Krümels-Bücherwelt ...

... ein Literaturforum der anderen Art

Mann, Thomas - Die Buddenbrooks




Beitragvon wolves » 01.03.2008, 08:24

Ich darf endlich loslegen mit schreiben :D

:arrow: bis einschließlich Zweiter Teil

Die "Buddenbrooks" gehören zu meinen Urgestein in meinem SuB. Bestimmt schon seit ca. 19 Jährchen schlummern sie angelesen friedlich im Regal. Abgebrochen weil ich damals überhaupt nicht mit den beschriebenen Personen klar kam und z.B. Tony am liebsten sonstwohin befördert hätte. Und den Verfall einer Familie fand ich damals eher depremierend als interessant.

Und jetzt lese ich (zumindest bis jetzt) ein ganz anderes Buch :shock: Wenn Krümel geschrieben hatte, Thomas Mann hat eine sehr schöne Sprache, hatte ich das zwar zur Kenntnis genommen, konnte es aber (verständlicherweise) nicht nachvollziehen. Dafür aber jetzt viel mehr!

Mann stellt auf eine recht interessante Weise die Familie vor. Und es passiert etwas, was ich überhaupt nicht erwartet habe, die Personen erscheinen mir vor meinem geistigen Auge. Und nicht nur das, sie erscheinen auf eine ironisch witzige (ich find dafür gar nicht das passende Wort) vor meinem Auge.

Ich habe schon das Erste Kapitel im Dritten Teil begonnen und da find ich ein dafür passendes Beispiel:

Und Klothilde, die mager und ältlich in ihrem geblümten Kattunkleide dasaß, las eine Erzählung, welche den Titel trug: Blind, taub, stumm und dennoch glückselig; zwischendurch schabte sie die Biskuitreste auf dem Tischtuche zusammen, worauf sie das Häufchen mit allen fünf Fingern ergriff und behutsam verzehrte.

Ich musste grinsen, als ich das zum ersten Mal gelesen habe. Ich seh die gute Klothilde richtig vor mir. Die Nichte des Hauses, aus Nettigkeit aufgenommen, ruhig und betulich, etwas altmodisch und altbacken in ihrer Art (schöner Gegensatz zu Tony)immer darauf achtend genügend zu Essen zu bekommen (wer das Buch bis dahin gelesen hat, der versteht was ich meine) und was weiß ich was mir da noch alles in den Sinn kommt, wenn ich diesen Satz lese.

Bei wikipedia gibt es noch einen interessanten Beitragzu den Buddenbrooks.

Kurz noch zu meiner Buchausgabe. Ich habe eine Taschenbuchausgabe vom Fischer Verlag aus dem Jahre 1988. Wo wir schon mal das Thema Taschenbücher und ihre Haltbarkeit hatten, dieses Exemplar hat schon einen Riß im Rücken und sieht doch schon etwas vergilbt aus. :wink: Zu seiner Verteidigung kann ich höchstens sagen, dass es schon 4 Umzüge mitgemacht hatte.
Liebe Grüße
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von Anzeige » 01.03.2008, 08:24

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Beitragvon Coco » 01.03.2008, 10:18

Wolves,

ich habe noch nicht angefangen .... wird wahrscheinlich noch ein paar Tage dauern, gerade habe ich wenig Zeit und Muße zu lesen .... sorry !
Liebe Grüsse
Coco

-----------

:studie:

Charlotte Bronte - Villette
Gerhard Henschel - Abenteuerroman
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Beitragvon wolves » 01.03.2008, 10:32

@Coco: kein Problem :D
Liebe Grüße
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Beitragvon wolves » 04.03.2008, 09:26

Ich habe diesen Teil jetzt beendet. Ich weiß, dass ich mich wiederhole, aber ich bin immer wieder erstaunt wie flüssig sich das Buch liest und wie interessant es ist. Ich habe schon einige Leserunden mitverfolgt bei denen ich meistens rauslesen konnte, wie langweilig das ganze wäre. Dem kann ich überhaupt nicht zustimmen. Wer natürlich Action erwartet, der ist mit dem Buch tatsächlich überhaupt nicht glücklich, aber wer eine gut erzählte Familiengeschichte lesen möchte und ein wenig mehr, schon eher.
Der Stil von Mann muss einem halt legen. Vielleicht auch nicht jedermanns Geschmack? Ich habe so das Gefühl, dass er an den Sätzen so lange gefeilt und geschliffen hatte, bis sie wie Edelsteine aussehen. Sprich, er hat sich viel Mühe gemacht, die man auf jeder Seite spürt.

