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Gotthelf, Jeremias - Die schwarze Spinne




Gotthelf, Jeremias - Die schwarze Spinne

Beitragvon chip » 09.09.2009, 10:01

Dort, wo der Mensch verzweifelt, erkennt der Teufel die Gelegenheit, um einen Handel abzuschließen. Die Not ist ein willkommener Anlass, um seine Seele zu verkaufen oder wie in diesem Fall, die Übergabe des nächstgeborenen ungetauften Kindes des Dorfes. Ist der Mensch übel dran, nimmt er jedes Angebot dankbar an. Übersteht er die Krise dann, will er von den „krummen Geschäften“ nichts gewusst haben.

Die Bauern des Dorfes leiden unter ihrem neuen Herrn, der Unmögliches von ihnen erwartet. Sie sollen zu einer Zeit, wo sie eigentlich die Äcker hätten bestellen müssen, hundert Birkenstämme zum Berg tragen. Sie befürchten bereits den winterlichen Hungerstod. In ihrer Hoffnungslosigkeit bietet der Teufel ihre Hilfe an, der sie anfangs widerstehen, doch mürbe geworden nach hilflosen Anstrengungen geht Christine, Frau eines Bauern, auf den Handel ein, der mit dem Kuss des Teufels besiegelt wird. Die Aufgabe des heidnischen Herrn erledigt sich nun wie von selbst, das Dorf kann sich wieder ihrer Ernte widmen, erleichtert atmet es auf, die Gefahr scheint abgewendet, es feiert lautstark. Als das erste Kind geboren wird, tauft man es sogleich, um den Teufel auszutricksen, doch rächt er sich in gewaltigem Ausmaße. An der Stelle, wo Christine den Kuss erhielt, kriecht unter ungeheuren Schmerzen eine schwarze Spinne hervor, die fortan für Schrecken im Dorf sorgt.

Eine erstaunlich gruselige Kurzgeschichte hat Gotthelf hier geschrieben. Stoff, aus denen Regisseure abendfüllende Horrorfilme drehen könnten. Spinnen lauern in dunklen Ecken, um sich auf die Opfer zu stürzen. Anfangs noch dankbar für Christines Entschluss, hat doch jeder vom Handel profitiert, wird sie nun gefedert und geteert. Sie ist der Sündenbock, wird ausgestoßen und geächtet. Diese gemeinschaftliche Schuldzuweisung findet man beispielsweise auch in der Nachkriegsliteratur wieder. Die Gesellschaftskritik ist Gotthelfs Anliegen. Schon in „Elsi, die seltsame Magd“ bleibt das Glück zweier Verliebte durch etwaige Skandalgeschichten und gekränkte Familienehre unerfüllt. Dabei geht er sehr gottesfürchtig vor. Solange der Mensch gottgefällig seiner Arbeit nachgeht, kann ihm nichts zustoßen. Diese Ehrfurcht vor Gott scheint die einzige Waffe gegen das Böse zu sein. Gotthelfs Frömmigkeit zieht sich durch die Kapitel, die aber zu keinem Zeitpunkt auf penetrante Weise dem Leser aufgedrängt wird.

Diese Novelle enthält drei Geschichten: Eine Rahmenhandlung, die eigentliche Legende und die Darstellung des Zustands 200 Jahre nach dem Unglück. Gotthelf schafft homogene Übergänge, eine brillante Konstruktion. Nach diesem Kunststück verzeiht man ihm die Verwendung schweizerischer Begriffe.
:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
chip
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von Anzeige » 09.09.2009, 10:01

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Beitragvon wolves » 09.09.2009, 10:14

Danke für deine Vorstellung, chip. "Die schwarze Spinne" hatten wir, Dank einer engagierten Deutschlehrerin, als freiwillige Zusatzlektüre in der Schule gelesen.
Ich kann mich leider nur noch dunkel an die Geschichte erinnern. Auf jeden Fall ein Buch, das ich unbedingt noch einmal lesen möchte.

Bei meiner Ausgabe gibt es eine Reihe von Kommentaren, die auch die schweizerischen Begriffe "übersetzen". War das bei deiner Ausgabe nicht der Fall chip? Ich frage nur nach, weil du diesen Punkt so hervorgehoben hast.
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon chip » 09.09.2009, 10:32

nein wolves, ich habe eine unkommentierte Ausgabe. Einige Wörter konnte ich noch zuordnen, andere hab ich notgedrungen überschlagen.
chip
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Beitragvon wolves » 09.09.2009, 11:59

Falls du magst, kann ich gerne das eine oder andere noch für dich nachschlagen.
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon chip » 11.09.2009, 12:32

Das Angebot ist lieb gemeint, wolves. Die Bedeutung vieler Begriffe kann man aus dem Zusammenhang erahnen. Notfalls hätte ich sie im Internet nachschlagen können, hinge das Verständnis des Textes von ihnen ab.
chip
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