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Steinbeck, John - Früchte des Zorns




Steinbeck, John - Früchte des Zorns

Beitragvon mombour » 16.02.2012, 11:20

Hallo,

Ich bin froh, dass ich das Buch endlich gelesen habe :D

"Früchte des Zorns"

Bild

"Früchte des Zorns"

Steinbeck hat einen natürlichen, lockeren Stil. Man hat den Eindruck, ihm fliegen die Sätze einfach so aus dem Mund. Er beschreibt die Landschaft und zeichnet Dialoge absolut realistisch. Allerdings wirkte dieser Stil trotzdem sehr trocken auf mich, so trocken wie die Dürre zu Beginn des Romans. Die Landschaftsbeschreibungen sind aber großartig. Vielleicht liegt es an den tristen Geschehnissen, dass mir die Lektüre sehr mühsam wurde. Es wird eben knallhart realistisch erzählt, wie eine Familie aus Oklahoma ihr Hab und Gut verlassen muss, die Hoffnung auf ein neues schönes Leben sie nach Kalifornien führt. Es ist wie ein biblischer Exodus in ein Gelobtes Land, der allerdings in noch bitterer Armut führt, in rigide Formen unbarmherziger Ausbeutung. Der Roman spielt in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.

Der Roman beginnt mit der großen Dürre, die über Oklahoma liegt. Der Protagonist der ersten Seiten ist der Staub. Vom Staub aus gleitet Steinbeck ganz sacht über in die Welt der Menschen, die ja in diesem Lande in der Dürre leben. Der Staub hängt in der Luft, die Menschen müssen ihre Fenster schließen. Das ist der Übergang zur Zivilisation. Solche sanften Übergänge mag ich. Tom Joad kommt nach vier Jahren aus dem Gefängnis. Und dann widmet sich Tom einer Schildkröte, die er auf der Straße findet. Beim Gehen wirbelt Tom Staub auf. Toms Begegnung mit dem Prediger, der inzwischen kein Prediger mehr ist, sondern ein einfacher natürlicher Mensch, der seine eigenen Gedanken zum Heiligen Geist entwickelt hat, ist eine sympathische Figur. Er macht sich eigene Gedanken über Gott und die Welt. Bezeichnend ist doch auch, dass Tom Joads Beschreibung seiner Mordtat beim Prediger ziemlich gelassen ankommt. In diesem Land scheint man sich über die Dürre mehr sorgen zu machen, als über einen Mord. Diese Art der Mentalität hat schon was. Das Abfallen des Predigers vom regulären christlichen Glauben, ist ein deutliches Merkmal dafür, dass an den Fundamenten der USA gerüttelt wird, und auf dem Weg ins Gelobte Kalifornien die Familie Joad immer mehr auseinanderbricht. Die älteste Generation, Großvater und Großmutter, Kalifornien erst gar nicht erreichen, sondern dahinsterben. Mit dem neuen Leben können sie nichts mehr anfangen, ihre Heimat, mit der sich sich indentifiziert hatten, ist verloren, darum auch sie verloren sind und sterben. Ein anonymes Grab am Straßenrand, ein Armengrab. Das zeigt noch mal deutlich, dass alte Totengebräuche auch nicht mehr aufrechterhalten werden können, dass alles zu Bruch geht.

Es ist nicht nur die Dürre allein, warum hunderttausende damals nach Kalifornien auswandern.

Steinbeck hat geschrieben: Die Bank - das Ungeheuer muß die ganze Zeit Profite haben. Sie kann nicht warten. Sonst stirbt sie.
........
Die Bank ist mehr, als Menschen sind, das sage ich dir. Sie ist ein Ungeheuer. Menschen haben sie zwar gemacht, aber sie können sie nun nicht mehr kontrollieren. (Kap. 5)


Die Produktivität soll durch Traktoren gesteigert werden.

„Ein Mann auf einem Traktor kann zwölf oder vierzehn Familien ersetzen.“ Da die Pächter verschuldet sind, gehört das Land der Bank und die Pächter müssen mit ihren Familien von dannen ziehen. Es ist ganz klar, dass John Steinbeck gegen den Raubtierkapitalismus schreibt, der leider heute immer noch wütet. Die Banken müssen gerettet werden, die Bevölkerung hat nichts davon (siehe Griechenland). Warum die Landbesitzer den Pächtern Kalifornien schmackhaft machen, ist unklar. Denn so paradiesisch wird es dort ja nicht werden, wie sie behaupten:
Steinbeck hat geschrieben:Ihr braucht bloß die Hand auszustrecken und könnt überall eine Orange pflücken.


