Krümels-Bücherwelt ...

... ein Literaturforum der anderen Art

Katherine Kressmann Taylor - Adressat unbekannt




Katherine Kressmann Taylor - Adressat unbekannt

Beitragvon marilu » 24.01.2007, 20:27

Das Buch hat mich völlig aus der Bahn geworfen.

Inhalt:

Der Briefroman umspannt die Zeit von November 1932 - März 1934. Die beiden Freunde und Geschäftspartner Martin Schulse und Max Eisenstein stehen miteinander im Briefkontakt, nachdem Martin aus San Francisco nach München zurückkehrt.

Aus den ersten Briefen wird deutlich, wie sehr die beiden einander verbunden sind: sie vertrauen sich ihre Geheimnisse an, herzen sich und sprechen ehrlich miteinander.
Im März 1933 äußert Martin noch Zweifel an Hitler, erfreut sich aber auch der Aussicht, dass Deutschlands "Geschichte auf ein weißes, neues Blatt geschrieben" werden wird. Er verfällt dem "hysterischen Befreiungsrausch", tritt in die Partei ein, macht Karriere in einem Regierungsposten und verkehrt mit dem Landadel. Ihm geht es gut. Doch mit welchen Folgen und auf wessen Kosten?

Innerhalb kürzester Zeit verfällt Martin der Propaganda. Er saugt sie förmlich auf und begegnet seinem ehemaligem Freund kalt und herzlos. Als er sagt, dass "wir [...] das bittere Brot der Scham und die dünne Suppe der Armut gegessen" haben, wird klar, dass er seine ehemaligen Ideale durch die Verführungen der Zeit ausgetauscht hat. Er identifiziert sich mit einem Lebensstil, den er nie kennengelernt hat.

Mehr mag ich an dieser Stelle nicht verraten, denn das was folgt, ist voller Emotionen! Ich möchte nicht zuviel verraten.

Zum Buch (dem Nachwort entnommene Informationen):

"Adressat unbekannt" von Katherine Kressmann Taylor erschien erstmals 1938 in der Zeitschrift "Story". Innerhalb von zehn Tagen war die gesamte Auflage vergriffen. 1939 wurde der Briefroman bei Simon / Schuster als Buch herausgegeben.

1992 druckte "Story" die Geschichte erneut ab und erzeugte erneut eine große Resonanz.

Meine Meinung:

Eigentlich mag ich so kurze Bücher nicht, weil ich meist dann mit den Personen warm geworden bin, wenn das Ende vor mir steht. Aber hier ist nicht ein Wort zu wenig und zu viel verwandt worden.

Die Pointe, sofern man davon sprechen kann, jagte mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken.

Besonders bitter wird wohl jedem aufgestoßen der folgende Satz aufgestoßen sein:

"Dem Himmel sei dank, dass er [Hitler] ein wahrer Führer ist und nicht ein Engel des Todes."

Absolut empfehlenswertes Büchlein mit brisanter und schockierender Handlung! Es ist zwar schnell gelesen, aber der Effekt hallt nach!

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

Bild
Scharfsinnig bin ich von Montag bis Freitag. Übers Wochenende leiste ich mir den Luxus der Dummheit.
- Henry Slesar: Die siebte Maske -
Benutzeravatar
marilu
Hilfskrümel
Hilfskrümel
 
Beiträge: 2183
Registriert: 23.04.2006, 20:46
Wohnort: Hannover

von Anzeige » 24.01.2007, 20:27

Anzeige
 

Beitragvon Pippilotta » 24.01.2007, 20:32

Ich muss gestehen, dass ich noch nie von diesem Buch bzw. dieser Autorin gehört habe :oops:

Aber das Buch scheint wie für mich geschrieben, ich habe es mir notiert!
Es wäre vielleicht auch ein Tipp für eine gemeinsame Lektüre anlässlich einer Lesenacht? Gesprächsstoff ergibt es sicher zur Genüge!
Herzliche Grüße
Pippilotta


T.C. Boyle - Wenn das Schlachten vorbei ist

Life is what happens to you while you are busy making other plans (Henry Miller)
Benutzeravatar
Pippilotta
Superkrümel
Superkrümel
 
Beiträge: 4894
Registriert: 19.04.2006, 16:52
Wohnort: ... im Himmel ...

Beitragvon Karthause » 24.01.2007, 22:19

Upps, nur 61 Seiten. Aber ich habe ja bei der Olmi gelernt, dass es nicht auf die Länge ankommt. :wink:

Das Buch finde ich schon sehr interessant. Morgen gehe ich in die Bibliothek, da werde ich mal schauen. Wenn sie es dort nicht haben, werde ich es wohl bestellen.

