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Tucholsky, Kurt - Schloß Gripsholm




Tucholsky, Kurt - Schloß Gripsholm

Beitragvon Krümel » 04.05.2007, 15:29

[center]Schloß Gripsholm von Kurt Tucholsky

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Dies ist eine leichte und amüsante Sommergeschichte, ein Urlaub in Schweden auf Schloß Gripsholm. Peter und Lydia verbringen dort fünf Wochen Ferien, und genießen diese Zeit unbeschwert. Sie liegen auf sonnigen Wiesen, baden im See, die Vögel zwitschern, und so plätschert die Handlung dahin, unbeschwert und fröhlich.
Zwischenzeitlich kommt ein Kumpel von Peter zu Besuch, und im Ausgleich weilt auch Lydias Busenfreundin eine kurze Zeit dort. Es gibt keine Reibereien und Konflikte, denn dafür reicht die Zeit nicht. Fünf Wochen erlebt man wie in einem Traum, die Alltäglichkeit und das Gewohnte finden keinen Platz.

Das war jetzt mein erstes Prosawerk von Tucholsky, und ich hatte Schwierigkeiten mich mit dieser Leichtigkeit anzufreunden. Seine Lyrik und Weisheiten sind sehr tief, oft auch politisch ausgerichtet, und beinhalten dadurch eine gewisse Schwere zuweilen Melancholie. Dieses Werk stellt einen beachtlichen Kontrast dazu, was nicht ganz mein Fall war, und ich in gewisser Weise doch enttäuscht war. Letztendlich muss man aber diese Unkompliziertheit bewundern, weil sie so fern der Mentalität des Autors war.

:stern: :stern: :stern:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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von Anzeige » 04.05.2007, 15:29

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Beitragvon Coco » 04.05.2007, 20:30

Für mich war es generell das erste Werk von Kurt Tucholsky.

Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit dieser beiden Menschen während ihrer Urlaubswochen hat mich sehr schnell gefangen. Humorig treiben sie ihre Späße, sind sich nahe und erleben eine ausgelassene Zeit. Durch Besuche eines Freundes und einer Freundin bekommt Tucholskys Werk mitunter auch erotische Züge, es wird geflirtet, gebandelt, bis hin zur "Menage á trois".

Wunderbar fand ich Tucholskys Sprache, viele spassige Einwürfe, aber auch Gedanken zu Politik und der Gesellschaft ansich finden Raum. Somit konnte ich schmunzeln, blieb aber auch an dem ein oder anderen Gedanken hängen.

Während dieser Urlaubswochen treffen die beiden Protagonisten ein kleines Mädchen, deutscher Herkunft, das in einem nahegelegenen Kinderheim Misshandlungen seitens der Heimleiterin erfährt. Peter und Lydia nehmen sich dieser Sache an und befreien es aus dem Heim, um es zurück zur Mutter in die Schweiz zu bringen.

Diese eingefügte Begebenheit war für mich sehr störend - hier kam mir zuviel Realität und Problematik mit ins Spiel. Ich hätte gerne einfach weiter in diesen Urlaubswogen "gebadet".

Insgesamt eine nette Lektüre, die mich gut unterhalten hat.

:stern: :stern: :stern:
Liebe Grüsse
Coco

-----------

:studie:

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Beitragvon alwin03 » 24.06.2007, 06:36

@Coco, ich stimme Dir zu.

Für mich war es der erste Tucholsky.
Schön zu lesen, die Vorbereitung zum Urlaub, die Suche nach der geeigneten Unterkunft und natürlich die Besuche der beiden. Die waren irgendwie mit einem "Augenzwinkern" geschrieben.
Störend fand ich ebenfalls die eingefügte Geschichte um das kleine Mädchen.
Etwas weit hergeholt, dass eine Mutter ihr Kind in ein Heim gibt und nach einem Telefonat den fremden Menschen mehr glaubt als der ihr vertrauten Person der Heimleiterin.

Hätte mich dagegen gefreut, hätten die beiden noch ein wenig mehr Besuch empfangen, oder sich mehr mit SICH beschäftigt.
Ich lese zur Zeit:

--------------------------------------- ???


wENN nUr meinE sCHleChte recht(s)SchreIbunG nICHT wÄr :cry:
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Beitragvon chip » 12.06.2008, 23:22

Dieser federleichten Sommerkomödie ist ein fiktiver Briefverkehr zwischen dem Verleger Rowohlt und dem Autor vorangestellt, der ersucht wird, nach so viel politischen Romanen endlich wieder eine Liebesgeschichte zu schreiben. Etwas Romantisches, um es der Freundin zu schenken, mit buntem Cover versehen. Dabei, gibt Tucholsky zu, verstünde er doch nichts von Liebe.

