Krümels-Bücherwelt ...

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Ishiguro, Kazuo - Was vom Tage übrig blieb




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Ishiguro, Kazuo - Was vom Tage übrig blieb

Beitragvon Welf » 22.10.2007, 15:04

Ishiguro, Kazuo – Was vom Tage übrigblieb


Beschreibung Amazon:

Stevens dient als Butler auf Darlington Hall. Er sorgt für einen tadellosen Haushalt und ist die Verschwiegenheit in Person: Niemals würde er auch nur ein Wort über die merkwürdigen Vorgänge im Herrenhaus verlieren. Er stellt sein Leben voll und ganz in den Dienst seines Herrn. Auch die vorsichtigen Annäherungsversuche von Miss Kenton, der Haushälterin, weist er brüsk zurück. Die Jahre vergehen, Stevens lebt ergeben in seiner Welt, bis ihn eines Tages die Vergangenheit einholt. „Was vom Tage übrigblieb®“ ist ein gesellschaftskritischer Roman, erzählt von jemandem, der sich eine solche Kritik nie erlauben würde, und eine wunderschöne, traurige Liebesgeschichte, erzählt von einem, der nie auch nur ahnte, dass er geliebt hat.


Über den Autor
Kazuo Ishiguro, 1954 in Nagasaki geboren, kam 1960 nach London, wo er Englisch und Philosophie studierte. Schon sein Erstling "Damals in Nagasaki" wurde mit dem Winifred-Holtby-Award der Royal Society of Literature ausgezeichnet. Es folgten zahlreiche weitere Preise und Auszeichnungen: u.a. der Whitbread Award und der Cheltenham Prize. 1989 erhielt er für seinen Weltbestseller "Was vom Tage übrigblieb", der von James Ivory verfilmt wurde, den Booker Prize. Kazuo Ishiguros Werk wurde bisher in 28 Sprachen übersetzt. Der Autor lebt mit Frau und Kind in London.

Meine Meinung:

Dem Leser wird die Geschichte aus Sicht des in die Jahre gekommenen Butlers Stevens erzählt. Er befindet sich auf einer Reise in den Südwesten Englands, in deren Verlauf wir in Rückblenden aus seinem Leben auf Darlington Hall erfahren.
Stevens, für den Begriffe wie Loyalität, Ehre, Pflichtbewußtsein und nicht zuletzt Würde stets als Maßstäbe für sein Denken und Handeln gestanden haben, muss sich selbst immer mehr eingestehen, daß sein Weltbild immer mehr ins Wanken gerät. Doch selbst der Tod seines Vaters vermag es nicht, den Panzer seines Pflichtgefühls gegenüber seinem Dienstherren zu brechen.
Der von ihm gelebte Berufsethos erlaubt ihm nicht, die Vorgänge die sich zu jener Zeit auf Darlingten Hall ereignen, in Frage zu stellen.

Auch die Sympathie für Miss Kenton, der Hausdame, drängt er,ob des Bewußtseins der von ihm selbst aufgestellten Reglementierungen bezüglich des Personals, in den Hintergrund.
Und doch schimmert das Licht seiner Zuneigung immer wieder durch den Vorhang seiner spröden Unnahbarkeit.
Als er es dann Jahre später schafft, sich nicht mehr selbst im Wege zu stehen, bleibt das, was für ihn vom Tage übrig bleibt, letztlich doch nur eine unerfüllte Hoffnung.

Dies ist ein Buch der leisen, aber sehr nachhaltigen und eindringlichen Worte und Botschaften, welche
mich noch Stunden bzw. Tage danach noch beschäftigt haben.

Für mich eines meiner Highlights in diesem Jahr.

Darum :
:stern: :stern: :stern: :stern: (:stern:)

Bild
Welf
 

von Anzeige » 22.10.2007, 15:04

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Beitragvon alwin03 » 22.10.2007, 19:28

Hier komm ich nochmal drauf zurück. Brauch nur etwas Zeit.

