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Mann, Heinrich "Der Untertan"




Mann, Heinrich "Der Untertan"

Beitragvon Karthause » 16.05.2006, 18:47

Kurzbeschreibung (von Amazon kopiert)
Der Untertan, die Geschichte Diederich Heßlings, in jungen Jahren von einem drakonisch strafenden Vater und einer saumseligen Mutter großgezogen, anschließend weiter zurechtgeschliffen im Schul- und Militärdrill der wilhelminischen Ära, gerät bei Heinrich Mann zum Fallbeispiel deutscher Katzbuckelei und Tyrannenmentalität, die sich Macht und Gewaltstrukturen unterwirft, um letztlich an ihnen teilhaben zu dürfen. Heßling, vordergründig als Aufsteiger gefeiert, übernimmt die väterliche Papierfabrik und wird zum mächtigsten Bürger der fiktiven Kleinstadt Netzig. In seiner Mimikri geht er dabei soweit, neben der chauvinistischen Phrasendrescherei der Deutschnationalen auch noch das äußere Erscheinungsbild des Kaisers zu imitieren. Eine "Bilderbuchkarriere", wie sie nur durch "ein Sinken der Menschenwürde unter jedes bekannte Maß" zustande kommen konnte, wie Heinrich Mann in einem Brief von 1906 festhielt.

Autorenporträt (von Amazon kopiert)
Heinrich Mann, 1871 in Lübeck geboren, begann nach dem Abgang vom Gymnasium eine Buchhandelslehre, 1891 - 1892 volontierte er im S. Fischer Verlag, Berlin, gleichzeitig Gasthörer an der Universität. Freier Schriftsteller: Romane, Novellen, Essays, Schauspiele. 1933 Emigration nach Frankreich, später in die USA; er starb 1950 in Santa Monica/Kalifornien.


Meine Meinung
„Der Untertan“ ist einer meiner Lieblingsklassiker. Schon mehrfach habe ich ihn gelesen und jedes Mal entdecke ich Neues. Der Roman ist eine gelungene Mischung aus bissiger Satire und feinster Gesellschaftsanalyse der wilhelminischen Zeit. „Der Untertan“ ist für mich das Buch, dass auch eine Zeitreise in die Kaiserzeit des ausgehenden 19. Jhd. ist. Anfangs erscheint mir die Sprache immer etwas holprig und schwer zu lesen. In den letzten 100 Jahren hat sich unsere Sprache schon recht deutlich verändert. Aber nach 50 Seiten ist das dann kein Problem mehr. Heinrich Mann hat den autoritären Charakter des Diederich Heßling ganz hervorragend herausgearbeitet. Gleich zu Beginn des Romans wird das Bild des weichen Kindes, das verträumt und ängstlich ist, gezeichnet. Diederich Heßling fürchtet einerseits die Mächtigen, andererseits genießt er die auf ihn ausgeübte Macht. Er buckelt nach oben und nach unten tritt er (mitunter schon recht heftig). Diese Autoritätsgläubigkeit ist es, die Mann in seinem Roman so anprangert. Ich kann nur hoffen, dass es in unserem Land nicht zu viele dieser Heßlings gibt.


Der Untertan
:stern: :stern: :stern: :stern:

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von Anzeige » 16.05.2006, 18:47

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Beitragvon Krümel » 16.05.2006, 20:33

Prima, Karthause,dass du diese Aufgabe übernommen hast :D
Ich habe schon mehrfach versucht eine Rezi zu diesem Buch zu schreiben, doch irgendwie konnte ich es nicht in Worte fassen. (Du hast ja einen großen Vorsprung mit diesem Buch :wink: )

Auch von mir bekommt "Der Untertan" :stern: :stern: :stern: :stern:
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Beitragvon Krümel » 16.05.2006, 21:47

Mir fiel da noch etwas ein, den Untertan würde ich gerne wieder lesen und zwar in ca. 10 Jahren :lol: Sollen wir das festhalten? Beim Zauberberg hatten wir uns doch auch schon mal darauf geeignigt, dass wir uns in 10 Jahren wieder treffen :wink:

Wenn wir erst unseren Kalender haben, werde ich das alles eintragen :mrgreen: :flower:
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Beitragvon marilu » 20.05.2006, 06:59

Krümel hat geschrieben:Mir fiel da noch etwas ein, den Untertan würde ich gerne wieder lesen und zwar in ca. 10 Jahren :lol:


Ich bin dabei! :mrgreen:

Mir fiel eben auf, dass ich noch keine abschließende Bemerkung geschrieben habe.

"Der Untertan" war zwischenzeitlich zäh zu lesen, was aber weniger am Stil des Buches lag als am Inhalt. Ständig über solche mieses Verhalten zu lesen, wie Diederich und seine Bekannten es an den Tag legen, schlaucht!

Nichtsdestotrotz hat mir die Lektüre sehr zugesagt und ich bin froh, an der Leserunde teilgenommen zu haben. Wer weiß, wie lange der Roman sonst noch im Regal gestanden hätte. :roll:

Heinrich Mann gelingt es, seine Geschichte auf eine ironische Art zu erzählen mit vielen Anspielungen auf die Zeit, in der sie spielt. Die Art, in der er seine Meinung einfließen lässt, ohne diesen Kommentar allzu subjektiv werden zu lassen, gefällt mir - seine Mittel zum Zweck ist die Ironie und der Zynismus.

Er hat sich damals bestimmt viele Feinde gemacht, da er ja eigentlich alle Bevölkerungsgruppen angreift: Arbeiter, Sozialdemokraten, Bürger, Adel und Monarchie. Darüber hinaus den technikglaube, das militärische Selbstverständnis, die Burschenschaften und Vereine... es gibt noch viel mehr zu nennen! Passend zum Thema möchte ich gern Jean Améry zitieren:

"Dieser Dichter und Pamphletist hat den Deutschen zu viele und zu einfache Wahrheiten gesagt." Jean Améry

Sicher ist dies nicht meine letzte Begegnung mit Heinrich Mann gewesen.
Scharfsinnig bin ich von Montag bis Freitag. Übers Wochenende leiste ich mir den Luxus der Dummheit.
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Beitragvon Karthause » 20.05.2006, 17:08

@Krümel und marilu

Ich mache auch mit. Bei dem Untertan bin ich sei je her in einem 10-Jahres-Rhythmus. Jedesmal habe ich neue Details gefunden, die ich vorher nie bemerkt habe. Er ist also für 2016 vorgemerkt. :wink:
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