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Vargas Llosa, Mario: Der Geschichtenerzähler




Vargas Llosa, Mario: Der Geschichtenerzähler

Beitragvon mombour » 16.12.2010, 17:08

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Mario Vargas Llosa: "Der Geschichtenerzähler"

Mit diesem Roman hat Mario Vargas Llosa den Indios im Amazonasgebiet ein Denkmal geschaffen Erzählt wird von den Machiguenga, einem Naturvolk, welches abseits der zivilisierten Welt im peruanischen Urwald lebt.

Der Ich- Erzähler befindet sich in Florenz, will sich einige Monate Dante und Machiavelli widmen, und der Renaissancemalerei. Doch sein Vorhaben gerät ins Schleudern, weil er in einer Galerie Fotografien entdeckt, die ihn geistig in den heimatlichen Urwald zurückwerfen. Fotos halbnackter Menschen, Kanus, auf Pfählen erbaute Hütten. Was für ein Zufall, dass er hier in Florenz Fotografien über die Machiguenga entdeckt, diesen Indios, für die er sich schon sehr lange interessiert, seitdem er sich mit seinem Studienfreund, einen angehenden Ethnologen, über sie ausgetauscht hat. Das war 1958. Inzwischen gilt der Studienfreund Saúl Zuratas als verschollen. 1981 begibt sich der Erzähler des Romans auf Reisen in den peruanischen Urwald, dem Geheimnis des machiguengischen Geschichtenerzählers auf der Spur zu kommen.

Mario Vargas Llosa lässt lange auf sich warten, bis er dem Geschichtenerzähler der Machiguenga auf der Spur kommt. Und das ist gut so. In dem Roman wird zu zu einer geheimnisumwitternden Gestalt, der Leser sich ständig fragen muss, ob er überhaupt existent oder vielleicht eine Gestalt indianischer Mythen ist. Für mich als Leser bleibt übrigens offen, ob der Geschichtenerzähler an sich eine Erfindung von Mario Vargas Llosa ist. Sicher ist nur, die Machiguenga haben eine Sprache entwickelt und haben ihre eigenen Mythen, von denen der Roman reichlich Zeugnis ablegt. Der Autor hat Mythen und Lieder der Machiguenga gelesen, die Padre Joaquin Barriales gesammelt hat. So wird dem Leser die Möglichkeit gegeben, in die Gedankenwelt und Vorstellungen dieses Volkes einzutauchen. Selbstverständlich ist das ziemlich ungewohnt, wenn wir zivilisierte Leser Mythen primitiver Völker lesen, da unser Denken nicht vergleichbar mit diesen, doch hier können wir mal ethnologisch schnuppern. Raffiniert ist Vargas Llosa, wenn er einer Mythe christlichen Einflluss gibt, haben doch eifrige Christen der Mühen nicht gescheut, im Urwald zu missionieren. „Es war die Wahrheit, Sohn von Trasurinchi ist er, der Atemhauch von Trasurunchi wird er sein, er ist Trasurinchi selbst. Alle drei Dinge zusammen, also.“

Das große Thema des Romans ist der Aufprall der Zivilisation auf die Naturvölker im Amazonasgebiet. Die Zivilisation bedroht die Primitiven. Sollte man diese Völker nicht einfach so leben lassen, wie sie immer gelebt haben, oder soll ihn den Segen, bzw. Fluch und Segen der Zivilisation bringen, d.h., sie aus der Natur herausholen? Dieses große Thema Perus wird zwischen Saúl Zuratas und dem Ich-Erzähler durchdiskutiert.

Mario Vargas Llosa hat geschrieben:Sollten sechzehn Millionen Peruaner auf die natürlichen Ressourcen von drei Vierteln ihres Territoriums verzichten, damit die sechzig- oder achzigtausend Amazonas-Indianer einander seelenruhig weiterhin mit Pfeilen abschießen, Schrumpfköpfe herstellen und die Boa constrictor anbeten konnten.?

Schon dieses Zitat macht deutlich, wie tief dieses Thema auf den Nerv von Peruanern trifft. Dieser Roman gilt als der peruanischste von Varguritas' :mrgreen: Romanen. Wir, die wir schon immer in der Zivilisation weit weg vom Urwald leben, tragen solche Problematiken nicht im Bewusstsein. Für mich war es sehr faszinierend, in die Welt der Machiguenga einzutauchen. Solch ein Roman schärft das Bewusstsein für fremde Kulturen.

Liebe Grüße
mombour
Thomas Hardy: Herzen in Aufruhr
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von Anzeige » 16.12.2010, 17:08

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