Danke für die Rezi!!!
Ich lese zur Zeit:

--------------------------------------- ???


wENN nUr meinE sCHleChte recht(s)SchreIbunG nICHT wÄr :cry:
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Beitragvon tom » 22.10.2007, 22:16

Ich selber war fasziniert von diesem Buch (und allen von Ishiguro), insbesondere in der Darstellung der unbewussten, bzw. irgendwie "blinden" (aber deswegen etwa unschuldigen???) Teilnahme an den Machtspielen im Haus durch Stevens, der Kritik an der Auffassung von "Pflicht", sowie der "Abweisung" (Nicht Sehen Können!?) der frei angebotenen Liebe durch Miss Kenton. Ich finde, dass diese Auseinandersetzung mit der "Schuldfrage" nicht nur für den in Grossbritanien lebenden Autor, sondern auch angesichts seines japanischen Ursprungs einen nicht nur "englischen"Rahmen hat. Vielleicht sind wir nun in Deutschland ja etwas weiter gerückt in diesen Fragen, doch für mich hatte das in der Vergangenheit auch einen starken Bezug zu unserer Geschichte (in Deutschland). Für mich ist dieses Buch DAS Beispiel schlechthin, wie man als braver, pflichterfüllender Mensch abrutschen kann in die schlimmsten Verirrungen. Stellt man den Roman in den Kontext der 30 und 40iger in England wird klar, dass Ishiguro m.E. jene Grundzüge einer Gesellschaft und von Personen beobachtet, die den Faschismus hat zulassen können. Ich musste später öfters denken, dass Ishiguro als Japaner sicherlich in diesen Fragen daheim war, sich ihnen stellen musste, schmerzlichst.
Danke an welf, dass Du dieses Buch hier vorstellst. Es gehört für mich zu den besten überhaupt! Und von einem Autor, den ich äußerst gespannt verfolge!
tom
 

Beitragvon alixe » 18.01.2009, 11:38

Großbritannien. Nachkriegszeit. Der alte englische Butler Stevens fährt mit dem eleganten Ford seines neuen amerikanischen Dienstherrn zu einer früheren Arbeitskollegin. Die Reise dauert mehrere Tage und Stevens hat Zeit und Muße über seine Vergangenheit und sein Leben als Butler bei seinem früheren Gebieter, Lord Darlington, der sich vor Beginn des zweiten Weltkrieges, in faschistische Machenschaften einließ, nachzudenken…

Ein Roman, von vielen begeistert gelesen, mir mehrmals empfohlen, lässt mich etwas verwirrt zurück.

Eine schöne Geschichte? Zweifellos. Doch glaube ich nicht, dass es Ishiguros Absicht war, eine schöne Geschichte zu schreiben. Stevens, der entsprechend einem vollkommenen Klischee eines Butlers dargestellt wird, könnte auf Satire schließen lassen. Doch dazu fehlt dem Roman Biss, Humor und Malignität. Seiten und Seiten werden verschwendet um die Pedanterie, Blindheit und Naivität des Butlers zu beschreiben, zu belegen und zu bestätigen.

Ein Gesellschaftsroman? Wie viele Lords und Butler gab es im Großbritannien Anfang und Mitte des vorigen Jahrhunderts? Nicht allzu viele, nehme ich an, und solche, die ihren Herren so sklavisch untergeben waren wie Stevens, wahrscheinlich noch viel weniger. Die Haut ist näher als das Hemd und der Mensch lässt sich nur unter Zwang, Drohung und Gewalt zum Untertanen verdammen, eher selten ein Leben lang aus purer Blindheit und Naivität.

Viele gute Ansätze beinhaltet der Roman: Stevens äußert sich in verschiedensten Definitionen zum Thema Würde und doch ist sein Begriff von Würde genau der Gegenteil von der wahren Bedeutung des Wortes.
Mit seinen Unschuldsbeteuerungen, er würde nie an Türen lauschen, wäre an keinen Gesprächen interessiert und würde aus Loyalität nichts verraten, entlarvt er eigentlich seine Scheinheiligkeit, denn er hört und sieht doch alles und nicht nur durch Zufall. Er erlebt die menschenverachtenden Folgen des nationalsozialistischen Gedankenguts seines Arbeitgebers und schweigt. Nicht aus Überzeugung, nicht aus Angst, einfach aus Ergebenheit und Treue???
Und hier wird die Geschichte unstimmig. Wird Stevens‘ Unterwürfigkeit als Entschuldigung für sein Mitlaufen benutzt? Repräsentativ für alle Mitläufer des Faschismus? Soviel Trivialität darf nicht sein…

Und die Erkenntnis am Ende? Das einzige Augenzwinkern im ganzen Roman: Ohne Humor ist das Leben sinnlos, doch nicht um sich das Leben einfacher und angenehmer zu machen, sondern das Leben der Dienstherren. Von einem Entwicklungsroman, kann also auch keine Rede sein…
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Beitragvon Krümel » 18.01.2009, 12:36

Prima geschafft, und? Darf sie nun ins Blog? Darf ich auch deinen richtigen Vornamen nutzen?
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon alixe » 18.01.2009, 13:12

Krümel hat geschrieben:Prima geschafft, und? Darf sie nun ins Blog? Darf ich auch deinen richtigen Vornamen nutzen?


