfindlich die Richter bei deren Übertretung sind. Sie wird ausgestoßen, gemieden und nur der unvoreingenommene Hund wird ihr treu zur Seite stehen.

„Die Welt ist nun einmal wie sie ist, und die Dinge verlaufen nicht, wie wir wollen, sondern wie die andern wollen. Das mit dem ‚Gottesgericht’, wie manche hochtrabend versichern, ist freilich ein Unsinn, nichts davon, umgekehrt, unser Ehrenkultus ist ein Götzendienst, aber wir müssen uns ihm unterwerfen, solange der Götze gilt.“

Bezeichnend diese Warnung der Mutter an Effi: „Du gehst immer so allein. Unter unseren Leuten bist du sicher, aber es schleicht auch so viel fremdes Gesindel umher.“ Obwohl Effi mittlerweile eingesehen haben sollte, dass die Gefahr in den eigenen Reihen präsenter ist.

Für die erste Hälfte: 3/5
Für die zweite Hälfte: 5/5

Macht zusammen: :stern: :stern: :stern: :stern:

Gruß,
chip :wink:
chip
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