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von Arnim, Elizabeth - Vera




von Arnim, Elizabeth - Vera

Beitragvon Voltaire » 19.04.2008, 19:24

Titel: Vera
Autorin: Elizabeth von Arnim
Verlag: Insel
Erschienen: Juli 2002
Seitenzahl: 334
ISBN-10: 3458335080
ISBN-13: 978-3458335085
Preis: 9.00 EUR


Immer wieder wurde dieses Buch zur Hand genommen, immer wieder wurde es zugunsten eines anderen Buches zur Seite gelegt. Wie sich jetzt nach der Lektüre herausstellte, wurde diesem Buch mit dem oftmaligen Zurücksetzen ziemlich Unrecht getan. Denn dieses Buch ist wirklich lesenswert. Erstmals erschien dieses Buch im Jahre 1921 und seine Handlung spielt auch zu dieser Zeit.

Plötzlich und völlig erwartet verliert die zweiundzwanzigjährige Lucy ihren Vater. Noch ehe sie den Verlust überhaupt realisieren kann trifft sie auf den gut zwanzig Jahre älteren Everard Wemyss. Schnell schafft er es dem Mädchen die Geborgenheit zu geben, die sie vor dem immer vom Vater bekommen hatte. Aber langsam wird aus der Geborgenheit Bevormundung und weder das junge Mädchen noch die Tante, bei der Lucy nach dem Tode des Vaters Unterschlupf gefunden hat, können dem Wemyss Entscheidendes entgegensetzen. Und so kommt wie es kommen muss, Everard Wemyss heiratet Lucy und macht sich quasi zum absoluten Herrscher über das junge Mädchen. Bei der Titelheldin dieses Buches handelt es sich um die Ex-Frau des Wemyss, die vierzehn Tage vor seinem Kennenlernen mit Lucy einem tödlichen Unfall zum Opfer fiel. Ihr Schatten ist allgegenwärtig, als Lucy zum ersten Mal den Landsitz ihres Gatten besucht.

Die Charakterisierung des Everard Wemyss ist Elizabeth von Arnim meisterhaft gelungen. Er ist der Prototyp des selbstgerechten Egoisten, der genaugenommen nur für sich Interesse hat und der seiner jungen Frau nicht den Hauch einer eigenen Meinung zugesteht.

Die Autorin hat ein sehr anregendes Buch geschrieben. Sehr angenehm zu lesen und offenbar so etwas wie ein Spiegel der damaligen Zeit. Frauen sind mehr oder weniger rechtlos und werden von ihren Ehemännern ganz offen unterdrückt. Die Autorin schildert unaufgeregt aber durchaus engagiert die Rolle der Frau im England der Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Auch Lucy muss erfahren, dass sie aus der Sorglosigkeit und aus dem liberalen Elternhaus in einen golden Käfig gewechselt ist. Gewohnt an lebhafte Diskussionen mit dem Vater muss sie sich nun in allen Dingen völlig zurücknehmen.

Das Buch ist auch Plädoyer für die Gleichberechtigung der Frauen und eine Anklage gegen den „Absolutismus“ der Ehemann. Sehr lesenswert.

Meine Bewertung:
:stern: :stern: :stern: ( :stern: )

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Voltaire
 

von Anzeige » 19.04.2008, 19:24

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Beitragvon Katia » 19.04.2008, 19:43

Ich habe eine ganze Reihe von Elizabeth von Arnims Büchern in meinem Regal stehen, eine Zeitlang habe ich eines nach dem anderen gelesen - "Vera" war das letzte vor einer längeren Unterbrechung. Von Arnim schreibt scharfe Gesellschaftskritiken und bei "Vera" war sie mir (wenn ich das richtig im Kopf habe) ein bisschen zu dick aufgetragen.
Trotzdem mag ich die Autorin immer noch gerne, ihre Bücher haben ihren ganz eigenen Charme, ein bisschen wie eine hundert Jahre jüngere Jane-Austen, mit eine genauen und scharfzüngigen Beschreiben der deutschen/englischen Gesellschaft zu dieser Zeit.

Was hat für Dich zum Sternchenabzug geführt, Voltaire?

Katia
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Beitragvon Voltaire » 19.04.2008, 21:00

Katia hat geschrieben:Was hat für Dich zum Sternchenabzug geführt, Voltaire?

Katia


Mir erschienen die handelnden Personen ein klein wenig überzeichnet; wahrscheinlich geschah das um das Anliegen der Autorin nachdrücklich deutlich zu machen. Eine Marginalie, aber so wurden es eben nicht fünf Sterne.
Voltaire
 

Beitragvon Susannah » 05.08.2009, 08:48

Mir ging es ganz gleich wie Voltaire. Ich habe das Buch vor einigen Jahren von einer Freundin zum Geburtstag bekommen und war damals etwas erstaunt, dass sie mir so ein Buch schenkt. Dann habe ich es einige Male zur Hand genommen und immer wieder zurück ins Regal gestellt. Bis letzte Woche. Und: Es war völlig ungerechtfertigt, das Buch so lange seinem SUB-Dasein zu überlassen.

Die Geschichte, der Charakter des Tyrannen Wemyss, die Hilflosigkeit Lucys haben mich echt fertig gemacht. Dass er ein unglaublich patriachischer Typ ist, der seine Dienstboten noch schlechter behandelt als seine Frau, hätte ich ja noch wegstecken können, wenn nicht diese ewigen Erklärungen und Entschuldigungen Lucys gewesen wären. Immer wieder versucht sie, sein Verhalten zu rechtfertigen und (noch schlimmer) die Schuld bei sich zu suchen.

Und trotz allem liebt er sie auf seine Art. Wenn sie nur so funktioniert, wie er es wünscht, trägt er sie auf Händen und liest ihr jeden Wunsch von den Augen.

Ich hab mir so gewünscht, dass Wemyss einen Unfall hat, als er kontrolliert hat, ob die Tante auch wirklich weg ist. Vielleicht, dass er selbst auf der Terrasse stürzt oder ihn jemand überfällt.

Zusätzlich zu der wirklich gut gelungenen Geschichte möchte ich noch den Schreibstil von Frau von Arnim erwähnen. Eine wunderschöne Sprache, sehr angenehm und flüssig zu lesen.
Nichts ist schöner und nichts erfordert mehr Charakter als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!
(Kurt Tucholsky)
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