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Tersánszky, Jenő J. - Auf Wiedersehen, Liebste!




Tersánszky, Jenő J. - Auf Wiedersehen, Liebste!

Beitragvon mombour » 20.09.2010, 21:00


Jenő J.Tersánszky: Auf Wiedersehen, Liebste!


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Viele bekannte Kriegsromane, die sich mit dem ersten Weltkrieg auseinandersetzen, seien es die von Ernst Glaeser („Jahrgang 1902“), Ludwig Renn („Krieg), Alexander Moritz Frey („Die Pflasterkästen“), Erich Maria Remarque ( „Im Westen nichts Neues“), Edlef Köppen („Heeresbericht“) oder auch andere, sind nach dem Krieg entstanden. Nun fiel mein Blick ins Bücheregal auf ein schmales Taschenbuch, welches einige Jahre klanglos im Regal vor sich hin vegetierte: Der Roman des ungarischen Schriftstellers Jenő J. Tersanszky „Auf Wiedersehen, Liebste!“ Hört sich an wie Rosamunde Pilcher, die mal ein Happy End weggelassen hätte. Dieser Roman entstand bereits 1916.

Jenő J. Tersánszky (1888 – 1969). In seinen jungen Jahren wollte er sich der Musik verschreiben, aber nie verschmerzen können, dass er es nie getan hat. Er begann mit dem Studium der Malerei, landete schließlich in der Juristerei. In den wenigen Jahren seiner Tätigkeit als Assessor machte er sich einen Namen als Anwalt der Armen. Allerdings trieb er dann wieder woandershin und begann mit dem Schreiben. „Mit der Feder glaubte er den Entrechteten, Gestrandeten und im Leben schlecht Davongekommenen am besten dienen zu können.“ So formuliert es Almos Csongár im Nachwort, der bei dem Autoren mal zu Besuch war.
Almos Csongár hat geschrieben:Als ich aus dem Bus stieg, erkannte ich ihn sofort, obwohl ich ihn noch nie gesehen und wir telefonisch kein Erkennungszeichen verabredet hatten.

Da man im deutschsprachigen Internet kaum oder gar nichts über Tersánszky findet, bin ich für das Nachwort sehr dankbar. Er war Kriegsfreiwilliger. Im Frühjahr 1915 ist in seinem Tagebuch vermerkt:
aus dem Tagebuch von Tersánszky hat geschrieben:Vom Oberst aufwärts bereichert sich jeder....Der General riskiert rein gar nichts für sein Riesensold, während der einfach Soldat für einen nichtigen Sold alles riskiert.


Um einer Zensur zu entgehen, und als aktiver Soldat nicht vors Kriegsgericht zu landen, verlegt er die Romanhandlung in den Ostzipfel Europas, in ein Dorf in Galizien. Der Panslawismus bringt Russland dazu, Polen im ersten Weltkrieg zu annektieren, und die Polen, so erlesen wir es im Roman, haben große Angst vor den Russen. Sie sind im Anmarsch und jeder der kann fllieht aus dem Dorf. Auch Nela eine 24 jährige Frau, die nach dem Bankrott und Selbstmord ihres Vaters beim Großvater unterkommt, macht, nachdem sie erst davon geträumt, einmal doch die große Liebe ihres Lebens zu begegnen und hoffend nicht als Mauerblümchen in qualvoll vergeblichen Träumen zu versumpfen, einen Fluchtversuch, der allerdings scheitert. Die Russen sind da, man hört das Brüllen der Kanonen. Offenbar befindet sich das Dorf an der Frontlinie. Nela lernt den russischen Offizier Nikolai, der im Hause vorübergehend Unterkunft findet, kennen und lieben. Es ist natürlich klar, aus dieser Liebe kann nie etwas werden. Der Offizier wird wieder ins Kriegsgetümmel gerufen, vorher Nela allerdings wegen ihrer Wollust in einen moralischen Engpass gerät, und sie, nachdem der Offizier fort ist, allerdings ein leichtes Mädchen wird. Die Liebe zu dem Offizier hatte keine Spur Hoffnung auf Dauer. Geschildert wird der soziale und moralische Abstieg eines an sich anständigen Mädchens im ersten Weltkrieg. Unanständig und brutal ist nur der Krieg, der alle Lebensperspektiven zerstört. Lieber einmal der Wollust erliegen, als ein Mauerblümchen im Sehnsuchtsfieber bleiben, scheint doch der Tod nicht fern. Na, ja, wie war's denn bei Lew Kopelew? Frontehen. Die Liebe in Zeiten des Krieges ist für uns heute in Deutschland kaum vorstellbar.

Dieser Roman ist sicher kein Meisterwerk ungarischer Erzählkunst, aber doch ein unterhaltsamer Roman, der immerhin die Atmosphäre von damals spiegelt. Darum erinnert mich der Roman, auch wenn Tersánszky nichts von der Raffinesse eines Perutz hat, gerne an die Zeit von „Wohin rollst du Äpfelchen“. Trotzdem, ich lese gerne Romane aus dieser Zeit, weil sie doch so ganz anders sind, als Romane heutzutage. Darin liegt der Reiz.

Liebe Grüße
mombour
Thomas Hardy: Herzen in Aufruhr
Fernando Pessoa: Buch der Unruhe
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