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Dostojewski, Fjodor - Aufzeichnungen aus dem Kellerloch




Dostojewski, Fjodor - Aufzeichnungen aus dem Kellerloch

Beitragvon Krümel » 12.01.2012, 13:56

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Wegen der verstaubten Übersetzung ist die Anaconda Ausgabe, übersetzt von Hermann Röhl (übertragene Ausgabe von 1921 des Insel Verlags „Aus dem Dunkel der Großstadt“) nicht gerade angenehm zu lesen!

Der Protagonist erzählt aus seiner selbstgewählten Einsamkeit heraus über sein Leben. Er schimpft auf den Menschen und zählt all seine Untugenden auf: Genusssucht, Hass, Neid, Eitelkeit, Stolz, Überheblichkeit und Feigheit. Der erste Teil „Das Dunkel“ ist eine Auflistung solcher Garstigkeiten und der unendlichen Langeweile, wenn man in der Untätigkeit gefangen sitzt.

>>Ich übe mich im Denken, und folglich zieht bei mir jede uranfängliche Ursache sofort eine andere noch tiefer liegende Ursache hinter sich her, und so weiter bis ins Unendliche. Darin besteht eben das Wesen aller Erkenntnis und allen Denkens.<<

Im zweiten Teil „Bei nassem Schnee“ berichtet er dann, wie es zu diesen Rückzug gekommen ist: Er war wohl schon immer ein Sonderling, nicht äußerlich, sondern eher geistig, hat seine Welt um sich herum erkannt, die Schlechtigkeit gesehen, und sich vehement geweigert dort mitzumischen. Sein Leben schwankt zwischen Misanthropie und der Not dieser Einsamkeit zu entkommen, sich dem Menschen zuzuwenden.

Dabei zeigt dieser unbekannte Protagonist so wunderbar auf, welche Gemeinheiten in uns stecken, redet zynisch und böse und hält uns den Spiegel vor.

Ganz zum Schluss hätte er vielleicht aus dem Kellerloch heraus gekonnt, da war eine seelenverwandte Hand. Doch leider gab er das Treten von oben nach unten, die verletzende Erniedrigung, die er seit Kindesbeinen erlebt hatte, dann weiter.

>>Ich verstand eben nicht, dass sie absichtlich den Spott als Maske gebrauchte, dass dies der gewöhnliche letzte Kunstgriff schamhaft und keusch empfindender Menschen ist, in deren innerstes Empfinden sich jemand in roher, rücksichtsloser Weise eindrängt, und die sich aus Stolz bis zum letzten Augenblick nicht ergeben und sich scheuen, vor einem Fremden ihre Empfindungen zu äußern.<<

Diese kleine Novelle ist auch ein Anspielung auf den Leser überhaupt. Wie weit entwickeln wir uns zu diesem X, kapseln uns ab und leben lieber in der Vergeistigten-Welt als unter Menschen, die uns nicht verstehen wollen und können. Ich denke, jeder von uns hier, der eine mehr, der andere weniger, schafft sich seinen eigenen Raum und das ist auch gut so. Natürlich sollte man dabei das Leben neben der Kunst/Literatur noch wahrnehmen und leben. Diese Novelle stellt zwar eine arge Übertreibung dar, aber sie hält uns so humorvoll den Spiegel vor.

>>Jetzt ist es mir vollkommen klar, dass ich selbst infolge meiner grenzenlosen Eitelkeit und, im Zusammenhang damit, infolge der maßlosen Ansprüche, die ich an mich selbst stellte, mich sehr häufig mit einer grimmigen, bis zum Ekel gehenden Unzufriedenheit betrachtete …<<

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Re: Dostojewski, Fjodor - Aufzeichnungen aus dem Kellerloch

Beitragvon Susannah » 14.01.2012, 10:50

Vielen Dank, Krümel, für die Vorstellung! Dieses Buch subt schon seit einiger Zeit bei mir. Ich liebe ja Dostojewski und habe auch schon einiges von ihm gelesen, aber das eben noch nicht. Ich denke, ich werde es auf meinem SUB mal ein bisschen höher wandern lassen, damit es dieses Jahr noch drankommt.
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Re: Dostojewski, Fjodor - Aufzeichnungen aus dem Kellerloch

Beitragvon Krümel » 14.01.2012, 11:24

Prima Susannah. Hast du denn auch schon die Dämonen gelesen?
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Re: Dostojewski, Fjodor - Aufzeichnungen aus dem Kellerloch

Beitragvon Susannah » 14.01.2012, 15:40

Ja, hab ich. Und ich glaube, gleich nach den "Karamasov-Brüdern" war das mein liebster Dosto.
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