Krümels-Bücherwelt ...

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Moehringer, JR - Tender Bar




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Moehringer, JR - Tender Bar

Beitragvon Pippilotta » 10.05.2007, 18:22

Klappentext

Eine Bar ist vielleicht nicht der beste Ort für ein Kind, aber bei weitem nicht der schlechteste. Vor allem das "Dickens" nicht, mit seinen warmherzigen und skurrilen Figuren: Smelly, der Koch, Bob the Copund seine geheimnisvolle Vergangenheit oder Cager, der Vietnam-Veteran. Für den kleinen JR sind sie alle bessere Väter als seiner - wäre er da gewesen. Von ihnen lernt er Mut, Zuversicht und die Gewissheit, dass es nicht nur Gut und Böse gibt, dass Bücher Berge versetzen können und das man an gebrochenem Herzen nicht stirbt. In der Bar hört er zum ersten Mal Sinatra, sieht Baseballspiele im Fernsehen, und trinkt sein erstes Bier. Er lernt auch, dass Träume wahr werden können - wenn man für sie kämpft.

Ich ging mit einigen Vorbehalten an das Buch heran – ich erwartete, und der Klappentext suggeriert das auch – ein Buch über das Leben eines verwahrlosten Kindes in einer Kneipe. Dem ist Gott sei Dank nicht so.

JR (benannt nach seinem Vater Jonathan, der allerdings die Familie verlassen hat) lebt mit seiner sich für ihn aufopfernden Mutter Dorothy in New York. Seine Kindheit ist geprägt von ständiger Geldnot, ständigem Wohnungswechsel, von Einsamkeit, von Schuldgefühlen und Verantwortungsgefühl seiner Mutter gegenüber und der Hassliebe zu seinem Vater. Hin- und hergereicht zwischen seinen Großeltern und seinem Onkel Charly lernt JR bald die Welt der Erwachsenen kennen und somit auch die Stammkneipe seines Onkels, die „Dickens“, mit all ihren skurrilen Stammkunden. Diese Bar wird zu einer „Insel“ für JR, ein Fluchtpunkt und eine Heimat. Hier tröstet er seinen Liebeskummer, hier liest er seine geliebten Bücher, hier schmiedet er seine Zukunftspläne und begräbt auch dieselben.

Es wird der Zeitabschnitt des Erwachsen-Werdens des JR beleuchtet. Besonders gut getroffen sind die Gedanken, die sich ein Kind über die Erwachsenen macht. Seine Sehnsucht nach dem Vater, seine Schuldgefühle der Mutter gegenüber, die ihm alles ermöglicht (deren Wünsche er am Ende aber doch nicht erfüllen kann und will).
Mich hat das Buch sehr gut unterhalten, es ist kurzweilig, tiefgründig, sehr humorvoll aber auch recht traurig, alles in allem recht „amerikanisch“.

:stern: :stern: :stern: :stern: ( :stern: )

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Pippilotta


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Beitragvon Voltaire » 22.12.2007, 14:12

Titel: Tender Bar
Autor: J.R. Moehringer
Verlag: S. Fischer
Erschienen: 2007
Seitenzahl: 464
ISBN-10: 3100496027
ISBN-13: 978-3100496027
Preis: 19.90 EUR


J.R. Moehringer wurde 1964 in New York geboren und hat einen Roman über J.R. Moehringer geschrieben. Man würde sich aber sehr viel vom Lesegenuss nehmen, wenn man darüber nachgrübelte, was denn nun autobiographisch oder was einfach nur erfunden wurde. Erzählt wird von einer Kindheit, von einer Jugend und von Teilen eines Erwachsenenlebens.

Moehringer auf seinem Weg von der Schule, über Yale, mit Zwischenstation bei der New York Times hin zur Los Angeles Times – aber immer ist die Bar „Dickens“ mit allen ihren so unterschiedlichen Gästen Anlaufpunkt für Erfolge, Misserfolge, seelische Konflikte, Liebeskummer und der Ort den man aufsucht wenn man wirkliche Freunde braucht. Immer wird Moehringer auf seinem Lebensweg von seiner Mutter sanft aber nachdrücklich, und für ihn nicht immer wahrnehmbar in die richtige Richtung geschoben.

Durchzogen wird das Buch von einer leisen Traurigkeit und Melancholie, gleitet aber nie ins Weinerliche oder Triviale ab. Moehringer versteht es, den Leser bei der Stange zu halten, obwohl er nichts anderes macht, als über ein ganz normales Leben zu erzählen. Er schafft es, diese Normalität so darzustellen, dass sie den Leser in ihren Bann zieht. Es wird sich zeigen, wie lange diese Buch eine Schublade in der ersten Reihe des Gedächtnisse behalten kann, es ist eben auch möglich, dass „Tender Bar“ nur zu einem Buch wird, das „man irgendwann mal gelesen“ hat. Wer neue Erkenntnisse sucht wird sie dort nicht finden, wer ein Buch sucht, dass die literarische Welt in ihren Grundfesten erschüttert, der sollte einfach an „Tender Bar“ vorbeigehen – wer aber nach einem Buch sucht, welches gute und anspruchsvolle Unterhaltung bietet, der wird die 19.90 EUR für dieses Buch sicher nicht bereuen.

Meine Bewertung:
:stern: :stern: :stern: :stern:
Voltaire
 

Beitragvon Pippilotta » 22.12.2007, 16:55

Voltaire hat geschrieben: Es wird sich zeigen, wie lange diese Buch eine Schublade in der ersten Reihe des Gedächtnisse behalten kann, es ist eben auch möglich, dass „Tender Bar“ nur zu einem Buch wird, das „man irgendwann mal gelesen“ hat.


Ein gutes halbes Jahr später kann ich sagen, dass Du mit Deiner Einschätzung Recht hast. Das Buch hat mir beim Lesen sehr gut gefallen, doch hängen geblieben ist eigentlich nicht viel. Mittlerweile ist es ein Buch "das ich im Jahr 2007" gelesen habe. Das ich aber sehr gerne gelesen habe.

Schön, dass es Dir auch gefallen hat!
Herzliche Grüße
Pippilotta


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