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Nievo, Ippolito - Ein Engel an Güte




Nievo, Ippolito - Ein Engel an Güte

Beitragvon Krümel » 10.11.2010, 15:54

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Ein großartiger Roman!

>>Durch das Fehlen eben dieses Elements der Seelenstärke war die venezianische Güte zur bloßen Gutmütigkeit verkommen, und darauf führte er bei sich die moralische Verwirrung zurück, die er im Stillen beklagte. Und auf diesem Weg gelangte er zur Notwendigkeit der Sittlichkeit; verstandesmäßig begriff er wenig davon, vielleicht, weil er in der allgemeinen Verkommenheit die Orientierung verloren hatte, auch wenn er selbst sich vollkommen rein erhielt.<<

Das Buch beginnt mit einer Szene im Kloster der Seraphinerinnen, welches rein fiktiv ist, aber nicht unreal, denn es spiegelt den Zeitgeist Venedigs im 18. Jahrhundert. Morosina, unser Engel an Güte, hat viele Jahre in diesem frivolen Kloster zugebracht und steht kurz vor ihrer Entlassung ins elterliche Heim.
Unterdessen wird der Leser vom Erzähler unterrichtet wie das gesellschaftliche Leben in Venedig kurz vor dem Untergang dieser Republik aussah: Dekadenz hatte sich eingeschlichen, verarmte Adelsfamilien verkauften ihre Stimmen dem Dogen-Rat, Intrigen und Machenschaften wo man nur hinsah.

Einen Monat später dann wird Morosina aus dem Kloster entlassen. Doch nicht ihr Vater, oder ihr alter Freund Chirichillo, holen die junge Dame an der Forte ab, sondern ein Diener des Inquisitors Formiani. Denn dieser Staatsmann hat großes mit seinem Patenkind vor. Er ist schon jenseits der siebzig, leider jedoch ohne Erben. Morosina soll für Nachwuchs sorgen, ihm einen Nachfolger gebären, allerdings verbirgt sich hinter diesem Gedanken noch eine irrige Intrige, die einen schwachen Charakter voraussetzt. Doch am Ende triumphiert eine Figur womit keiner gerechnet hätte.

Dieses dicke Ende hinterlässt einen eher faden Nachgeschmack, zu dem sonst so großartigen Roman. Dennoch macht er Lust auf den Zweiteiler „Bekenntnisse eines Italieners“, der uns die venezianische Gesellschaft noch deutlicher vor Augen führen soll.

Ein ganz großes Lob muss ich hier dem Verlag aussprechen, denn diese Übersetzung liest sich hervorragend, die Anmerkungen erläutern die Zeit und das Nachwort rundet den Lesegenuss vollkommen ab. Gute Arbeit!

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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