Ich möchte jetzt nicht allzu sehr ins Detail gehen, aber ich bin sehr fasziniert davon, wie jede Person in diesem Buch ihr "Spiegelbild" hat. Spiegelbild in dem Sinn, dass der Charakter völlig gegensätzlich ist. Als Beispiel vielleicht Tony und Klothilde.
Tradition spielt in dieser Familie eine große Rolle. Man ist eine angesehene Kaufmannsfamilie und weiß was sich gehört und was nicht. Streckenweise ist das schon spaßig bis befremdlich von der heutigen Lebenssicht her gesehen.
Allerdings prägt einem nicht auch in unserer heutigen Zeit die Familie und die Umwelt? Und je nachdem welcher "Gesellschaftsschicht" man angehört, paßt man sich nicht doch an? Vielleicht nicht so extrem wie es z.B. bei den Buddenbrooks gerade der Fall ist, aber irgendwie schon.

Da es ja um den Verfall einer Familie geht, finde ich im übrigen schon die eine oder andere Bemerkung die darauf hinweist. Das Bild bröckelt :wink:
Liebe Grüße
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Beitragvon wolves » 07.03.2008, 09:15

:arrow: S. 281
Auch etwas was ich bei Mann so nicht erwartet habe, Humor und Satire. Ich könnte mich im Augenblick über die Darstellung von Permanender kringelig lachen. Ich seh die ganze Szene des bayerisch plaudernden Mannes im hohen Norden regelrecht vor mir. Am besten war noch, als das Dienstmädchen im schönsten Dialekt (den ich überhaupt nicht verstanden habe) ihn als jemand vorgestellt hatte, der kein Deutsch könne :lol:

Die immer größer werdende Abneigung zwischen Thomas und Christian, war unglaublich gut dargestellt. Man spürte regelrecht den Abgrund, der sich zwischen den beiden aufgetan hatte und der letztendlich zur räumlichen und geschäftlichen Trennung geführt hatte.
Christian weiß aber auch wirklich, wo er seinen Bruder am besten auf die Palme bringen kann. Ein recht guter Beobachter. Und alles andere als ein Kaufmann. In unserer heutigen Zeit wäre er wohl ein Schauspieler geworden. Leider zu dem Zeitraum in dem das Buch spielt, ein absolutes Ding der Unmöglichkeit. Ein Buddenbrook! und Schauspieler!, nein das wäre überhaupt nicht gegangen.

Madame Grünlich ( :mrgreen: ) war mir ja vor Jahren sehr sehr unsympathisch. Mittlerweile sehe ich das mit ganz anderen Augen. Ihre Vorstellung der Tradition ist eine andere, wie z.B. der von ihrem Bruder. Für sie steht das Representieren, das Äußerliche im Vordergrund. Und das führt sie mit aller Konsequenz und Ehrlichkeit durch.
Liebe Grüße
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Beitragvon wolves » 10.03.2008, 08:49

:arrow: Seite 342
"Es is halt a Kreiz. A Kreiz ist" werden wir wohl jetzt nicht mehr hören. Auch diese Ehe ist gescheitert.
Permanender ein interessanter Gegensatz zu Grünlich. So vornehm und windig der eine war, so gemütlich und direkt der andere. Man kann natürlich noch mehr rausarbeiten, aber ich denke, dass sagt schon ziemlich viel aus.

Diese zweite Ehe war im Grunde schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Es heißt zwar Gegensätze ziehen sich an, aber ohne etwas Gemeinsamkeit läßt es sich recht schlecht auf Dauer zusammenleben. Die Begründung von Tony wieso es ihr von Anfang an in München und in ihrer Ehe nicht gefallen hatte, ist ein interessanter Exkurs von Vorurteilen.
Liebe Grüße
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Beitragvon wolves » 12.03.2008, 09:59

:arrow: Seite 425
Als die Buddenbrooks ihr 100jähriges Firmenbestehen feiern, musste ich etwas über Tradition nachdenken. Mittlerweile habe ich in dem Buch eher das Gefühl, dass es Familienzwang ist. Thomas Buddenbrook steht ja unter einem enormen Erfolgsdruck. Ein Teil des Druckes macht er sich ja selbst, aber inwiefern könnte er dem tatsächlich entgehen? Ich erwarte jeden Moment seinen Zusammenbruch.

