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Simon, Claude - Die Akazie




Simon, Claude - Die Akazie

Beitragvon Pippilotta » 11.08.2007, 15:43

Klappentext

Ein namenloser französischer Soldat ist im August 1939 mit dem Zug auf dem Weg zur Front. Während der Fahrt legt er sich Rechenschaft ab über sein - wie er glaubt nutzloses - Leben. An den Vater, der schon 1914 im Ersten Weltkrieg gefallen ist, hat er keine Erinnerungen mehr; nur der vergeblichen Suche nach dessen sterblichen Überresten, auf die er sich als Sechsjähriger mit seiner Mutter begeben hat, kann er sich erinnern. Ihm scheint, als habe er sein Leben lang nur von einer Uniform in die nächste gewechselt: von der seiner Schule in die Kluft der Anarchisten, von der Uniform des Spanienkämpfers zu der Tracht des avantgardistischen Malers. Jetzt, wo er den Tod vor Augen sieht, begreift er, dass er immer nur Rollen gespielt hat. Sein Leben droht zu enden, bevor es richtig begonnen hat. Doch er überlebt den Fronteinsatz und gerät zunächst in deutsche Gefangenschaft, aus der er schließlich fliehen kann. Das Erlebnis des Krieges aber lässt ihn nicht mehr los, und er beginnt, seine Erfahrungen aufzuzeichnen. Dabei beschreibt er nicht nur sein eigenes Schicksal, sondern erforscht auch das seines Vaters, der 30 Jahre vor ihm im Ersten Weltkrieg gekämpft hat und zu dessen Opfer geworden ist. So sind seine Aufzeichnungen eine literarische Annäherung an die Sinnlosigkeit der Gewalt, eine autobiografische Spurensuche, in der der Sohn stellvertretend für den Vater und für zwei Generationen das Trauma des Krieges vergegenwärtigt.

Meine Meinung

Bei diesem Buch wäre ich fast gekentert. Eigentlich bin ich gekentert . Für mich ist nicht "das drinnen, was außen draufsteht" , d.h. ich habe vom geschriebenen Inhalt nicht wirklich viel mitbekommen.
Dieses Buch ist fraglos ein literarisches Meisterwerk in Sprache und Darstellung. Wenn aber Sätze derart verschachtelt sind, mit Nebensätzen und zu allem Überfluss noch Erklärungen in Klammern gespickt sind dass sie nicht selten den Umfang von 2 bis 3 Seiten einnehmen, bin ich leider unfähig, den Sinn zu erfassen. Dies übersteigt meinen Horizont.
Zudem gibt es keine durchgehende Geschichte sondern vielmehr zusammenhanglose Mosaiksteine zweier Lebensgeschichten. Die Personen haben keinen Namen, was die Sache und das Verständnis zusätzlich erschwert, an vielen Stellen wusste ich defninitv nicht - auch nicht nach mehrmaligem Lesen - von wem nun die Rede ist.

Wie gesagt, es handelt sich unbestritten um ein literarisches Meisterwerk, den Nobelpreis hat er sich verdient - aber meiner Meinung nach ungeeignet für den Durchschnittsleser.
Mich würde ungeheuer interessieren wie es jenen ergangen ist, die das Buch schon mal zur Hand genommen haben!

Claude Simon

geb. 1913 in Tananarive auf Madagaskar, sein Vater fiel im Ersten Weltkrieg, er genoss eine ausgezeichnete Ausbildung, studierte in Paris, Cambridge und Oxford. Zunächst widmete er sich der Malerei, reiste viel und wurde 1939 zur Kavallerie eingezogen. er selber geriet im 2. Weltkrieg in deutsche Gefangenschaft, aus der sich nach Frankreich retten konnte. Dort war er als Schriftsteller tätig.
Im Jahr 1985 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Er starb am 6. Juli 2005.

:stern:

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von Anzeige » 11.08.2007, 15:43

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Beitragvon Krümel » 11.08.2007, 17:00

Danke Pippi für deine Rezi :D Ich bin gestern sehr neugierig geworden :mrgreen: Vielleicht versuche ich mich mal in einer Musestunde :wink:
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon chip » 14.12.2008, 06:45

Da erinnere ich mich nach wolves Zweifel im SUB-Thread an eine uralte Buchvorstellung. :mrgreen:
Ich habe gesucht und gefunden:

In seitenlangen Sätzen, scheinbar ohne Luft zu holen, erzählt Simon auf beklemmende Weise von zwei namenlosen Figuren, Vater und Sohn, die am Krieg teilnehmen. Namenlos, weil der Krieg Namen durch Nummern ersetzt, gestanzt auf eine Messingplakette, die nach dem Ableben an die Familie geschickt wird, zusammen mit der wenigen Habe des Soldaten und vielleicht einem Orden, die von Angehörigen eingerahmt an die Wand gehängt werden dürfen. Die Chronologie der Ereignisse setzt der Autor außer Kraft, abwechselnd begleitet er den Vater im ersten, mal den Sohn im zweiten Weltkrieg. Der Vater, er ist süchtig nach den bestickten, bunten Bildchen auf seiner Uniform, den Epauletten und Sternen, die die Rangordnung kennzeichnen. Wir lernen seine Frau kennen, die von Faulheit und Krankheit gezeichnet ist und den Sohn austragen wird, bevor sie stirbt. Wir sehen zu, wie der Vater enthusiastisch in den Krieg zieht, begierig nach weiteren Medaillen, und stattdessen apathisch vom Pferd fällt mit einer Kugel im Kopf.

Viel umfangreicher erfahren wir über die Geschichte des 26jährigen Sohnes, die autobiographische Züge tragen soll. Die ersten Kapitel beschreiben sehr ausführlich die Gedanken, die Betrachtungen auf dem Schlachtfeld, bevor Simon die Zeit zurückdreht und die bedrückende, unheimliche Zugfahrt zur Front beschreibt, belastet mit dem Gedanken jetzt würde er sterben. Sie fahren dorthin, wo die entgegenfahrenden Züge herkommen - Züge gefüllt mit fliehenden Dorfbewohnern. Irgendwann findet er wieder den Anschluss an seine anfängliche Kampfplatzszene, der Sohn, der sich inmitten seiner Truppe befand, bevor sie von einem Hinterhalt überrascht und niedergestreckt wurden. Nun liegt er allein versteckt im Gebüsch umringt von reiterlosen Pferden …

Die gesamte Szenerie ist umhüllt von Hoffnungslosigkeit, Beklemmung und getrocknetem Blut. Er kann im Kampf für das Vaterland nichts Würdevolles entdecken, wenn er zurückblickt über das leichengepflasterte Feld.
Kurz angeschnitten werden Gefangenschaft und Flucht aus dem Arbeitslager.
Die 14-monatige Hölle des Krieges erzählt er heute den gelangweilt lauschenden Nutten, bei denen er Trost zu finden scheint - und uns, die umso gefesselter zuhören werden.
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Beitragvon Pippilotta » 14.12.2008, 09:47

Es ist wirklich erstaunich, was manche Leser aus diesem Wirrwarr aus Text herauslesen .... :mrgreen: :wink:
Herzliche Grüße
Pippilotta


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