(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)
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Coetzee, J.M. - Schande

06.07.2006, 18:59

Inhalt:

David Lurie ist 52 Jahre alt, weißer Südafrikaner, 2 x geschieden, eigentlich Universitätsprofessor für klassische und moderne Sprachen, unterrichtet aufgrund Rationalisierungsmaßnahmen nunmehr eher lieblos und unengagiert das Fach „Kommunikation“. Er hat Probleme mit dem Altern und sucht immer die Bestätigung, dass er auch für junge Frauen noch begehrenswert ist. Er beginnt eine Affäre mit einer seiner Studentinnen, Melanie. Das Mädchen weist ihn vorerst zurück, David Lurie bleibt hartnäckig und spielt auch seine Macht als Professor aus und kriegt sie ins Bett.
Die Affäre fliegt auf, David Lurie muss sich vor einer Disziplinärkommission wegen Vergewaltigung verantworten. Aus welchen Gründen auch immer bleibt unerwähnt, David Lurie anerkennt die Schuld ohne sich zu rechtfertigen und wird suspendiert.

Er verlässt Kapstadt und besucht seine mittlerweile erwachsene Tochter Lucy, die in Salem ein „Aussteigerleben“ führt. Sie bewirtschaftet eine kleine Farm, lebt vom Verkauf des Gemüses und der Blumen und betreibt nebenbei auch ein Asyl für herrenlose und kranke Hunde. David Lurie hat große Probleme mit der Lebensführung seiner Tochter, hätte er sich doch ein „besseres“ Leben für sie gewünscht, und es ihr auch ermöglicht. Lucy aber ist selbstbewusst und hat nicht leichtfertig dieses Leben gewählt.

Eines Tages werden sie von 3 Schwarzen überfallen, die Hunde werden von ihnen erschossen, David wird eingesperrt , Lucy wird vergewaltigt, das Auto wird gestohlen. Nach diesem Vorfall kommen die verschiedenen Lebenshaltungen von Lurie und seiner Tochter so richtig zum Vorschein. Während Lurie mit aller Gewalt versucht, die Täter zu finden und angemessen zu bestrafen, akzeptiert Lucy die Gesetze der Wirklichkeit und reagiert ganz unverständlich.

J.M. Coetzee

Geb. am 9. Februar 1940 in Kapstadt, studierte dort Englisch und Mathematik, war in England als Programmierer für IBM tätig, kehrte 1972 nach Südafrika zurück, wo er an der Universität von Kapstadt lehrte. Seit 2002 lebt er in Adelaide, Australien.

Coetzee wurde als erster Autor 2 Mal mit dem Booker-Prize ausgezeichnet. (1983 für „Leben und Zeit des Michael K., 1999 für „Schande“).

2003 erhielt Coetzee den Nobelpreis für Literatur. („stellt in zahlreichen Verkleidungen die überrumpelnde Teilhabe des Außenseitertums dar“).

Meine Meinung

Das Buch ist in sehr klarer, schnörkelloser, einfacher Sprache und absolut wertfrei und distanziert geschrieben. Nichtsdestotrotz geht es tief unter die Haut.
Es ist fast unmöglich, sämtliche im Buch gestreiften Themen und Problematiken anzusprechen.
Vorherrschend – obwohl nie direkt erwähnt – geht es um die aktuelle Situation in Südafrika. Die Weißen ernten nun die „Früchte“ ihrer Apartheid-Politik, das Blatt hat sich gewendet. Es herrscht Chaos, Angst, Gewalt und die Polizei ist machtlos.

Es geht aber auch um Ehre und Moral, um das Älterwerden, um Opfer und Täter, um Recht und Unrecht, um Schuld, um Toleranz und Akzeptanz, um Macht und Unterwerfung, um Tierschutz und nicht zuletzt um Lord Byron, über den der Professor eigentlich sein „Lebenswerk“ in Form eines Opern-Librettos schreiben wollte.

Das Buch hat mich gerade wegen dieser Vielschichtigkeit und den vielen Denkanstößen sehr angesprochen.

:stern: :stern: :stern: :stern:

Bild

06.07.2006, 18:59

15.04.2008, 14:46

Ein tiefbewegender Roman, der mir die Situation in Südafrika gut näher gebracht hat!

Das ist doch paradox! Und das geschieht in ein und demselben Land!
Ein Prof an einer Uni in Kapstadt, 52 und geschieden, macht sich an eine sehr attraktive Studentin heran. Diese ist nicht besonders interessiert, dennoch geht sie diese Liaison ein, weil sie sich bessere Noten verspricht. Als diese Affäre heraus kommt, muss Lurie seinen Dienst quittieren, ansonsten wäre er unehrenhaft liquidiert worden.

