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Feuchtwanger, Lion - Jud Süß

17.03.2008, 16:33

Die Bühne dieses Romans ist das Land Württemberg während der Regierungszeit des Herzogs Karl Alexander, die Zeit zwischen 1733 bis 1737, allerdings mit dem Fokus auf dessen kleinen jüdischen Finanzberater Joseph Süß Oppenheimer gerichtet, der seinem Meister demütig ergeben Geld und Frauen besorgt und so das Vertrauen zu seinem Vorteil stetig ausbaut. Berechnend und äußerst geschickt gewinnt er an Macht und Einfluss, flutet die Kassen des Landes durch Steuereintreibungen, nebenbei auch die eigenen Taschen. Eiskalt quetscht er das Land bis aufs Blut aus. Sein Einfallsreichtum kennt hier keine Grenzen. Ihm ist bewusst, dass er der eigentliche Regent ist, denn während der Herzog durch seine Position in seinen Handlungen eingeschränkt ist, kann der titellose Süß sich austoben. Das Volk leidet sichtlich darunter, verteufelt den Juden, der Antisemitismus im Land lodert neu auf. Die Neider im Hof unterstützen diesen Hass, intrigieren, manipulieren, jedoch mit mäßigem Erfolg.

Joseph Süß könnte sich von dieser Zielscheibe freikaufen, indem er zum Christentum übertritt. Seine Eitelkeit und sein Stolz verweigern ihm diese Möglichkeit, ist er doch der erfolgreichste Jude in der Geschichte.

Wenn er jetzt so hoch ist und sehr in Glanz, dass die, welche sonst Israel anspucken und mit Füßen treten und sich den Ärmel wischen, wenn sie an einen Juden gestreift sind, den Rücken rund machen müssen und seinen Staub lecken: ist das nicht Rache? Heut liegt er, der Jud, über dem Land und saugt von seinem Blut und wird fett von seinem Mark.

Vom ganzen Treiben, den Intrigen, den Machtkämpfen und der Ausblutung des Landes soll eine Person verschont bleiben: Süß’ Tochter Naemi. Süß hält sie in einer Hütte versteckt bei seinem Onkel und Kabbalisten Gabriel. Als der Herzog dieses Geheimnis zugespielt bekommt und ihren Tod herbeiführt, bricht Süß zusammen. Jetzt arbeitet er mit rachgieriger Verbissenheit am Sturz des Herzogs.

Feuchtwanger hat hier ein spannendes, aufwühlendes Historienspektakel geschaffen, überaus bilderreich beschrieben, verschwenderisch im Benutzen von Adjektiven, um das Bild so genau wie möglich abzubilden. Sehr aufschlussreich werden die machthungrigen Bestien am Hofe, die Christianisierung des Landes und der brodelnde Judenhass dargestellt. Und letztlich wird ein Kapitel deutscher Geschichte erzählt, wenn man von fiktionaler Dramatik einmal absieht.
:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

Gruß,
chip

Bild

17.03.2008, 16:33

17.03.2008, 16:49

Ach, chip, weißt du wie viele Jahre dieses Buch ein total vernachlässigtes SuB-Dasein bei mir fristet? Jetzt wo ich deine Bewertung sehe, wird es dringender. Vielleicht findet sich in dieser Runde noch der eine oder andere, dem es ebenso ergeht wie mir. Danke für deine schöne Rezi.

17.03.2008, 17:13

Ich habe es auf meine Wunschliste gesetzt 8)

17.03.2008, 17:21

Keine Ahnung ob ich es jemals lese, oder wenn ich beginne, es jemals zu Ende lese.
Dank Deiner Rezi ist es zumindest auf meiner Wunschliste gelandet.

Danke @chip

17.03.2008, 18:44

Wie oft bin ich an diesem Buch vorbeigelaufen, habe den Titel gelesen, gehört? Und wußte doch nichts vom Inhalt! Keine Ahnung, ob ich es nun mal lesen werde, doch endlich habe ich dank Chip einen Eindruck von diesem Buch!

17.03.2008, 21:04

Ich würde es gerne im Spätsommer lesen, eine LR würde mich freuen :D

18.03.2008, 13:16

tom hat geschrieben:Wie oft bin ich an diesem Buch vorbeigelaufen, habe den Titel gelesen, gehört? Und wußte doch nichts vom Inhalt! Keine Ahnung, ob ich es nun mal lesen werde, doch endlich habe ich dank Chip einen Eindruck von diesem Buch!


Das kann ich voll unterstreichen, weil es mir ähnlich geht. Vielleicht schließe ich mich der Leserunde dann an @Krümel.

18.03.2008, 17:42

Bei einer solchen Leserunde wäre ich auch dabei! :D

18.03.2008, 19:10

Hmm, ich frage mich schon lange, ob dieses Buch etwas mit dem Nazi-Propaganda-Film "Jud Süss" zu tun hat ???

Hat jemand dazu Informationen ?

18.03.2008, 19:49

Ich glaube Feuchtwangers Roman war in der Tat die, von den Nazis allerdings stark verzerrte, Vorlage des Films.

18.03.2008, 20:43

Das sagt die Wikipedia zum Film:

Das Drehbuch wurde zunächst frei nach einer Novelle von Wilhelm Hauff gestaltet und später mehrfach umgearbeitet. Eine Verbindung zum gleichnamigen Drama und Roman von Lion Feuchtwanger besteht nicht.

Josef Süß Oppenheimer ist eine historische Gestalt.

Das sagt die Katia zum Buch:

Ich mag Feuchtwanger und ich mag dieses Buch, auch wenn ich mich (Schande auf mein Haupt) nicht mehr wahnsinnig gut daran erinnern kann. Schließe mich der Empfehlung aber unbedingt an.

Katia

18.03.2008, 22:05

Danke für die Info !

Hmmm, Asche auf mein Haupt - ich hätte ja auch mal selbst googeln können. :oops:

19.03.2008, 06:51

Hallo zusammen,

Soviel Begeisterung und sogar eine LR wird in Aussicht gestellt. :oops:

tom hat geschrieben:Und wußte doch nichts vom Inhalt!

Ehrlich gesagt, ich auch nicht. Ich hatte immer gedacht, der Titel sei ein Frauenname, ähnlich wie "Effi Briest". 'Jud' mit Juden zu verbinden ist mir gar nicht in den Sinn gekommen.

@Coco: Der Film hat nichts mit dem Nazi-Film gemein. Trotzdem hätte ich da mal Lust reinzuschauen. Nur um die Technik der Propaganda-Maschinerie mal in Augenschein zu nehmen.

Gruß,
chip

19.03.2008, 09:18

Man lernt nie aus! :D

20.05.2008, 21:38

Vorschlag für diese Leserunde wäre:

10. Oktober 2008

Wäre das in Ordnung?
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