„Ja, eine Liebesgeschichte … lieber Meister, wie denken Sie sich das? In der heutigen Zeit Liebe? Lieben Sie? Wer liebt denn heute noch?
Dann schon lieber eine Sommergeschichte.“


Die Briefe sind fiktiv, die anschließende Reise nach Schweden ebenfalls. Die Hauptfigur jedoch ist er selbst, Kurt Tucholsky, begleitet von seiner Freundin Lydia, genannt Prinzessin, inspiriert von seiner 4-jährigen Liebesbeziehung zur Verlegerin Lisa Matthias und seiner Schwärmerei zu Schweden. Beide sind sie auf dem Weg in den Urlaub, finden Unterschlupf in einem leer stehenden Anbau des „Schloss Gripsholm“, eine Attraktion für zahlende Touristen.

„Wie heißt er denn nun eigentlich?“ fragte Billy entrüstet. „Mal sagst du Peter zu ihm und mal Daddy und jetzt wieder Fritzchen…!“ – „Er heißt Ku-ert …“ sagte die Prinzessin. „Ku-ert … Dasha gah kein Nomen, - Wenn hei noch Fänenand oder Ullrich heiten deer, as Bürgermeister sinen!“

Nun, ist es denn eine Liebesgeschichte? Die Liebe schimmert durch jede Zeile hindurch, wenn Kurt kleine Marotten und Gewohnheiten seiner Freundin kommentiert und feststellt, gerade das liebe er an ihr. Diese kleinen unscheinbaren Details, die nur ein Liebender bemerkt. Neckende Dialoge zwischen Lydia und Kurt, die meist mit versöhnenden Worten und einem einlenkenden Mann enden. Tucholsky versucht zu deuten, oder vielmehr unternimmt er den Versuch, dem Grund seines Verhaltens zu folgen. Es ist ein Herantasten, inwieweit sich Liebe bemerkbar macht, und er stößt dabei auf sehr viel Weisheit und Wahrheit. Er denkt sich zurück an die Anfänge, die erste Begegnung mit ihr, sucht nach dem Ursprung aufkeimender Liebe, dem Grund irrationaler Handlungen. Er weckt sie sanft, nur um ihre Stimme zu hören, oder er sitzt einfach nur da und bewundert ihre Hände, während sie die Zeitung blättert.

„Ich sah die Prinzessin von der Seite an. Manchmal war sie wie eine fremde Frau, und in diese fremde Frau verliebte ich mich immer aufs Neue und musste sie immer aufs Neue erobern.“

Vordergründig bleibt es allerdings eine harmlose Sommergeschichte, denn es ist Urlaub, Urlaub in Schweden, fern aller Sorgen und Pflichten. Er bleibt dennoch seiner Rolle als Satiriker treu, wenn er unverständliche Ortsnamen, dem norddeutschen Dialekt seiner Freundin oder über Frauen im Allgemeinen auf die Schippe nimmt. Als Dichter entzückt er den Leser mit außergewöhnlichen Satzkonstruktionen, erdichtet hier den Ausspruch „Die Seele baumeln lassen“ und spart nicht an Komik.

„Missingsch ist das, was herauskommt, wenn ein Plattdeutscher Hochdeutsch sprechen will. Er krabbelt auf der glatt gebohnerten Treppe der deutschen Grammatik empor und rutscht alle Nase lang wieder in sein geliebtes Platt zurück.“

Die konservative und überholte Moral seiner Zeitumstände ist ein weiterer Punkt, den er thematisiert. Entsetzte Gesichter überall, wenn seine offene Beziehung zu Lydia angesprochen wird, oder er provoziert den Leser, indem er „unmoralisch“ eine Dreiecksbeziehung mit beiden Frauen eingeht. Aber vor allem will er seinen Urlaub genießen.

Er schafft zwar durch die lokale Veränderung einen Kontrast, kann seinem Berliner Alltag jedoch nicht entkommen, denn die Zeit der Rückkehr rückt unaufhaltsam näher. Wehmütig wird der Ton, wenn die Turmglocke ihn wieder daran erinnert, dass die Zeit nicht stehen bleibt. Die Idylle seines Urlaubs gerät zudem durch die Erzieherin eines Kinderheims ins Wanken. Diese spiegelt die politische Gefahr auf die Demokratie wider, denn ihre brutale, stets übermenschlich korrekte und disziplinierte Art weisen sie symbolisch als nationalsozialistische Bedrohung aus. Die Errettung eines ihrer Schutzbefohlenen durch das Paar kann also als politische Anspielung gelesen werden. Die Geschichte bzw. aktuelle politische Situation ist demnach eine globale Gefahr, die vor keinem Land und keiner Urlaubsidylle halt macht.

„Um ein Haar hätte sie mir leid getan, aber ich wusste, wie gefährlich dieses Mitleid war und wie verschwendet.“

Trotz all dieser Punkte, bleibt es am Ende doch „nur“ eine Sommergeschichte - locker, verspielt, humorvoll, unbekümmert. Keines der oben genannten Punkte fordert mehr Gewicht ein als andere Elemente. Kein Thema, das eine Priorität verlangt. Sie wird höchstens den Wunsch beim Leser wecken, seinen Urlaub vorzuschieben.

„Wir hatten geglaubt, der Zeit entrinnen zu können. Man kann das nicht, sie kommt nach.“
:stern: :stern: :stern: :stern:

Gruß,
chip
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