Krümel, du darfst fast alles... :wink:
Also: zweimal JA.

herzlichst: alixe
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Beitragvon Katia » 18.01.2009, 13:35

alixe hat geschrieben:Und hier wird die Geschichte unstimmig. Wird Stevens‘ Unterwürfigkeit als Entschuldigung für sein Mitlaufen benutzt? Repräsentativ für alle Mitläufer des Faschismus? Soviel Trivialität darf nicht sein…


Nein, das denke ich nicht. Erstens wird Stevens Unterwürfigkeit nicht als Entschuldigung sondern höchstens als Erklärung verwendet. Zweitens verallgemeinert Ishiguro nicht auf alle Mitläufer.
Ich überlege gerade, aber ich denke, ich hab' den Roman als Psychogramm in erster Linie eines Individuums gelesen, mit Charakterzügen, die sich auf seinen Lebensentwurf "Butler" übertragen lassen, natürlich aber auch auf allgemeinere Situationen.
Vielleicht wollte Ishiguro auch seine japanische Herkunft verarbeiten, das sich persönlich in der Öffentlichkeit zurücknehmen, das Gesicht wahren, keine Miene verziehen ist ja etwas das man den Japanern auch zuordnet und mit den Geishas gibt es ein Berufsbild, das sich einem ähnlichen Ethos von "Würde" verschreibt.

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Beitragvon alixe » 18.01.2009, 14:14

Katia hat geschrieben:Nein, das denke ich nicht. Erstens wird Stevens Unterwürfigkeit nicht als Entschuldigung sondern höchstens als Erklärung verwendet. Zweitens verallgemeinert Ishiguro nicht auf alle Mitläufer.


Auch als Erklärung kann ich es schwerlich als glaubhaft akzeptieren.

Katia hat geschrieben:Ich überlege gerade, aber ich denke, ich hab' den Roman als Psychogramm in erster Linie eines Individuums gelesen, mit Charakterzügen, die sich auf seinen Lebensentwurf "Butler" übertragen lassen, natürlich aber auch auf allgemeinere Situationen.
Katia


Dafür ist er mir zu karikaturartig gezeichnet und ich sehe hier keine Übertragungsmöglichkeit auf andere, allgemeine Situation.

Katia hat geschrieben:Vielleicht wollte Ishiguro auch seine japanische Herkunft verarbeiten, das sich persönlich in der Öffentlichkeit zurücknehmen, das Gesicht wahren, keine Miene verziehen ist ja etwas das man den Japanern auch zuordnet und mit den Geishas gibt es ein Berufsbild, das sich einem ähnlichen Ethos von "Würde" verschreibt.
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Tut mir leid, Katia, auch wenn ich deine Überlegung interessant finde, ist sie mir zu weit hergeholt. Sogar, wenn man diesen Aspekt in Betracht ziehen würde, genügt er mir nicht, um die vollkommene Untertänigkeit zu erklären. Stevens ist Butler in England und das im 20. Jahrhundert.

herzlichst: alixe
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Beitragvon Katia » 18.01.2009, 14:43

Will er denn diese Untertänigkeit erklären? (Ich kann mich nicht erinnern, meine aber, keine Ansätze dazu im Buch gelesen zu haben) Will er nicht die Auswirkungen beschreiben?

Ich sehe schon Übertragungsmöglichkeiten seines (natürlich überzogen dargestellten) Charakters, z.B. die Erkenntnis am Ende eines Lebens, dass die Ideale an die man geglaubt hat, Falsche bewirkten oder falsch waren.
Aber auch die Konfliktsituationen à la Lenz' "Deutschstunde", wo man zwischen Pflichtgefühl und - ja, wie soll ich diesen Kontrapunkt nennen? - seinen menschlichen Überzeugungen entscheiden muss.

Tatsächlich hab' ich mir die Frage (die, wenn ich das richtig lese, der Kern Deiner Kritik ist), ob diese Figur Stevens realistisch ist, ob es solch unterwürfige Menschen tatsächlich zu dieser Zeit unter diesen Umständen gegeben hat, nicht so stark gestellt habe. Stevens erkauft sich mit seiner "freiwilligen Versklavung" einen hohes Ansehen unter den anderen Angestellten und auch seiner Umwelt; er eifert dem Vater nach.
In ihrer ganzen Konsequenz halte ich ihn für eine überzeichnete (aber nicht karikaturhafte) Person, deren Grundsätze durchaus noch verbreitet waren.
LautCitizendium gab es in den 40er Jahren noch 30.000 Butler.