Für die Großgrundbesitzer und Ausbeuter mag das stimmen, aber nicht für die Arbeiter, die sich für einen Elendslohn kaputtschuften – heute heißt das Lohndumping. Bevor die Joads überhaupt in Kalifornien ankommen, werden im Roman dreimal Zweifel eingestreut, dass in Kalifornien das Leben besser sei als in Oklahoma. Kommen wir noch mal zu den Orangenplantagen zurück. Kurz bevor die Joads Kaliforinien erreichen, erfahren sie von einem alten Mann, wie furchtbar es in diesem Land zugeht. Nur die Großgrundbesitzter haben das sagen. Nur ihnen gehören die Orangen. Sie hassen die Einwanderer, weil sie wissen, sie haben Hunger und könnten sich an einer Orange vergreifen. Wenn man eine anrührt, muss man damit rechnen, erschossen zu werden. Die Einwanderer nennen sie Oki. Das ist jemand, der aus Oklahoma kommt und ein Schwein ist.
Steinbeck hat geschrieben:Es sollen jetzt dreihunderttausend Leute da unten sein – und sie leben wie die Schweine, weil alles in Kalifornien jemanden gehört. Ist nichts mehr übrig. Und die Leute, denen's gehört, klammern sich daran – und wenn sie dabei die ganze Menschheit umbringen müssten...Ihr müsst jeden Tag eure paar Kröten fürs Essen zusammenkratzen. (Kap. 18).


Wie in „Tortilla Flat“ vetritt John Steinbeck diese wunderbare Lebenseinstellung, die er übrigens mit Henry Miller teilt, dass materieller Reichtum allein eben nicht glücklich macht, dabei Steinbeck auf die Großgrundbesitzer schielt. Über den Herrn, der einen Millionen Hektar großen Wald besitzt, der jeden erschießt, der eine Orange klaut, legt Steinbeck dem Prediger Casy folgende Worte in den Mund:

Steinbeck hat geschrieben: Wenn er 'ne Million Hektar braucht, um sich reich zu fühlen, so scheint's mir, er braucht sie, weil er in seinem Innern schrecklich arm ist.... (Kap. 18)


John Steinbecks Roman ist knallhart, sodass er in diesem Roman sogar jeden Humor verloren hat, den er in „Tortilla Flat“ noch hatte. Das ist auch ein Grund, dass ich den Roman so zögerlich, manchmal auch mit Widerwillen gelesen habe. Aber Steinbecks Bitternis gegen den unsäglichen Kapitalismus, der Menschen brutal versklavt und erniedrigt, ist gerechtfertigt. Humor hat hier nichts verloren. Steinbecks Klage ist sehr zornig und erbarmungslos und darum humorlos. Der Romanleser endet in tiefer Hoffnungslosigkeit. Auf diese Weise verdeutlicht Steinbeck, wie brutal und erbarmungslos der Raubtierkapitalismus ist. Steinbecks Roman ist gerade heute wieder besonders aktuell.

:stern: :stern: :stern: :stern:

Liebe Grüße
mombour
Zuletzt geändert von mombour am 26.02.2012, 12:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Steinbeck, John - Früchte des Zorns

Beitragvon Pippilotta » 16.02.2012, 14:37

Im Jahr 2007 gab es hierzu im Forum eine Leserunde, der Vollständigkeit erlaube ich mir, den Link hier anzufügen, veileicht ergibt sich ja noch das eine oder andere Erhellende:

Leserunde zu John Steinbeck - Früchte des Zorns
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Re: Steinbeck, John - Früchte des Zorns

Beitragvon Krümel » 16.02.2012, 16:30

Pippilotta hat geschrieben:Im Jahr 2007 gab es hierzu im Forum eine Leserunde, der Vollständigkeit erlaube ich mir, den Link hier anzufügen, veileicht ergibt sich ja noch das eine oder andere Erhellende:

Leserunde zu John Steinbeck - Früchte des Zorns


Ui, da sind ja Welten dazwischen :tanz3:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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