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Eggers, Dave - Ihr werdet (noch) merken, wie schnell wir sin




Eggers, Dave - Ihr werdet (noch) merken, wie schnell wir sin

Beitragvon Katia » 13.05.2010, 08:58

Dave Eggers - Ihr werdet (noch) merken, wie schnell wir sind
OT: You shall know our velocity


Was für ein seltsamer Titel, was für ein atemloses Buch! Will und Hand, 27, gehen auf Weltreise: eine Woche haben Sie Zeit, ihr Ziel ist es 32 000 $ an Menschen zu verschenken. Nur mit einem kleinen Rucksack geht es auf den ersten Flug nach Grönland - der gleich mal wegen Wind ausfällt, so dass sie lieber nach Dakar fliegen. Symptomatisch wird dies für den Rest der Reise: so spontan zu reisen, ist gar nicht so einfach, wie die beiden sich das vorstellten, Flugpläne, Visa, Wartezeiten, damit hatten sie nicht gerechnet. Und auch Geld zu verschenken erweist sich als schwieriger als erwartet: wem schenkt man es und wie, ohne sich komisch dabei zu fühlen?
Erst nach und nach erfährt der Leser, was die beiden jungen Männer so umtreibt, insbesondere den Ich-Erzähler Will, dessen Gedanken, Selbstgespräche, fiktive Gespräche mit anderen, der Leser hautnah mitbekommt. Der Tod ihres besten Freundes Jack, dem dritten im Freundschaftsgespann, wenige Monate zuvor. Sie fliehen vor ihren Gedanken, Sie fliehen vor ihrem langweiligen Leben und treiben eine Woche rastlos durch die Welt, wo ihnen immer wieder verschiedene und doch gleiche Menschen und Landschaften begegnen.

Eggers Roman beginnt bereits auf dem Cover, passend zur (meist) schnellen Sprache, die Hektik und Rastlosigkeit unserer Reisenden unterstreichend. Trotz all seiner amüsanten Stellen - Geld, das an Ziegen geklebt wird, Verfolgungjagden, die keine sind - ist dies ein zutiefst trauriges Buch. Ein Buch über eine leidende Seele, einen jungen Mann, der sich von seiner Vergangenheit gezeichnet ist, der - vielleicht typisch für unsere Zeit? - mit Mitte 20 noch alles andere als erwachsen fühlt, denkt und handelt. Ein Buch über einen Verlust, eine sinnlose Suche.

Als Randbemerkung: schön, dass Droemer das englische Originalcover 1:1 übernommen hat, es gefällt mir sehr gut. Schade, dass die Übersetzung des Titels so missglückt ist. Erst gegen Ende wird erklärt, woher der Titel kommt: der Wahlspruch eines vor den Spaniern fliehenden südamerikanischen Indianerstammes, übersetzt von einem amerikanischem Wissenschaftler: "You Shall Know Our Velocity" hat einen biblische Ton, der in der mit Klammern verunstalteten deutschen Übersetzung völlig untergeht. Schade!

Selten hat mich ein Buch so in sein Tempo eingebunden, ich habe es sehr schnell gelesen, mich oft genauso gehetzt gefühlt wie die beiden Protagonisten. Eine Empfehlung? Mir hat's gut gefallen, auch wenn es mich ein bisschen ratlos zurücklässt und mit zwei, drei Seiten Probelesen hat man einen guten Eindruck, ob der Roman und seine Sprache einem zusagt. Das macht alles in allem:

:stern: :stern: :stern: :stern: und einen zusätzlichen Lichtstrahl für die Originalität

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