Wir folgen Henry Perowne, einen Neurchirurgen, vom fruehen Samstagmorgen, dem 15. Februar 2003 ueber 24 Stunden. Die Ereignisse des Tages bieten dem Erzaehler die Gelegenheit, Rueckblicke auf die Leben der Familienmitglieder zu werfen. Seiner Frau, seines Musikersohnes Theo, der fuer den Abend aus Paris erwarteten Tochter Daisy, die ihre ersten Buecher veroeffentlicht, der Eltern etc. Insbesondere ein kleiner Autounfall und die darauf folgende Auseinandersetzung mit dem sichtbat angeschlagenen Baxter wird den Tag nahe an der Rand einer Katastrophe bringen.
Im Hintergrund des selben Tages steht eine Riesendemonstration in London gegen den nahe bevorstehenden Krieg gegen den Irak. Und obwohl an zeitweilig von zwei relativ unabhaengigen Erzaehlstraengen denken koennte, ist das regelmaessige Auftauchen dieses Themas doch ein Zeichen einer Verbindung, die McEwan herstellt. So steht dieser Roman ganz klar in der Folge des 9.Septembers 2001. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass der Autor zu sehr etwas sagen wollte ueber den Terrorismus und die unausweichliche militaerische Antwort durch die USA und den allierten Briten. So gab es fuer mich Passagen, denen ich in ihrer oberflaechlichen Unwiderlegbarkeit und einem gewissem Pessimismus nicht ganz traue, da die Wahrheit, bzw. Realitaet stets komplexer ist. Manchmal dann wiederum scheint McEan genau dieser Eindeutigkeit zu widersprechen und sieht das Fragwuerdige. Ja, im Verlauf des Romans ist es genau diese Komplexitaet und eine notwendige dauernde Infragestellung sener eigenen Sicherheiten, die die Oberhand gewinnen werden.
Ueber dem ganzen Tag, und dem anscheinend gut laufenden Leben des Perowne liegt stillschweigend eine Bedrohung, die der Autor meisteraft unterschwellig andeutet. Stets scheint der naechste Moment unerwartet und dennoch irgendwie lange vorbereitet: In jedem Augenblick – so vermeint man – mag ein Leben kippen.
Ich meine zwar. dass es McEwan insbesondere in den detailhaften Schilderungen der beruflichen Faehigkeien von Henry Perowne etwas uebertreibt, doch finden auch diese laengeren, sehr ausgefeilten Schilderungen ihren Platz im Werk. Insbesondere die ersten hundert, ja einhundertfuenfzig Seiten koennten etwas langgezogen wirken, doch es lohnt sich: Der Roman scheint seine Aufloesung in Fragen am Ende zu erhalten. Er steht darin in einer Reflexion, die in der Folge des 11.9.01 und in Grundfragen nach Sinn des Lebens und z.B. « notwendiger » Gewaltanwendung oder auch Vergebung den Autor stark bewegt haben muss. Nicht jeder muss allen Meinungen des Autors folgen, doch es ist es wert, ihm zuzuhoeren.
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