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Beitragvon marilu » 18.01.2009, 15:33

alixe hat geschrieben:
Katia hat geschrieben:Vielleicht wollte Ishiguro auch seine japanische Herkunft verarbeiten, das sich persönlich in der Öffentlichkeit zurücknehmen, das Gesicht wahren, keine Miene verziehen ist ja etwas das man den Japanern auch zuordnet und mit den Geishas gibt es ein Berufsbild, das sich einem ähnlichen Ethos von "Würde" verschreibt.
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Tut mir leid, Katia, auch wenn ich deine Überlegung interessant finde, ist sie mir zu weit hergeholt. Sogar, wenn man diesen Aspekt in Betracht ziehen würde, genügt er mir nicht, um die vollkommene Untertänigkeit zu erklären. Stevens ist Butler in England und das im 20. Jahrhundert.

herzlichst: alixe

Hallo ihr beiden, ich hoffe, ihr habt nichts dagegen wenn ich mich kurz einmische. Katias Überlegung ist nicht aus der Luft gegriffen. Ich zitiere mich mal selbst (aus der Leserundezum Roman):

marilu hat geschrieben:Am Wochenende (10.04.08 ) habe ich mir den Film zum Buch gekauft und angeschaut. Bei den Extras findet sich auch ein "Making of", in dem Ishiguro zu Wort kommt. Er sagt selbst, dass Teil seiner Motivation war, einen Menschen zu zeigen, der in eine unruhige Zeit hineinwächst, den Traditionen verpflichtet ist und den Autoritäten Glauben und Gehorsam schenkt. Als Nachkriegskind sei er froh, keine Entscheidung über Gehorchen und Parieren vs. Widerstand treffen zu müssen. Die vorherige Generation musste das aber sehr wohl - eine zentrale Frage in seinem Schaffen ist daher: Wie hätte ich reagiert? Wie reagiert der Durchschnittsmensch auf unmenschliche Bedingungen?
Sein japanischer Hintergrund ist sicher Teil der Motivation, aber man darf auch nicht vergessen, dass er seit seinem 6. Lebensjahr in England lebt und somit westlichen Einflüsse sein Leben sicher mitbestimmten.

Ich habe den Roman weniger als Rechtfertigung für die Untertänigkeit verstanden als vielmehr den traurigen Lebensbericht einer Person, die in einer Zeit des Umbruchs an alten Werten und Gesellschaftsformen hängt und zu schwach ist, sich dem Neuen anzupassen. Einer Person also, die sehr wohl erkennt, was vorgeht, aber es nicht schafft eine neue Lebensdoktrin für sich selbst zu erschaffen, weil er das Gefühl hat, damit seine Vergangenheit zu verraten und für nichtig zu erklären. Gerade Japan und Großbritannien sind Länder mit starken hierarchischen Strukturen. Außerdem meine ich mich zu erinnern, dass im ausgehenden 19. Jahrhundert und beginnenden 20. Jahrhundert der Determinismus mit seinen starren Regeln, festgefügten Positionen im Leben einzelner, fehlenden Wahlmöglichkeiten in der Lebensgestaltung usw. gerade in GB sehr verbreitet war. Es ist eine Denkrichtung aus der man nur schwer ausbricht und Stevens scheint sich darüber zu identifizieren.

Ich schließe mich Katias Aussage an:
Katia hat geschrieben:Will er denn diese Untertänigkeit erklären? (Ich kann mich nicht erinnern, meine aber, keine Ansätze dazu im Buch gelesen zu haben) Will er nicht die Auswirkungen beschreiben?

Die meisten Romane Ishiguros, die ich bisher gelesen habe, konzentrieren sich auf Auswirkungen und Beobachtungen weniger auf Analysen und Wertungen. Mir persönlich gefällt es, dass der Autor somit dem Leser die Chance gibt, das Gelesene zu verarbeiten und zu deuten.

Und nein, da stimme ich dir eindeutig zu @alixe: "Was vom Tage übrig bleibt" ist definitiv kein Entwicklungsroman!
Scharfsinnig bin ich von Montag bis Freitag. Übers Wochenende leiste ich mir den Luxus der Dummheit.
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Beitragvon alixe » 18.01.2009, 17:20

Ich wusste ja, dass ich hier nicht einfach so davonkommen würde.... :mrgreen:

Nein, nicht er will sie erklären, ich habe es mir so erklärt, so gedeutet…
Ich habe nirgendwo behauptet, Ishiguro hätte irgendwelche Analysen gemacht, sollte es so rüber gekommen sein, dann habe ich mich missverständlich ausgedrückt.

