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Twain, Mark - Knallkopf Wilson




Twain, Mark - Knallkopf Wilson

Beitragvon mombour » 25.04.2010, 15:24

Mark Twain: Knallkopf Wilson

Lobenshymne auf einen Knallkopf

Mark Twains im Jahre 1894 erstmals erschienender Roman „Knallkopf Wilson“, in Vergessenheit geraten, ist zum 100. Todestag wieder erschienen, und wir gucken gleich mal hin, wie der Roman auf amerikanisch heißt, ah...“Pudd'nhead Wilson", so üngefähr heißt das „Matschbirne“, wäre ja noch lustiger gewesen als „Knallkopf“, aber belassen wir es bei Knallkopf, der als David Wilson um das Jahr 1830, als er noch keine Matschbirne gewesen war, an den Mississippi ins kleine Kaff Dawson's Landing kam und durch eine verschrobene seltsame Äußerung beim Volk nur noch als Knallkopf durchging, die Betitelung Zeit seines Lebens behalten hätte, wäre er nicht durch einen Prozess, Sherlock Holmes wäre tief beeindruckt gewesen, zum Helden geworden, und Sherlock Holmes sowieso im Neide erblasst gewesen wäre, weil Knallkopf Wilson schon die Technik des Fingerabdrucks beherrscht hatte, die noch offiziell nicht erfunden war, erst „in Francis Galtons „Fingerabdrücke“ (Finger Prints, London 1892) der Öffentlichkeit vorgestellt“, wie uns das Nachwort von Manfred Pfister aufklärt, den Leuten von Dawson's Landing dies alles aber schnurzegal, hiellten sie doch Wilsons Sammeln von Fingerabdrücken für kindisch und närrisch, bis sie halt ungefähr zwanzig Jahre später, als Rechtsanwalt David Knallkopf Wilson seinen genialen Prozess geführt hatte, danach es so eben ausgeschaut hat, David Wilson an sich niemals ein Knallkopf gewesen war, sondern die Matschbirnen eher im Volke herumliefen, Mark Twain sich über solch eine Spekulation, wie sie mir gerade im Hirn dämmerte,aber repektvoll verschwieg, da man David Wilson ja irgendwie doch durchaus respektiert hatte, nur seine Karriere als Rechtsanwal lange Zeit verspielt gewesen war, und es musste erst ein Wunder geschehen, bis alle Vorurteile gegenüber dem angeblichen Knallkopf zermatscht waren.

Was sonst noch los ist

„Dawsons's Landing war eine Sklavenhalterstadt“, die Mulattin Roxana dort im Hause eines Weißen versklavt, zwei Babies aufzuziehen hatte: Tom hieß das ihre, Chambers das ihres Herrn und nun kommt eben der Clou des ganzen: Roxana galt als Negerin, obwohl sie phänotypisch Weiß aussah, ihr Kind blondgelockt und blauäugig, also der Tom so weiß aussah wie Chambers, und ihre Herrschaft, weil sie die Kinder sowieso nicht genau anschauten, Roxana deswegen die Kinder leicht vertausche konnte, weil ihr Tom, der als Neger galt, später nicht an die Südstaaten verkauft werden sollte, die Südstaaten nämlich Roxana ein fürchterliches Unbehagen bereiteten, da dort die Sklavenhaltung wesentlich brutaler war, dieses Schicksal ihrem Sohn ersparen wollte, Roxana den Babies also nur die Kleider tauschen brauchte, auf diese Weise Tom zu Chambers wurde und Chambers zu Tom, deswegen das Kind der Herrschaft in die Sklaverei geschickt wurde, Roxanas weißhäutiges Negerkind als freier Mensch leben durfte, was allerdingst nicht ohne Probleme von Statten ging, weil Chambers, der nun Tom hieß, von Roxana sehr verzärtelt und verwöhnt wurde, als Erwachsener ein ruppiger, rücksichtsloser Mensch wurde, sich gegenüber seinem Bruder, der doch der Weiße war, herrisch aufführte, im Leben sonst dieser Tom liederlich war und sich verschuldete.

Auf Grundlage des Babytausches windet sich eine Handlung zusammen, die hanebüchen, einfach unfassbar ist, in der Mark Twain, und das verdeutlicht auch nochmal der Plot der Geschichte, ausdrücken möchte, dass nicht die Herkunft eines Menschen für dessen Entwicklung entscheidend ist, sondern die Sozialisation, wie ein Mensch aufwächst. Mit dem Babytausch führt Twain den Rassismus und die Sklavenhaltung ins ad absurdum, auch deswegen, weil Roxana und ihr Baby weiß aussehen.
Mark Twain hat geschrieben:Eigentlich war Roxy so weiß, wie man nur sein konnte.


Epilog

Es ist nun unmöglich auszumachen, ob Knallkopf Wilson, oder Roxana und Tom die Hauptpersonen sind. Alle sind gleichbedeutend für den Roman, allerdings Wilson, und das finde ich merkwürdig, über längere Zeit aus dem Roman herausgleitet, und später dann wieder auftaucht. Auch wenn die Romanhandlung bis in die letztenWinkel logisch aufbauend ist, deshalb auch kein Verriss zu erwarten ist, ist der Aufbau des Romans doch zu hinterfragen. Er ist eher szenisch gesetzt, der Faden zwar nicht aus dem Auge gelassen wird, weil die Szenen sich aufeinander aufbauen, mir aber der Eindruck hinterlassen wird, der Roman sei zu zerstückelt. Das andere, und ich weiß nicht, ob Mark Twain dass immer so macht, entscheidene Handlungen werden sehr kurzbündig erzählt, die Spannung erst zum Schluss hin angetrieben wird, der Roman deshalb einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt, trotzdem Zwiespalt, bzw. Doppelgängerei bei Mark Twain allerdings nichts Ungewöhnliches ist, und sich ohne weiteres eine Gestalt vom Knallkopf zum Helden dehnen kann, aus Weiß Schwarz werden soll und umgekehrt. Der Wilson, der ja nicht gerade eine gematschte Birne hat, schreibt an einem Almanach/Kalender, dessen Kostproben der Leser vergnüglich lesen kann. Darunter auch Zwiespältiges:

"Warum freuen wir uns bei einer Geburt und trauern bei einem Begräbnis? Weil wir nicht die Person sind, um die es geht.
Knallkopf Wilsons Kalender"


:stern: :stern: :stern:

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von Anzeige » 25.04.2010, 15:24

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Re: Twain, Mark - Knallkopf Wilson

Beitragvon mombour » 25.04.2010, 16:55

Hallo,

Danke, dass jemand das Bild hineingesetzt hat. Wenn ich das mache, werden die Covers neuerdings zu groß abgebildet.

Liebe Grüße
mombour
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Re: Twain, Mark - Knallkopf Wilson

Beitragvon Pippilotta » 25.04.2010, 17:25

bitte, gern geschehen, no problem. :wink:
Herzliche Grüße
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