Andererseits wird die Tochter des Profs von Schwarzen vergewaltigt und geschwängert, ob sie sich mit HIV infiziert hat, bleibt ungelöst. Diese Vergewaltigung wird mehr oder weniger unterm Tisch gekehrt.

In “Schande” müssen beide Protagonisten leben, und diese beiden sehr bewegenden Ereignisse schildert Coetzee in einer sehr klaren und schnörkellosen Sprache; stellt sie gegenüber und lässt den Leser darüber nachdenken. Darüber hinaus beschreibt er noch sehr viele Dinge und Verhältnisse, welche in Südafrika aktuell und alltäglich sind.

Das offenen Ende macht diesen packenden Roman zu einem wirklichen “Nachdenker”, denn die Problematik hat sich ja erst in der letzten Zeit dermaßen zugespitzt, wie das enden wird, kann keiner voraussagen?!

Eine leicht zu lesende Lektüre, die aber gewiss lange nachklingt.

Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:

15.04.2008, 14:47

Ein Buch, eine Meinung was Pippi :D

15.04.2008, 15:41

Krümel hat geschrieben:Ein Buch, eine Meinung was Pippi :D


[schild=14 fontcolor=000000 shadowcolor=C0C0C0 shieldshadow=1 nxu=47363231nx34148]Jawohlja![/schild]

... wurde auch langsam wieder Zeit, oder?? :wink:

15.04.2008, 16:58

Krümel hat geschrieben:Das offenen Ende macht diesen packenden Roman zu einem wirklichen “Nachdenker”, denn die Problematik hat sich ja erst in der letzten Zeit dermaßen zugespitzt, wie das enden wird, kann keiner voraussagen?!


Das musst Du mir mal erklären, Krümel, wie Du das gemeint hast, denn leider war die Situation in Südafrika seit Jahrzehnten zugespitzt, zumindest für den vergessenen Teil der Bevölkerung. Das Buch wurde ja anscheinend 1999 geschrieben, also nach dem Ende des Apartheidregimes. Dann handelt es sich jetzt um eine neue Form an Problemen, an denen Südafrika aber reich war?

15.04.2008, 17:48

Nein, ich meine schon das alte, aber jetzt ein neu zugespitzes Problem! Klar sind die Weißen wie die Bekloppten überall in Afrika einmarschiert, aber in Südafrika herrscht eine solch hohe Kriminalität, das kann man sich ja kaum vorstellen :shock: Davon war ich total geschockt. Und ich denke, das Problem Schwarz-Weiß existiert immer noch, kam im Buch wenigstens so rüber.

15.04.2008, 19:24

Es ist zwar schon etwas länger her, dass ich das Buch gelesen habe, aber es ist mir noch recht gut in Erinnerung.

Hintergründig beleuchtet wird die Situation der Bevölkerung nach dem "offiziellen" Ende der Apartheid. Die Schwarzen sind in der Überzahl und fordern ihre Rechte ein, die Weißen können und wollen dies nicht so akzeptieren. Das Land versinkt in Chaos und Gewalt.
Man muss allerdings betonen, dass dieses Buch absolut wertfrei geschrieben ist, d.h. es gibt keine "guten/bösen Weiße" bzw. "guten/bösen Schwarze".

16.04.2008, 07:45

Das Buch kenne ich (noch) nicht, aber es liegt auf meinem Wunschzettel. Zur Kriminalitätsrate kann ich nur beitragen, dass sie zur Zeit am höchsten auf der Welt ist. Die "wohlhabendere" Bevölkerung umgibt sich mit Stacheldraht, geladenem Gewehr, Wachhunden etc.. Ich habe beispielsweise mal einen Bericht gesehen wo ein Supermarkt von einem Wachmann mit geladenem und (!) bereit gehaltenen Gewehr bewacht wurde. Der Markt wurde schon mal überfallen. Das wäre absolut kein Land für mich alten Angsthasen, in dem ich Leben möchte.
Interessanterweise soll es eines der Länder sein wo die meisten Deutschen auswandern.

16.04.2008, 10:20

wolves hat geschrieben:Interessanterweise soll es eines der Länder sein wo die meisten Deutschen auswandern.


Ist ja auch wunderschön dort, wolves. Ich habe auch einen Bericht über Südafrika im Fernsehen gesehen. Wunderschöne Häuser mit Blick auf´s Meer, angenehmes Klima, tolle Flora, ja ein schöner Flecken auf der Erde. Aber die Kriminalität :shock: Ganz schlimm!
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