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Zweig, Stefan - Der Amokläufer




Zweig, Stefan - Der Amokläufer

Beitragvon chip » 20.01.2008, 08:23

Einsam sitzt er an Deck des Schiffes von Indien nach Europa, nur nachts findet er den Mut, seine Koje zu verlassen. Dort höre ich ihn atmen, sehe seine Pfeife glühen, als ich nach draußen komme, um die nächtliche Ruhe zu genießen. Nach einigem Zögern erzählt er seine Geschichte als Arzt auf kolonisiertem Boden.

Seine Zeit als Arzt ist beinah abgelaufen, die Zwangsjahre sind vorüber und schlägt die noch verbleibende Zeit tot, bis er die Rente in Europa nehmen kann. Die Langeweile verflüchtigt sich schlagartig, als die reiche Europäerin seine Hütte aufsucht, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Sie bietet ihm Geld für seine Verschwiegenheit, sehr viel Geld. Er jedoch lehnt ab, möchte mehr haben, möchte Sie haben. Die herrschsüchtige Dame lehnt verbittert ab und belästigt ihn auch nicht weiter.

Er wird unruhig, hat sie falsch eingeschätzt, und irgendwie schlägt sein Hass ihr gegenüber um in Liebe. Sie, die sich von den devoten Einheimischen abhebt, birgt für ihn den Reiz. Er läuft ihr nach und lässt durchsickern, ihr vollends ergeben zu sein. Sie hingegen bleibt kühl und abwehrend. Durch ihre Ablehnung und seiner Liebeswut wird er wahnsinnig, wird zum Amokläufer, als er auf einer Feier winselt und sich durch Gesten lächerlich macht. Sie wird die Party peinlich berührt verlassen und doch werden sich ihre Wege ein allerletztes Mal kreuzen …

Zweig hat hier eine interessante Novelle geschrieben, da er so viele Themen vereint. Die Krankheitsform „Amok“, die er einleuchtend beschreibt und die wohl damals noch nicht ausreichend erforscht war, das Machtverhältnis zwischen den Europäern und den Einwohnern der Kolonialstaaten und der heimliche Abtreibungsversuch der Frau. Es hätte in meinen Augen ein Meisterwerk werden können und doch scheitert sie ein weiteres Mal an Zweigschens Schreibunfähigkeit. Die Figuren bleiben blass, die Liebestollheit des Arztes bleibt unnachvollziehbar, viel zu rasch wechselt sein Hass in Liebe um. Somit bleibt dem Leser die Möglichkeit verwehrt, ihm nachzufühlen.
:stern: :stern:

Gruß,
chip
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chip
 

von Anzeige » 20.01.2008, 08:23

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