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Nabokov, Vladimir - Verzweiflung




Nabokov, Vladimir - Verzweiflung

Beitragvon Katia » 07.10.2006, 17:31

[center]Vladimir Nabokov: Verzweiflung[/center]
[center]OT: Despair (engl. 1966) bzw. Ottschajanije (russ. 1932)[/center]

Inhalt: Hermann Karlowitsch, russischstämmiger Deutscher ist Schokoladenfabrikant in Berlin, verheiratet mit Lydia, die er selbst für naiv und ein bißchen dümmlich hält. Aus einer Reise nach Prag trifft er Felix, einen jungen Landstreicher, von dessen Ähnlichkeit mit sich selbst er sehr verblüfft ist. Daraus muß sich doch irgendwie Gewinn schlagen lassen, zumal seine Fabrik nicht besonders gut läuft... er plant ein Verbrechen, das er selbst für ein Kunstwerk hält.
Der Roman gibt sich als Werk Hermanns, eines von sich selbst überzeugten Mannes, der die Menschen seiner Umgebung (seine Frau, deren Cousin, einen mittellosen Maler) verachtet. Die Handlung wird nicht völlig chronologisch erzählt, eingestreut sind immer wieder Vorausblicke, aber auch Reflexionen über das Schreiben dieses Romans, wie alternative Kapitelanfänge, auch Pläne, wie er sein Meisterwerk veröffentlichen kann.

Meine Meinung: Ich mag Nabokov, auch wenn seine frühen (noch auf russisch geschriebenen) Werke nicht alle ganz an seine späteren (Pnin, Lolita) herankommen - ich mochte auch diesen Roman, bei dem ich die ganze Zeit beim Lesen das Gefühl hatte, dass sich Nabokov beim Schreiben sehr amüsiert haben muß. Hermann, in seiner grenzenlosen Selbstüberzeugtheit, verrät sich zwischen (seinen eigenen!) Zeilen immer wieder selbst in zentralen Dingen seines Lebens und auch der Handlung
z.B. dass seine Frau ihn mit Ardalion betrügt, er dies aber nicht merkt oder ignoriert. Ich vermute Letzters, denn es würde seine Eigenliebe zu sehr verletzen.
Der Romantitel, der so gar nicht zur Haltung des Helden zu passen scheint, bewahrheitet sich schließlich doch.

ch hatte Spaß an diesem Roman, bei dem sich wie immer bei Nabokov viele kleine Motive immer wieder vorkommen, kleine Anspielungen am Rande wie z.B. das Portait das Adelion malt und über dessen Ähnlichkeit mit Hermann die Protagonisten unterschiedlicher Meinung sind.
Es sind viele direkte und indirekte Anspielungen auf Dosto(jewskij) enthalten, einen Autor den Nabokov nicht besonders schätzt und in gewisser Weise ist "Verzweiflung" ein Antipode zu "Schuld und Sühne".
Darüberhinaus ist die krimihafte Handlung spannend, und zumindest mir war lange nicht klar, was Hermann eigentlich plant, deswegen hier auch kein Wort davon :)
Sicher nicht Nabokovs bester Roman, aber ein typischer und sehr lesenswert.

:stern: :stern: :stern: :stern:

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Beitragvon Krümel » 07.10.2006, 18:08

Dann habe ich ja rein per Zufall die beiden "guten" Romane hier liegen. Pnin hat mir sehr gut gefallen, dort steckt bestimmt sehr viel Autobiographies drin, oder Katia? Lolita werde ich demnächst noch lesen. Vielleicht werde ich danach so richtig heiß auf Nabokov :wink:

PS Gehört Nabokov nicht zur Weltliteratur?

edit Pippilotta: Ja, würde ich auch sagen, das hat er sich verdient :wink: und wird deshalb verschoben!
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Beitragvon Katia » 07.10.2006, 19:30

Hallo mein Lieben!

Ich hatte das Buch nicht zu den "Klassikern" gesteckt, weil es doch eher ein unbekanntes Werk ist. Übrigens wollte ich bestimmt nicht sagen, dass nur Pnin und Lolita "gut" sind (die übrigens recht unterschiedlich sind), für mich gehört zu Nabokov sein russisches Werk unbedingt dazu - und seine Autobiographie "Erinnerung sprich". Nebenbei sind es auch die bekanntesten, was Deinen "Zufall" erklären könnte :D

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Beitragvon Krümel » 08.10.2006, 12:54

Allerdings war mein Gedanke, nicht alle Bücher von einem großen Autor müssen immer Klassiker sein, die eher unbekannten Werke da zweifle ich. Vom "Leinwandmesser" haben bestimmt nur sehr, sehr wenige gehört, und da frage ich mich, kann das ein Klassiker sein?


Das habe ich im BT zum "Leinwandmesser" gesagt, weil es dort nur die Einteilung "Klassiker" gibt. Ich bin aber der Meinung, dass Tolstoi oder Nabokov insgesamt mit ihren Werken zur Weltliteratur gehören. Unterhaltungsliteratur würde mir ehrlich gesagt in der Seele wehtun :wink:


Katia, ich hatte "gute" extra in Anführungsstriche gesetzt, weil ich dich sehr gut verstanden hatte. Gleiche Beispiel meinerseits wäre: Die besten Werke von Th. Mann für mich sind: "Der Zauberberg" und "Der Tod in Venedig", aber deshalb ist "Buddenbrooks" und, und, und immer noch sehr lesenwert und gut :wink:
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon Karthause » 08.10.2006, 15:49

Danke, Katia, für deine Rezension. Damit rufst du mir Nabukov wieder in Erinnerung. 2007 werde ich mal seine "Lolita" in Angriff nehmen, das subt bei mir. Danach werde ich weitersehen. Denn auch dein jetzt vorgestelltes sortiere ich für mich als sehr lesenswert ein.
Viele Grüße
Karthause

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