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Turgenjew, Iwan - Aufzeichnungen eines Jägers




Turgenjew, Iwan - Aufzeichnungen eines Jägers

Beitragvon Krümel » 16.06.2011, 11:28

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Turgenjew erzählt in seinen Aufzeichnungen von Bauern, die es verstehen zu Geld zu kommen, und von philosophischen Bauern, die zufrieden leben, von Zofen, die heiraten möchten, von Ärzten, die sich in ihre Patientinnen verlieben und von:

„Mein Nachbar Radilow“
Dieses Kapitel beginnt mit einer schönen Beschreibung von alten Lindengärten, die aus alten Zeiten, oft einzig, übrig geblieben sind. In einer solchen Gegend befindet sich der Jäger und schießt nach einer Schnepfe, aber „Ach“, er schießt ganz knapp an einer jungen Frau vorbei … man wird zu Tisch bei diesen Gutsleuten gebeten. Raff-zaff ohne große Erklärung. Man geht zu Tisch und Fjodor Michijitsch setzt seine Narrenkappe auf, tanzt und zupft an seiner Geige, er ist ein ehemaliger Gutsherr und lebt beim Gastgeber Radilow zur Belustigung. Dann wird Radikow kurz umschrieben, ein typischer Gutsherr, der beim Essen von der Landwirtschaft und Ernte, vom Krieg, vom Klatsch und den Wahlen spricht – Aber! innerlich selber keine Leidenschaft verspürt. Er schnauft und seufzt, hadert mit dem Schicksal, ist unzufrieden … Woran liegt es? Ist es die große Melancholie der Russen? Die politische Lage? – fragt sich der Leser. Doch dann erzählt Radilow, dass seine Frau bei einer Geburt verstorben ist und das ist sein Los und seine Traurigkeit – Alltäglichkeiten.

„Kassjan aus Krassiwaja-Metsch“
Eine wunderbare Geschichte, die so ganz klar und deutlich aufzeigt, wie anders denkende Menschen schnell ein Mäntelchen übergeworfen bekommen, dass sie nämlich dumm seien:
>>Ach was …! Wie kommt er dazu! So ein Mensch! Mich hat er übrigens von den Skrofeln geheilt … Wie kommt er dazu! Ein ganz dummer Mensch.<<
Kassjan lebt zurückgezogen, und legt ganz offensichtlich andere Ansichten und Denkweisen an den Tag. Beispielsweise nimmt er sein Patenkind nicht in der Kutsche mit, sondern lässt sie Zufußgehen. Der Jäger und der Leser erfahren in dieser Situation den Zusammenhang nicht, doch lässt uns gleich unser Vorurteil darauf schließen, dass dieser Kassjan nicht so richtig tickt. Dass es einen anderen, guten Grund haben könnte, darauf kann vielleicht der geneigte Leser kommen, dem Jäger kommt dieser Gedanke nicht. Mir persönlich hat dieser Kassjan sehr gut gefallen ;-)

Tatjana Borissowna und ihr Neffe
Turgenjew beginnt diese Geschichte wieder mit einer sehr schönen Naturbeschreibung, dann schwenkt er zu Tatjana, eine um die 50 Jährige, freundlich und gutmütig. Jedoch hat sie keine Erziehung genossen, spricht kein Französisch, war noch nie in Moskau, kurz sie ist völlig ungebildet, liest nicht, aber wer denkt sie wäre dumm, der liegt falsch! Tatjana hört Männern und Frauen zu, gibt Ratschläge und tröstet. Kurz gesagt >>In ihren Zimmern ist immer schönes Wetter.<< Doch jetzt lebt wieder ihr Neffe bei ihr …

Auch diesmal endet die Geschichte damit, dass im Gegensatz dazu was der Leser denkt die Russin ihren Neffen liebt und vergöttert. Frauen kommen generell bei Turgenjew charakterlich besser weg als Männer.

>>Sein (Turgenjews) Werk hatte großen Einfluss auf die Entwicklung des „melancholischen Impressionismus“ in Westeuropa- Die Erzählungen „Aufzeichnungen eines Jägers“ von 1852 wurden von vielen als Anprangerung der Leibeigenschaft und als soziale Anklage angesehen, in deren Mittelpunkt sehr individuelle, bäuerliche Figuren stehen. In seinen sechs Romanen schilderte Turgenev die Schicksale seiner Helden und verband sie mit sozialen, politischen und ideellen Strömungen im Russland der 1850er bis 1870er Jahre. In „Väter und Söhne“ (1862) verarbeitete er das Thema Generationskonflikt; in späteren Werken neigte er dagegen immer stärker zu Polemik und satirischer Darstellung der zeitgenössischen Probleme.<< (Klappentext)

Das gesellschaftliche Leben wird in den Geschichten gespiegelt und durchleuchtet, manchmal sehr direkt, andere Male auf Umwege. Turgenjews Russland von früher bis in seine Zeiten wird hinreichend unter die Lupe genommen, den Umbruch in Hinsicht auf den Westen und seine Zivilisation, womit das alte Russland so gar nichts anfangen konnte, wird immer wieder thematisiert. Manche Geschichte stecken voll von Übertragungen, so dass eine große Fülle an Interpretation und Deutungen möglich sind, man die Geschichten mit Wonne liest. Doch es gibt auch eine handvoll von Erzählungen die mir nicht zusagten. Diese sind dann zu sehr an Klischees gebunden oder erzählen von Geschichten, die man als Leser schon oft gelesen hat. Aber insgesamt sind die „Aufzeichnungen eines Jägers“ lesenswert.

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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