Dieser federleichten Sommerkomödie ist ein fiktiver Briefverkehr zwischen dem Verleger Rowohlt und dem Autor vorangestellt, der ersucht wird, nach so viel politischen Romanen endlich wieder eine Liebesgeschichte zu schreiben. Etwas Romantisches, um es der Freundin zu schenken, mit buntem Cover versehen. Dabei, gibt Tucholsky zu, verstünde er doch nichts von Liebe.
„Ja, eine Liebesgeschichte … lieber Meister, wie denken Sie sich das? In der heutigen Zeit Liebe? Lieben Sie? Wer liebt denn heute noch?
Dann schon lieber eine Sommergeschichte.“
Die Briefe sind fiktiv, die anschließende Reise nach Schweden ebenfalls. Die Hauptfigur jedoch ist er selbst, Kurt Tucholsky, begleitet von seiner Freundin Lydia, genannt Prinzessin, inspiriert von seiner 4-jährigen Liebesbeziehung zur Verlegerin Lisa Matthias und seiner Schwärmerei zu Schweden. Beide sind sie auf dem Weg in den Urlaub, finden Unterschlupf in einem leer stehenden Anbau des „Schloss Gripsholm“, eine Attraktion für zahlende Touristen.
„Wie heißt er denn nun eigentlich?“ fragte Billy entrüstet. „Mal sagst du Peter zu ihm und mal Daddy und jetzt wieder Fritzchen…!“ – „Er heißt Ku-ert …“ sagte die Prinzessin. „Ku-ert … Dasha gah kein Nomen, - Wenn hei noch Fänenand oder Ullrich heiten deer, as Bürgermeister sinen!“
Nun, ist es denn eine Liebesgeschichte? Die Liebe schimmert durch jede Zeile hindurch, wenn Kurt kleine Marotten und Gewohnheiten seiner Freundin kommentiert und feststellt, gerade das liebe er an ihr. Diese kleinen unscheinbaren Details, die nur ein Liebender bemerkt. Neckende Dialoge zwischen Lydia und Kurt, die meist mit versöhnenden Worten und einem einlenkenden Mann enden. Tucholsky versucht zu deuten, oder vielmehr unternimmt er den Versuch, dem Grund seines Verhaltens zu folgen. Es ist ein Herantasten, inwieweit sich Liebe bemerkbar macht, und er stößt dabei auf sehr viel Weisheit und Wahrheit. Er denkt sich zurück an die Anfänge, die erste Begegnung mit ihr, sucht nach dem Ursprung aufkeimender Liebe, dem Grund irrationaler Handlungen. Er weckt sie sanft, nur um ihre Stimme zu hören, oder er sitzt einfach nur da und bewundert ihre Hände, während sie die Zeitung blättert.
„Ich sah die Prinzessin von der Seite an. Manchmal war sie wie eine fremde Frau, und in diese fremde Frau verliebte ich mich immer aufs Neue und musste sie immer aufs Neue erobern.“
Vordergründig bleibt es allerdings eine harmlose Sommergeschichte, denn es ist Urlaub, Urlaub in Schweden, fern aller Sorgen und Pflichten. Er bleibt dennoch seiner Rolle als Satiriker treu, wenn er unverständliche Ortsnamen, dem norddeutschen Dialekt seiner Freundin oder über Frauen im Allgemeinen auf die Schippe nimmt. Als Dichter entzückt er den Leser mit außergewöhnlichen Satzkonstruktionen, erdichtet hier den Ausspruch „Die Seele baumeln lassen“ und spart nicht an Komik.
„Missingsch ist das, was herauskommt, wenn ein Plattdeutscher Hochdeutsch sprechen will. Er krabbelt auf der glatt gebohnerten Treppe der deutschen Grammatik empor und rutscht alle Nase lang wieder in sein geliebtes Platt zurück.“
Die konservative und überholte Moral seiner Zeitumstände ist ein weiterer Punkt, den er thematisiert. Entsetzte Gesichter überall, wenn seine offene Beziehung zu Lydia angesprochen wird, oder er provoziert den Leser, indem er „unmoralisch“ eine Dreiecksbeziehung mit beiden Frauen eingeht. Aber vor allem will er seinen Urlaub genießen.
Er schafft zwar durch die lokale Veränderung einen Kontrast, kann seinem Berliner Alltag jedoch nicht entkommen, denn die Zeit der Rückkehr rückt unaufhaltsam näher. Wehmütig wird der Ton, wenn die Turmglocke ihn wieder daran erinnert, dass die Zeit nicht stehen bleibt. Die Idylle seines Urlaubs gerät zudem durch die Erzieherin eines Kinderheims ins Wanken. Diese spiegelt die politische Gefahr auf die Demokratie wider, denn ihre brutale, stets übermenschlich korrekte und disziplinierte Art weisen sie symbolisch als nationalsozialistische Bedrohung aus. Die Errettung eines ihrer Schutzbefohlenen durch das Paar kann also als politische Anspielung gelesen werden. Die Geschichte bzw. aktuelle politische Situation ist demnach eine globale Gefahr, die vor keinem Land und keiner Urlaubsidylle halt macht.
„Um ein Haar hätte sie mir leid getan, aber ich wusste, wie gefährlich dieses Mitleid war und wie verschwendet.“
Trotz all dieser Punkte, bleibt es am Ende doch „nur“ eine Sommergeschichte - locker, verspielt, humorvoll, unbekümmert. Keines der oben genannten Punkte fordert mehr Gewicht ein als andere Elemente. Kein Thema, das eine Priorität verlangt. Sie wird höchstens den Wunsch beim Leser wecken, seinen Urlaub vorzuschieben.
„Wir hatten geglaubt, der Zeit entrinnen zu können. Man kann das nicht, sie kommt nach.“
Gruß,
chip