Widmer, Urs - Der Geliebte der Mutter

[center]Urs Widmer - Der Geliebte der Mutter[/center]

Clara wächst behütet in einer wohlhabenden Basler Familie auf, ein ruhiges Kind, das häufig wie erstarrt in der Ecke steht, in sich gekehrt, die Eltern erschreckend. Als junge Erwachsene lernt sie den Dirigenten Edwin kennen, der mit seinem "Jungen Orchester" in den 20er Jahren moderne Musik spielt, Bartok, Schönberg. Sie verliebt sich in ihn, wird "Mädchen für alles" des Orchesters. Aus Verliebtheit und einer kurzen Affäre wird eine lebenslange Obsession für den bekannt und reich gewordenen Edwin, an der auch ihre Heirat mit einem anderen und ihr Kind nichts ändern wird.

Claras Sohn, der Erzähler, bezeichnet sein Werk als "Verneigung vor einem schwer zu lebenden Leben": Distanziert erzählt dieser Sohn die tragische Lebensgeschichte seiner Mutter, obwohl diese teilweise psychotische Züge annimmt und sein eigenes Leben bedroht. Widmer benutzt dazu eine rhythmische Sprache, teils stakkatoartig, teils mit abrupten Themenwechseln, Gedankenstrich durchsät.
Der kurze Roman (126 S.) enthält eine überraschende Vielzahl an Episoden, dir mir zu wenig in den Kontext der Geschichte eingebaut waren: z.B. der Besuch Mussolinis bei Claras italienischen Verwandten, der Tod der Cellistin. Obwohl gerade die italienischen Verwandten einen humorvolles Moment in den Roman bringen, wenn auch teils etwas klischeebehaftet.

Der Abschnitt über den zweiten Weltkrieg - Clara bei der Gartenarbeit, die Abläufe der Natur mit Einschüben über den Krieg verbindend, Clara bei Kriegsende aufatmend auf eine Gartenbank sinkend - ist ein wunderbares Stück Literatur. Für mich das Beste am Buch!

Mit dem "Buch des Vaters" hat Widmer die gleiche (autobiographisch inspirierte) Geschichte aus anderer Perspektive wiedererzählt - ich bin schon gespannt auf diese Variante.




Katia