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Sei Shonagon - Das Kopfkissenbuch der Hofdame Sei Shonagon




Sei Shonagon - Das Kopfkissenbuch der Hofdame Sei Shonagon

Beitragvon wolves » 31.05.2008, 07:56

Das Buch hat den Ruhm eines klassischen Werkes der japanischen Literatur. Es entstand ca. 1000 Jahre n. Chr. während der Heian-Zeit (898 bis 1186 n. Chr.) Eine Zeit in der die japanische Literatur ihren Aufschwung erfuhr.

Über die Autorin weiß man eigentlich nur, dass sie Hofdame der Kaiserin Sadako war, in deren Dienst sie ungefähr in ihrem 26. Lebensjahr eingetreten ist. Sei Shonagon war nur ihr Rufname bei Hofe, ihr richtiger Name ist leider nicht bekannt. Ihr Vater war ein damals sehr bekannter Dichter gewesen, vielleicht genoss sie aus diesen Gründen schon recht jung eine hohe literarische Bildung. Sie galt als eine äußerst gebildete und sehr intelligente Frau ihrer Zeit.
Nachdem sie den Palast verlassen hatte, verlief der Rest ihres Lebens im Dunkel.
Vielleicht noch etwas zu dem besonderen Leben im Palast der damaligen Zeit. Es galt als normal nachts aufzubleiben und den Tag zu verschlafen. Man verbrachte seine Zeit mit Gedichte verfassen, mit der Ausbildung in allen Künsten und mit religiösen Feierlichkeiten. Interessanterweise überhaupt nicht mit Politik.

Ein „Kopfkissenbuch“ ist eine Art Notizbuch im damaligen Japan. Ein Buch in dem man nur persönliche Dinge hineinschreibt.
Die Kaiserin Sadako bekam als Geschenk ihres Bruders einen dicken Stapel Papiers geschenkt, wusste aber nicht so recht, was sie damit anfangen sollte. Sei Shonagon riet ihr ein Kopfkissenbuch daraus zu machen. Die Kaiserin war begeistert von diesem Vorschlag und schenkte Sei Shonagon den Stapel Papier, weil sie es besser nutzen würde, als sie selbst.
Das besondere an diesem Kopfkissenbuch ist, dass die Autorin sich nicht an einem Gegenstand länger aufhält, sondern verschiedene Eindrücke und Gedanken wiedergibt. Soweit ich es verstanden habe, gilt sie als erste Autorin einer neuen literarischen Gattung.

Aber was macht jetzt die Faszination dieses Buches aus? Es sind die verschiedenen Gedanken und Beschreibungen eines Lebens bei Hofe. Man fühlt den Schleier von Jahrhunderten aufgehoben und blickt auf das damalige Leben als wäre man unmittelbar dabei. Erstaunlich wie so mancher Gedanke von damals auch in unsere heutige Zeit trifft. Wenn mir auch so manches fremd erscheint bzw. einfach fremd erscheinen muss, weil ich ja einem ganz anderen Kulturkreis angehöre.

Der Wermutstropfen des Buches ist, dass leider nur 2/3 Drittel des Kopfkissenbuches ins Deutsche übersetzt wurde. Angeblich wären 1/3 Drittel des Inhaltes für den europäischen Leser nicht verständlich. Ganz ehrlich so etwas ärgert mich irgendwie. Ich kann nur hoffen, dass irgendwann auch das letzte Drittel übersetzt und uns zugänglich gemacht werden wird.

Da mir eine Bewertung nach Sternen einfach schwer fällt, werde ich es diesmal lassen.

Bild

Gebundene und Taschenbuch Ausgabe: 307 Seiten
Verlag: Manesse
ISBN-10: 3717513648
ISBN-13: 978-3717513643
Liebe Grüße
wolves


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von Anzeige » 31.05.2008, 07:56

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Beitragvon tom » 31.05.2008, 08:23

Überaus interessante Vorstellung! Das muss ich wohl mal im Hinterkopf speichern...
tom
 

Beitragvon Katia » 31.05.2008, 09:53

Von mir auch ein herzlicher Dank - diese Rezi passt gerade wunderbar für mich, weil Manguel in seinem "Tagebuch eines Lesers" auch dieses Buch liest.

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Beitragvon Emuna » 01.06.2008, 08:20

Vielen Dank wolves. Interessante Vorstellung.
Der Wermutstropfen des Buches ist, dass leider nur 2/3 Drittel des Kopfkissenbuches ins Deutsche übersetzt wurde. Angeblich wären 1/3 Drittel des Inhaltes für den europäischen Leser nicht verständlich. Ganz ehrlich so etwas ärgert mich irgendwie. Ich kann nur hoffen, dass irgendwann auch das letzte Drittel übersetzt und uns zugänglich gemacht werden wird.

Das finde ich auch ärgerlich. Ich verstehe, dass die Denkweise
zum Teil so unterschiedlich ist, dass ein Europäer nicht oder nur ansatzweise verstehen würde, wie dies oder jenes gemeint ist, aber versuchen die Stellen zu umschreiben konnte man wohl.
Jetzt bin ich auf dieses unübersetztes Teil noch neugieriger als auf
das ganze Buch. :mrgreen:
Emuna
 

Beitragvon wolves » 01.06.2008, 09:11

Emuna hat geschrieben:Jetzt bin ich auf dieses unübersetztes Teil noch neugieriger als auf
das ganze Buch. :mrgreen:

Was glaubst du wohl, wie es mir geht :mrgreen: Man stellt sich ja sonst was vor was da "zensiert" wurde. :lol:
Zumal es ja ansonsten Anmerkungen zu dem einen oder anderen Teil im Buch ja gab, also verstehe ich so eine Art von "Zensur" noch weniger :roll:

@Katia: Das ist ja ein witziger Zufall! Was sind seine Eindrücke von dem Buch?
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon Katia » 01.06.2008, 09:51

Manguel meinte, das Buch sei ihm empfohlen worden "weil Du Listen so magst". Er sagt von sich selbst, dass er fragmentarisch denkt und das in diesem Buch wieder findet. Er lobt die Poesie der Sprache, dass sie Stil hat, obwohl es viel um Klatsch geht, bezeichnet darin Jane Austen als ihre Erbin.

Da es seine Lieblingsbücher sind, die er wiederliest, gibt es nicht wirklich so etwas wie eine Beurteilung, aber es ist klar, dass er das Buch sehr schätzt. Von Kürzungen erwähnt er übrigens nichts, weil er es nicht weiß? Es ihn nicht stört? Oder weil er englisch, spanisch oder französisch liest (wird nicht erwähnt) und seine Ausgabe nicht gekürzt ist?

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