Hanno scheint ja eher musisch begabt zu sein, als kaufmännisch. Ich persönlich bin ja der Meinung, dass Kinder so zu nehmen sind wie sie sind und ihre Talente zu fördern. Aber in dieser kaufmännischen Tradition ist wohl ein musisch begabter Sohn, eher ein Fluch als Segen.
Liebe Grüße
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Beitragvon wolves » 12.03.2008, 13:56

Um meine Gedanken etwas fortzuführen, mir tut Hanno einfach nur leid. Nicht jeder ist zum Kaufmann geboren. Und der Druck den sein Vater auf ihn ausübt ist enorm.
Und dabei liebt Thomas Buddenbrook in seinem tiefsten Innern seinen Sohn. Nur kann er es überhaupt nicht zeigen bzw. läßt sich von seinem Wunschdenken wie sein Sohn sein sollte zu viel lenken.

Je näher das Ende des Buches rückt, umso mehr mache ich mir Gedanken über den "Verfall" einer Familie. Ich sehe eher den Konflikt zwischen Altbewährtem und Neuem. Dem akzeptieren können und nicht nachvollziehen können. Von daher kann man schon von einem Verfall reden. Dem Verfall von Tradition? Eine Familie ändert sich doch, das Leben ist doch in einem steten Fluss. Man kann doch nicht erwarten, dass die Nachgeborenen das gleiche Talent als Kaufmann haben. Und wenn man es so nimmt, wird es wohl (da hatte Hanno bei seinem symbolischen Eintrag ins Familienbuch eine Vorahnung) zu einem "Verfall" kommen.
Oder red ich jetzt nur noch Blödsinn?
Liebe Grüße
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Beitragvon wolves » 17.03.2008, 11:15

Und heute habe ich die Buddenbrooks zu Ende gelesen. Es gibt Bücher bei denen frägt man sich, warum man früher einfach keinen Zugang zu ihnen gefunden hatte und dieses Buch gehört für mich eindeutig dazu.

Interessanterweise hatte Thomas Buddenbrook in weiser Voraussicht verfügt, dass die Firma nach seinem Tode verkauft werden sollte. Endlich hat er wohl akzeptiert, dass er mit Johann keinen zukünftigen Kaufmann automatisch gezeugt hatte.
Um zum Titel zurückzukommen, die Familie fällt nicht nur auseinander. Sie hat auch buchstäblich keinen Erben mehr. Der letzte männliche Nachkomme, Johann Buddenbrook, ist an Typhus gestorben.


Mein Fazit über dieses Buch? Für mich war es sehr lesenswert und überraschenderweise sogar unterhaltsam. Zwei Sachen, die ich bei Thomas Mann nie erwartet hätte :oops: Herausstellen möchte ich die Sprache von Mann. Er spielt regelrecht damit.
Langweilig dürfte es wohl für diejenigen werden, die Action erwarten und keinerlei Sinn für Familiengeschichten haben. Da würde ich eindeutig von einem Griff zu diesem Buch abraten.
Ansonsten kann ich nur zum Griff zum Buch raten! Es lohnt sich, wenn man sich auf die Geschichte einläßt und gerne in einer schönen Sprache versinkt. Jedenfall habe ich es sehr genossen.

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Liebe Grüße
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Beitragvon Krümel » 17.03.2008, 11:54

Vielleicht sollte ich die "Buddenbrooks" doch noch einmal lesen! Vielleicht war es ein Fehler, sie nach dem "Zauberberg" zu lesen :grübel2:
Der "Zauberberg" ist so komplex, da kann eine Familientragödie einfach nicht mithalten.
Wenn ich Zeit und Muße habe, werde ich das sicherlich machen :D
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon wolves » 17.03.2008, 14:58

Tu das Krümel :thumleft: Und ich habe mir ganz fest vorgenommen, den "Zauberberg" noch eine dritte Chance zu geben. Und diesmal (mit all den guten Tipps die du schon darüber gegeben hast) werde ich es bestimmt schaffen. :D
Liebe Grüße
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Beitragvon Dr.Who » 18.05.2008, 22:20

Tja, Der Zauberberg und Dr.Faustus liegen bei mir auch noch auf dem SuB aber zu den Buddenbrooks kann ich nur sagen das sie jeder mal gelesen haben sollte wobei sie natürlich die Leserschaft wieder in zwei Lager spalten dürften.
Die einen werden nicht in die Gänge kommen bei diesem Buch weil im Grunde kaum etwas passiert und es schlicht nach Seite 200 langweilig wird, wärend die anderen (und ich darf mich zu jenen zählen) einfach nur angetan sein werden von diesem sehr kompackten und konsistenten Wortschatz der kein überflüssiges Wort im ganzen Buch zulässt.
Es ist, in anlehnung an Tucholsky, ein richtiges "Augenbuch". Schon lange hatte ich kein mehr so gut geschriebenes Buch in den Händen. :D
Dr.Who
 



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