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Jerofejew, Wenedikt - Die Reise nach Petuschki




Jerofejew, Wenedikt - Die Reise nach Petuschki

Beitragvon wolves » 13.10.2008, 07:15

Über den Autor hat ja tom schon ausführlich geschrieben, deshalb spare ich mir das an dieser Stelle.

Das Buch wird als die "hochprozentigste Sauftour der Weltliteratur" bezeichnet.

Der Inhalt ist relativ schnell beschrieben, der Trinker Jerofejew steigt mit einem Koffer voll Schnaps in den Vorortzug von Moskau nach Petuschki um dort zu seiner Geliebten zu fahren. Während dieser Zugfahrt wird eine Menge Alkohol konsumiert, man steigert sich regelrecht in den Rausch hinein. Es wird schwadroniert, gelallt und philosophiert. Um den Klappentext zu zitieren: "Von Station zu Station und von Flasche zu Flasche werden Wenedikts Monologe und sein Gedankenaustausch mit den mittrinkenden Reisegefährten aberwitziger und geraten zu einer Demontage aller moralischen und geistigen Werte."

Und da begann meine Schwierigkeiten mit dem Buch. Mir war buchstäblich zuviel Alkohol im Spiel. Da wird auf jeder Seite gesoffen, dass man sich wundert, das der Protagonist überhaupt noch etwas von sich geben kann. Klar, der Autor will unter anderem darauf aufmerksam machen, wie groß das Alkoholproblem in Rußland ist, natürlich verpackt er auch seine Kritik an das Regime zwischen den Zeilen. Und es gibt auch eine Menge Anspielungen an Werke der Weltliteratur. Nur konnte mich das alles nicht mehr packen.
Ich hatte ja selbst schon das Gefühl beim lesen immer besoffener zu werden. Und so habe ich das Buch ca. in der Mitte abgebrochen.

Und trotzdem irgendwie hatte es auch etwas faszinierendes an sich. Da ich jetzt ja mehr ahne auf was ich mich einlasse, werde ich bei einem Zweitversuch mit einer etwas anderen Einstellung an das Buch gehen. Logik und Realität darf man nicht unbedingt erwarten, sondern irgendetwas in Richtung Surrealismus.

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Liebe Grüße
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von Anzeige » 13.10.2008, 07:15

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Beitragvon tom » 13.10.2008, 08:26

Danke für Deine ersten Eindrücke, wolves.

Nu, ich "ahnte" ja, dass es Dir etwas zu alkoholisch würde..., aber ich denke, dass man neben einem realistischen Touch dieses Problems vor allem die Winke und Querverweise auf die russische, bzw. sowjetische Geschichte erahnen könnte. Wenn sich so viele Russen bei der Veröffentlichung in diesem Buch angesprochen fühlten, dann wohl nicht nur wegen des Alkohols, sondern weil hier einer unter dem Deckmantel einer Reise die sich ergebenen Kontakte mit verschiedenen Kumpanen ausarbeitet.
Aber was erzähle ich groß von diesem Buch? Ich muss es erst einmal selber lesen, und das will ich möglichst bald tun!
tom
 

Beitragvon wolves » 13.10.2008, 08:50

Wenn sich so viele Russen bei der Veröffentlichung in diesem Buch angesprochen fühlten, dann wohl nicht nur wegen des Alkohols, sondern weil hier einer unter dem Deckmantel einer Reise die sich ergebenen Kontakte mit verschiedenen Kumpanen ausarbeitet.


Genau aus diesem Gefühl heraus, wollte und möchte ich dem Buch noch mal eine Chance geben. Vielleicht schließe ich mich dir dann einfach an, wenn du es liest. :D
Liebe Grüße
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Beitragvon Dr.Who » 08.11.2009, 13:44

Heissa und juhu, was für ein Schelmenstück.
Kinder und Narren sagen ja bekanntlich die Wahrheit da jedoch Jerofejew weder das eine noch das andere ist erhebt er einfach die Narretei zur Wissenschaft und doziert ohne unterlass.
Sein Alkoholspiegel wird von Kilometer zu Kilometer von gar wahnwitzigen Mischungen alkoholischer und alkoholhaltiger Substanzen und Wässerchen noch mehr angefacht bis er gegen Ende hin ins Delirium fällt und in eine surreale Gedankenwelt sich treiben lässt in der er auch, einer Einbahn gleich, gefangen bleibt.
Bis zu jenem absoluten Limit jedoch ist es eine fröhlich, tragischkomische aber auch erschreckend intelligente Sauftour die einen nicht nur einmal hellauf lachen lässt. Spätestens wenn man zur Schaffung einer neuen Ordnung dem Niederländischen König (Olaf) eine Kriegserklärung per Post zustellen lässt und von nun an auf die Bomber wartet…die jedoch nie kommen.
Mit wortwitziger Gewalt nimmt er sich und sein damaliges Umfeld (Ende der 60er) ins Gebet und liest in der russischen Seele wie in einem offenen Buch.
Natürlich sollte man sich eine gewisse Vorliebe fürs Russische bewahren um auch wirklich alles zu verstehen aber auch wenn man nur einen gelegentlichen Ausflug in die Zeitgenössische Literatur des wilden Ostens machen will bietet sich dieses Büchlein sehr gut an.

Ein Klassiker zum immer wieder lesen.
Dr.Who
 

Beitragvon wolves » 09.11.2009, 08:38

Hast du schön ausgedrückt, Dr. Who :D
Liebe Grüße
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