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Márai, Sándor - Die jungen Rebellen




Márai, Sándor - Die jungen Rebellen

Beitragvon Krümel » 02.07.2006, 11:28

Die jungen Rebellen von Sándor Márai

Im Mittelpunkt der Handlung stehen vier Jugendliche, die gerade ihr Matura absolvieren, und sich als Clique zusammengetan haben. Allesamt sollen sie nach den Ferien an die Front.
Die Erzählperspektive stammt zum größten Teil aus der Sicht Ábels, Sohn eines Arztes, der im I. Weltkrieg tätig ist, und dessen Mutter früh verstorben. Er lebt zusammen mit seiner Tante im elterlichen Haus. Dann befinden sich in der Clique noch Tibor, der Schöne und sehr Sportliche, der die Truppe ungewollt lenkt, da die anderen ihn als Vorbild betrachten. Ernö, Sohn eines Schusters, sein Charakter ist ruppig, er könnte als Haudegen durchgehen. Und zum Schluss Belá, der aus der Kasse des Vaters ständig Geld klaut, das die Clique dann für total unnütze Dinge verplempert. Andere Rollen spielen dann noch der Bruder von Tibor, der Einarmige, und ein Schauspieler u.a..
Die Väter dieser Heranwachsenden treten nicht direkt auf (außer der Schuster), und die Mütter haben keine erzieherische Funktionen. Und so auf sich selber gestellt schreiten diese Jugendlichen die Schwelle der Erwachsenen an, und rebellieren auf eine sehr merkwürdige Weise für mich. Im Vordergrund steht ganz eindeutig ein Vater-Sohn-Komplex: Wobei die Väter als sehr unglaubwürdig, stahlhart, ohne Angst und Furcht wegkommen, und diese Teenager das genaue Gegenteil darstellen. Ein Austausch hat nie stattgefunden, wohl wegen des Krieges und der Zeit.
: sind sie doch von der höchsten Würde in der Hierarchie ihrer jugendlichen Welt plötzlich abgestürzt und zu minderwertigen Erwachsenen geworden.
S. 145

Autobiographische Züge findet man in Ábel, der Belesende und mehr Introvertierte, der lieber betrachtet als agiert.
In genau diesem Augenblick aber sollten Sándor und seine Kameraden >>ins Leben<< hinaustreten, wie es in den pathetischen Reden der von ihnen verachteten Honoratioren hieß. In seiner Patrouille nach Kaschau blickte Márai auf diese verhängnisvollen Monate und Wochen des Jahres 1918 zurück: >>Ja, meine Generation hat ihr Leben mitten in einem schauerlichen Karl-May-Roman begonnen; die goldenen Tage der Kindheit waren vorbei, die Fledermäuse verschwanden, statt dessen erschienen Flugzeuge und Leuchtraketen am Himmel. Unseren Jahrgang hat man gleich von der Schulbank weg in den Krieg geschickt. Ein paar Wochen vor dem Matura mußten sie zur Musterung, nach kurzer Ausbildung schickte man den Trupp an den Isonzo, viele aus der Klasse sind gefallen. Dann hat man in der Welt die Knarren weggeworfen, und in der tauben Stille sahen wir uns einen Augenblick lang an. Das Land brach zusammen …
S. 51 (Sándor Márai/Ein Leben in Bildern von Ernö Zeltner)

Márai schildert wieder sehr exakt mit seiner einfühlsamen Sprache die Innenwelt der Protagonisten. Die Gedanken zur Gegenwart werden über die Vergangenheit der Väter reflektiert, und in allem äußert sich die Frage im Hinblick auf die Zukunft.
Auch diesmal arbeitet er nicht nur mit Beschreibungen, sondern nutzt auch wieder die Sprache als Mittel. So verwendet er in seinen Betrachtungen Gegenwart und Vergangenheit, und vermeidet die Zukunftsform.
Das gedankliche Handlungsgerüst wird auch für Leser umgeworfen, denn zum Schluss kommt immer alles anders als man denkt.

Insgesamt hat mir dieser Roman sehr gut gefallen, natürlich empfehle ich ihn weiter, denn es ist immer wieder eine Wonne Márai zu lesen. Im Vergleich zur „Glut“ schneidet er ein wenig schlechter, zum „Vermächtnis der Eszter“ allerdings besser ab.


:stern: :stern: :stern: :stern: (:stern:)

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PS Kann ich nach meinen Kommentar im BT diese Rezi dort einstellen?
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Re: Márai, Sándor - Die jungen Rebellen

Beitragvon Pippilotta » 02.07.2006, 17:12

Ein interessantes Buch, kommt mir doch ein bisschen anders vor als "Die Glut" und "Eszther" (denn diese beiden waren doch irgendwie sehr ähnlich).
Werde es auf jeden Fall auf meine Wunschliste setzen!

Krümel hat geschrieben:Kann ich nach meinen Kommentar im BT diese Rezi dort einstellen?


Möglicherweise ist mit einer spitzen Bemerkung zu rechnen :roll: , aber die würde sowieso ignoriert werden. :roll:
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Re: Márai, Sándor - Die jungen Rebellen

Beitragvon Karthause » 02.07.2006, 17:49

Krümel hat geschrieben:Kann ich nach meinen Kommentar im BT diese Rezi dort einstellen?


Warum nicht? Die Rezi ist gelungen. Du hast alle Punkte angesprochen, die wichtig sind. Man kann sich ein Bild vom Buch machen. Ich würde einen extra Punkt mit "Meine Meinung" überschreiben, das wäre die einzige Änderung, die ich vorschlagen würde.

Nun zum Buch:


Deine Rezi macht mich ja schon neugierig. Auch meine Wunschliste ist wieder um ein Buch ergänzt worden. Wenn ich mal günstig dazu komme, werde ich wohl zugreifen. Vielleicht klappt es auch in der Bibliothek.
Viele Grüße
Karthause

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