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Andersen, H.C. - Peer im Glück




Andersen, H.C. - Peer im Glück

Beitragvon chip » 07.07.2008, 08:16

„Der Glückspeter“ ist eines seiner wenigen Romane, die er neben seinen Märchen schrieb. Es war sein 5. Roman und sein zugleich Letzter. Allein der Titel könnte als weiteres Märchen verstanden werden. Stellenweise liest es sich auch so. Diese Züge weichen jedoch nach der Hälfte des Buches einem sentimentalen Unterton. Was bleibt und hervorsticht, ist wohl größtenteils autobiographisch.

Die Erzählung („Roman“ klingt auf schlappen 100 Seiten etwas bizarr) handelt von Peter oder Peer, wie er ursprünglich getauft wurde und man in der Neuübersetzung wieder aufgegriffen hat. Peer also, der in ärmlichen Verhältnissen aufwächst und sich um eine Theaterkarriere bemüht. Er versucht sich im Ballett, doch erst durch seine glockenreine Stimme wird man auf ihn aufmerksam. Sie verschafft ihm Ruhm und Ansehen, bis seine Laufbahn durch den Stimmbruch jäh unterbrochen wird. Diese Situation verschafft ihm die Gelegenheit, sich eine Ausbildung anzueignen. Seine Rückkehr zur Bühne verschafft ihm Zutritt in hohe Gesellschaftskreise. Als Opernsänger wird er gefeiert und bejubelt.

"Was bist du noch jung, lieber Freund" sagte er, "dass du ein Vergnügen daran haben kannst, mit diesen Leuten zu verkehren! Sie mögen an und für sich gute Menschen sein, aber uns Bürgerliche übersehen sie! Wenn sie Künstler und im Augenblick gefeierte Persönlichkeiten in ihren Kreis aufnehmen, so ist das für einige von ihnen nur ein Ausdruck ihrer Eitelkeit, ein Amüsement, für andere dagegen eine Art Bildungsschild. Für sie gehören Künstler in den Salon wie Blumen in eine Vase, erst dienen sie als Schmuck, und dann werden sie fortgeworfen."

Anscheinend fällt diesem Peer das Glück in den Schoß. Schon als Kind findet er in der Rinne Wertgegenstände, während andere Kinder bloß Glasscherben angeln. Das eigentliche Glück hingegen sind die Umstände, die auf dem ersten Blick beklagenswert, sich aber positiv auf längere Sicht entwickeln. So trifft er im Ballettunterricht auf Personen, die sein Gesangstalent entdecken. Die zweijährige Pause wegen seines Stimmbruchs begünstigt ihn insofern, dass er auf einen ehrenwerten Professor trifft, der ihm die Grundlagen seines späteren Ruhmes beibringt. Peers Geleise in seinem Leben sind perfekt koordiniert, die er nur abzufahren braucht. Andersen sieht darin sein eigenes Glück, dass größtenteils vom Zufall geprägt war. Er stand meist zur rechten Zeit am rechten Ort. Dieses sein Alterswerk ist somit als dankbar zeigenden Rückblick zu verstehen.

Nun bleibt vielleicht noch zu klären, was für den Einzelnen ein Leben in Glück bedeutet. Mir fehlte in dieser Geschichte die Erfahrung der Liebe. Peer wurde von einer Frau abgewiesen, gewiss damit seine Karriere den Siegeszug unbeschadet fortsetzen kann. Aber ist Glück vollkommen, ohne dieses Gefühl erlebt zu haben, ohne es gelebt zu haben? Für Andersen mag Berühmtheit ausgereicht haben, da er selbst nie eine Beziehung führte. Kann man Peer/Andersen nicht letzten Endes heimlich bedauern?
:stern: :stern: :stern:

Gruß,
chip

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chip
 

von Anzeige » 07.07.2008, 08:16

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Beitragvon Krümel » 07.07.2008, 09:37

Diese Rezi kommt auch ins Blog.

Mal eine Frage: Mochtest du auch schon immer Manesse Ausgaben oder jetzt erst?
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon chip » 07.07.2008, 18:49

Ich habe, glaube außer André Gide, noch nie Manesse in Händen gehalten. Ich habe meist ältere Ausgaben, die nicht mehr auf Amazon gelistet werden und bin quasi gezwungen, die Manesse-Ausgabe zu verlinken. :wink:

Gruß,
chip
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Beitragvon Krümel » 07.07.2008, 20:04

Aso, ich dachte schon, ich hätte dich verführt :wink: :mrgreen:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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