Auf jeden Fall, erst mal vielen Dank, für deine Rezi, marilu. :D

edit: Ich habe von dieser Autorin auch noch nie etwas gehört.
Viele Grüße
Karthause

Mein Blog

Fliegen kannst du nur gegen den Wind.
Benutzeravatar
Karthause
SuB-Betreuerin
SuB-Betreuerin
 
Beiträge: 7199
Registriert: 19.04.2006, 19:07
Wohnort: Niederrhein

Beitragvon marilu » 24.01.2007, 22:31

Ich kenne sie auch nur deshalb, weil sie im Büchergilde-Programm ist, d. h. bis ich vorhin das Nachwort las, dachte ich, Kressmann Taylor sei ein Mann. :oops:

Pippilotta hat geschrieben:Es wäre vielleicht auch ein Tipp für eine gemeinsame Lektüre anlässlich einer Lesenacht? Gesprächsstoff ergibt es sicher zur Genüge!


Das denke ich auch!
Solltet ihr es gemeinsam lesen wollen, würde ich es auch nochmal in die Hand legen.
Es wirkt so harmlos, aber ich komme aus dem nachdenken darüber nicht heraus. Ich bin sehr gespannt auf eure Reaktionen.
Scharfsinnig bin ich von Montag bis Freitag. Übers Wochenende leiste ich mir den Luxus der Dummheit.
- Henry Slesar: Die siebte Maske -
Benutzeravatar
marilu
Hilfskrümel
Hilfskrümel
 
Beiträge: 2183
Registriert: 23.04.2006, 20:46
Wohnort: Hannover

Beitragvon Voltaire » 25.01.2007, 09:21

Herzlichen Dank für diese tolle Buchvorstellung. Dann werde ich mal gleich losdüsen und es irgendwo käuflich erwerben..... :D
Voltaire
 

Beitragvon marilu » 25.01.2007, 10:15

Mir ist gerade noch etwas eingefallen:

Die Taschenbuchausgabe bei Rowohl kostet nur 4,90€. Ich habe bei den Eulen und im Bücher4um gelesen, dass es ein Vorwort von Elke Heidenreich hat. Angeblich verrät es zuviel, deshalb möchte ich den Hinweis gerne weitergeben: erst im Anschluss lesen! :!:

Ich kann das nicht beurteilen, weil ich die Hardcover-Ausgabe von Hoffmann &Campe gelesen habe, in der es nur ein Nachwort der Herausgeberin gibt.

Es freut mich, dass euch meine Rezension angesprochen hat! Es ist zwar keine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Nationsalsozialismus, reißt aber vieles an und macht mehr als nur nachdenklich.

Ich hatte schon häufiger den Gedanken, dass ich Geschichte viel besser verstanden hätte, wenn unser Geschichtslehrer uns Literaturempfehlungen (vor allem Romane) genannt hätte, um die jeweilige Zeit besser zu verstehen und ein Gefühl für das damalige Denken zu bekommen. Dieses Büchlein gehört für mich definitiv auf eine solche Liste!
Scharfsinnig bin ich von Montag bis Freitag. Übers Wochenende leiste ich mir den Luxus der Dummheit.
- Henry Slesar: Die siebte Maske -
Benutzeravatar
marilu
Hilfskrümel
Hilfskrümel
 
Beiträge: 2183
Registriert: 23.04.2006, 20:46
Wohnort: Hannover

Beitragvon Voltaire » 25.01.2007, 10:55

marilu hat geschrieben:
Die Taschenbuchausgabe bei Rowohl kostet nur 4,90€. Ich habe bei den Eulen und im Bücher4um gelesen, dass es ein Vorwort von Elke Heidenreich hat. Angeblich verrät es zuviel, deshalb möchte ich den Hinweis gerne weitergeben: erst im Anschluss lesen! :!:



Herzlichen Dank für diesen Hinweis. Aber von der Heidenreich lese ich eh nie mehr etwas - die redet zuviel und hat dabei so gar nichts zu sagen.
Voltaire
 

Beitragvon Pippilotta » 25.01.2007, 11:42

Danke für die Vorwarnung, Marilu! :wink:

Ich werde mir das Buch auf alle Fälle besorgen, es macht mich sehr neugierig.
Ich stimme dir zu, am meisten lernte ich über die NS-Zeit über Bücher! Im Geschichtsunterricht waren es Zahlen und Fakten, die mich zwar fassungslos machten, aber richtig erfasst (soweit das überhaupt geht) habe ich diese Zeit über Bücher!
Herzliche Grüße
Pippilotta


T.C. Boyle - Wenn das Schlachten vorbei ist

Life is what happens to you while you are busy making other plans (Henry Miller)
Benutzeravatar
Pippilotta
Superkrümel
Superkrümel
 
Beiträge: 4894
Registriert: 19.04.2006, 16:52
Wohnort: ... im Himmel ...



Ähnliche Beiträge


Zurück zu Weltliteratur/Klassiker

Wer ist online?

0 Mitglieder

cron