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Braddon, Mary Elizabeth – Lady Audley's Geheimnis




Braddon, Mary Elizabeth – Lady Audley's Geheimnis

Beitragvon marilu » 27.07.2010, 23:42

Originaltitel: Lady Audley's Secret (1862)

“Lady Audley's Geheimnis” ist ein perfektes Beispiel für den im 19. Jahrhundert beliebten Sensationsroman in England - ACHTUNG - IMMENSER SPOILER!!! Lesen auf eigene Gefahr...
eine unglückliche Frau versetzt die Leserschaft durch Ehebruch, Geisteskrankheit, Bigamie, Verführung, Mord und Identitätswechsel in Aufregung.

Der Roman lässt sich leicht lesen und ist sehr spannend geschrieben – ohne sich mit Geistererscheinungen und langwierigen religiösen Abhandlungen aufzuhalten, die man in so vielen anderen Werken der Zeit antrifft.

Ohne zuviel verraten zu wollen, hier die grobe Handlung:

Lucy Graham zieht die Aufmerksamkeit von Lord Michael Audley auf sich, der sie heiratet und ihr somit den Aufstieg aus der Arbeiterklasse in den Landadel ermöglicht. Gemeinsam mit seiner Tochter Alicia aus erster Ehe führen sie ein ruhiges Leben auf dem Familiensitz bis sich der Lord Michaels Neffe Robert zu Besuch ankündigt. Robert wird von seinem Freund George Talbot begleitet, der bei Robert wohnt seit er nach Rückkehr aus Australien erfahren hat, dass seine Frau Helen während seiner Abwesenheit verstorben ist. Obwohl zumindest Robert sehr bestrebt ist, seine neue Tante kennenzulernen, ergibt sich die Chance erst sehr spät. Doch als Alicia die beiden jungen Herren zu einer Hausbesichtigung einlädt, verfallen beide dem Porträt der jungen Ehefrau – und lassen sich wie der Rest der Welt von ihrer Schönheit bannen. George zeigt sich erstaunlich erregt.

Am nächsten Tag begeben sich die beiden auf eine Anglerpartie. Während Robert einschlummert, stiehlt sich George gen Audley House und erkundigt sich nach der Hausherrin. Dies soll das letzte Mal sein, dass er gesehen wird. Robert, der nicht glauben kann, dass sein Freund ihn so schmählich im Stich lassen und ohne Abschiedsworte verschwinden würde, versucht das Rätsel zu entschlüsseln. Was er entdeckt, klingt nach Groschenroman, ist aber sehr geschickt geschrieben und öffnet dem Leser Einblick in seine Ermittlungsarbeit als Hobbydetektiv, sein moralisches Grundgerüst und eine Gesellschaft, in der man sich fragen müsste, wie Geschlechterrollen definiert sein sollten und wie sie in Wirklichkeit beschaffen sind.

Mir hat “Lady Audley's Secret” sehr gut gefallen und in dem Roman steckt mehr als nur eine sensationelle Handlung. Erstaunlich feministisch und kritisch für die Zeit, zudem veröffentlicht von einer Frau, bot es dem breiten Publikum sicher mehrere Steine des Anstosses.

Das Ende hat mich etwas abgestossen – ist aber gewiss seiner Zeit geschuldet. Im letzten Absatz nimmt die Erzählerin leichtfüssig Kritikern den Wind aus den Segeln und lässt den Leser selbst darüber entscheiden, wie er das letzte Kapitel deutet.

Alles in allem: eine brilliante Neuentdeckung für mich. Mary Elizabeth Braddon hat insgesamt mehr als 80 Publikationen verfasst – da findet sich sicher noch das ein oder andere im Laufe der Jahre auf meinem SUB wieder...

:stern: :stern: :stern: :stern: / :stern:

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Re: Braddon, Mary Elizabeth – Lady Audley's Geheimnis

Beitragvon Pippilotta » 28.07.2010, 06:17

Du hast mich absolut neugierig gemacht, schon alleine wegen des Spoilers!
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Re: Braddon, Mary Elizabeth – Lady Audley's Geheimnis

Beitragvon Casoubon » 28.07.2010, 07:14

Danke, marilu, für die Rezi - die Neugierde hat auch mich gepackt und so habe ich es mir bereits in der Bibo vorbestellt.
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Re: Braddon, Mary Elizabeth – Lady Audley's Geheimnis

Beitragvon wolves » 28.07.2010, 08:51

Ja, der Spoiler macht wirklich neugierig. :D
Liebe Grüße
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Re: Braddon, Mary Elizabeth – Lady Audley's Geheimnis

Beitragvon marilu » 29.07.2010, 07:25

Teehee... :mrgreen:
Im Spoiler steht nichts was man nicht auch in dem englischen Wikipedia-Eintrag zu "sensation novel" finden wuerde. Aber da wirklich fast alles davon auf "Lady Audley" zutrifft und Basis von Verdaechtigungen und Triebfeder ist, wollte ich es halt nicht so oeffentlich machen.

Ich kannte die Handlung uebrigens bereits bevor ich das Buch gelesen habe und kann nicht sagen, dass es mir das Lesevergnuegen verdorben haette. Vielleicht hat es mich sogar manche Dinge kritischer betrachten lassen. Da Leser aber veerschieden sind, fand ich den Spoiler einen hoeflichen Kompromiss. Nicht, dass mich Spoiler jemals davon abgehalten haben, den Inhalt zu lesen... :grübel:

Uebrigens habe ich letzte Woche die Verfilmung von 2000 gesehen und kann euch nur abraten: das war unterirdisch. Alles was den Roman besonders macht, wurde in den Dreck gezogen. Statt einer Literaturverfilmung hatte ich das Gefuehl in einer schlechten Seifenoper gelandet zu sein. Ich will gar nicht darueber reden. Schuettel...
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