An alten Werten und Gesellschaftsformen hängen? Das kann doch nur jemand, der das Leben eines Herrschers, aber nicht eines Dieners geführt hat. Ausbeutung und Erniedrigung als Prestige zu erleben? Die Szene, als Stevens zu der Gesellschaft eingeladen wird und politische Fragen beantworten soll, die er jedoch nicht beantworten kann oder beantworten will, zeigt doch die effektive Meinung der Herrschenden. Und dem soll ein Butler nachtrauern? Nein, das ist nicht glaubwürdig.
Ich stelle ja nicht die Existenz einer stark hierarchisch geprägten Gesellschaft in Frage, die ist ein Faktum, doch die schon dogmatische Akzeptanz dieser Struktur will sich mir nicht eröffnen.

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Beitragvon tom » 18.01.2009, 18:46

Nicht zum ersten Mal, liebe Alixe, schimmert meines Erachtens in Deinen Statements Dein tolles Freiheitsgefühl und hohe Meinung (Erwartung?) vom/an den Menschen durch. Ich finde das toll.

Aber ich denke, dass hinter der Fassade der Geschichtlichkeit, die vorüber zu sein scheint, Ishiguro durchaus etwas beschreibt, das universellen Bezug hat. Ich behaupte schlichtweg mal, dass auch heute, hinter allen Fassaden der ach so großen Freiheit, die meisten Menschen relativ froh sind, dass ihnen manche Entscheidungen abgenommen zu sein scheinen. Dass auch hinter vielem Gestikulieren soviel Unfreiheit steckt...

NATÜRLICH gibt es das Glück des Herdentiers...: vielleicht ist das XX. Jahrhundert nun wirklich ein Beispiel dafür.
(Alixe: vielleicht nicht die FESTSTELLUNG von Gegebenheiten verwechseln mit unserem WUNSCH, bzw. dem ANSPRUCH, den wir an unser Menschsein stellen?)
tom
 

Beitragvon alwin03 » 18.01.2009, 21:17

Wenn ich mich jetzt parteilich entscheide, dann stell im mich zu Tom.

Zu Tom`s Worten kann ich eigentlich nur: DITO
sagen :wink:
Ich lese zur Zeit:

--------------------------------------- ???


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Beitragvon alixe » 18.01.2009, 21:51

tom hat geschrieben:Nicht zum ersten Mal, liebe Alixe, schimmert meines Erachtens in Deinen Statements Dein tolles Freiheitsgefühl und hohe Meinung (Erwartung?) vom/an den Menschen durch. Ich finde das toll.


Danke Tom, aber ich glaube, so positiv ist mein Menschenbild nicht, auch wenn du mit dem Freiheitsgefühl nicht Unrecht hast.
Wie der Zufall es so will habe ich meinen Harenberg-Kalender noch auf Freitag stehen, an 16. Januar wäre Aleksandar Tišma 85 Jahre alt geworden, weshalb ihm das Kalenderblatt gewidmet ist...langer Rede kurzer Sinn, unter seinem Foto steht:
"Es gibt zwei Lebensweisheiten: Die eine ist den Lebensbedürfnissen unserer eigenen Existenz gewidmet, die andere der Vernichtung der Existenz anderer", so das Credo des jugoslawischen Schriftstellers Aleksandar Tišma

Ich denke, es steckt viel Wahrheit in dieser Aussage und deshalb kann (oder will) ich nicht an die freiwillige Untertänigkeit glauben, außer sie ist vorgetäuscht, um sich Privilegien zu verschaffen.

Am Glück des Herdentiers zweifle ich keineswegs, doch auch hier wiederum, aus Selbstschutz, aus Feigheit, aus Bequemlichkeit, aus Überheblichkeit und meinetwegen auch aus Dummheit, aber doch nicht aus Überzeugung...meine ich.

pfff, alwin, wenigstens kurz könntest du mich neben mich stellen... :mrgreen:

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Beitragvon Krümel » 18.01.2009, 22:12

alixe hat geschrieben:Am Glück des Herdentiers zweifle ich keineswegs, doch auch hier wiederum, aus Selbstschutz, aus Feigheit, aus Bequemlichkeit, aus Überheblichkeit und meinetwegen auch aus Dummheit, aber doch nicht aus Überzeugung...meine ich.


Ich teile wohl deinen Freiheitssinn, obwohl ich das Buch nicht gelesen habe, kann ich aber deinen o.g. Worten nichts entgegenstellen, sondern ich teile sie.
Untertänigkeit ist für mich ganz klar eine Schwäche der Menschheit.
BildLiebe Grüße,
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